Sachenrecht 1

Herausgabeanspruch - Anspruchsentstehung - (Kein) Recht zum Besitz

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3. (Kein) Recht zum Besitz

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Gemäß § 986 scheitert der Eigentumsherausgabeanspruch, wenn der Anspruchsgegner gegenüber dem Eigentümer ein Recht zum Besitz hat. Denn dann steht die Besitzlage nicht mit dem sich aus § 903 ergebenden Inhalt des Eigentums in Widerspruch. Nach § 903 darf der Eigentümer mit der Sache ja nur nach Belieben verfahren, „soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen“.

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§ 986 enthält trotz seiner Formulierung nach heute wohl ganz herrschender Meinung keine Einrede, sondern eine (von Amts wegen zu beachtende) rechtshindernde (bzw. bei nachträglichem Entstehen des Besitzrechts, rechtsvernichtende) Einwendung.

BGH NJW 1999, 3716, 3717; Palandt-Herrler § 986 Rn. 1 m.w.N. Das bedeutet, dass sich der Anspruchsgegner nicht (wie beispielsweise bei der Verjährung) explizit in einem Rechtsstreit auf sein Recht zum Besitz berufen muss, sondern ein solches von Amts wegen (also automatisch) vom Richter in einem Prozess zu prüfen ist.

Hinweis

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Die dogmatische Einordnung des § 986 spielt ferner eine Rolle bei der Frage, ob ein Versäumnisurteil ergehen kann, wenn sich ein Recht zum Besitz des säumigen Beklagten bereits aus dem Vortrag des im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesenden Klägers ergibt: Geht man mit der herrschenden Meinung davon aus, das Recht zum Besitz sei von Amts wegen zu berücksichtigen, ergeht ein klageabweisendes (unechtes) Versäumnisurteil, vgl. § 331 Abs. 1, Abs. 2 Alt. 2 ZPO.

Das Besitzrecht kann dabei nach dem Gesetzeswortlaut sowohl ein eigenes (§ 986 Abs. 1 S. 1, 1. Fall) als auch ein abgeleitetes (§ 986 Abs. 1 S. 1, 2. Fall) Recht sein.

 

a) Eigenes Recht zum Besitz (§ 986 Abs. 1 S. 1, 1. Fall)

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Definition

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Definition: „eigenes“ Besitzrecht

Ein „eigenes“ Besitzrecht i.S.d. § 986 Abs. 1 S. 1, 1. Fall besteht dann, wenn der Besitzer aus eigenem Recht unmittelbar gegenüber dem Eigentümer zum Besitz berechtigt ist. Hierbei kann es sich um ein dingliches oder ein schuldrechtliches Recht zum Besitz handeln.

aa) Eigenes Recht an der Sache („dingliches“ Besitzrecht)

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Das eigene Recht zum Besitz im Sinne von § 986 kann sich zunächst aus einem Recht des Besitzers an der Sache selbst ergeben (sog. „dingliches“ oder „absolutes“ Besitzrecht). Neben dem Eigentum können auch noch andere „dingliche“ Rechte an einer Sache bestehen. Mit jedem anderen Sachenrecht unterhalb des Eigentums ist eine eingeschränkte Befugnis verbunden, die eigentlich nach § 903 dem Eigentümer zusteht. Durch die Begründung solcher eingeschränkten Sachenrechte (sog. „beschränkt dingliche Rechte“) verkürzt sich also der Inhalt und Umfang des Eigentums, es wird sozusagen „belastet“. Durch die Verkürzung des Eigentums wird insoweit gleichzeitig deutlich, dass der Eigentümer andere Rechte an der Sache zu respektieren hat, er muss sie „dulden“. Sie wirken also unmittelbar auch ihm gegenüber.

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Insbesondere Pfandrechte vermitteln ein solches Besitzrecht, wenn und soweit für die Verwertung des Pfandes der Besitz des Pfandinhabers erforderlich ist. Das ist bei den Pfandrechten an beweglichen Sachen regelmäßig der Fall, da die Verwertung gem. §§ 1228 ff. durch Pfandverkauf des Gläubigers (= Pfandinhabers) durchgeführt wird und ein Verkauf ohne Besitz nicht (in sinnvoller Weise) möglich ist.

BGH NJW 1999, 3716, 3717; Palandt-Herrler § 986 Rn. 3. Außerdem erlischt das Pfandrecht, wenn der Pfandgläubiger seinen Besitz wieder aufgibt und die Sache an den Verpfänder oder Eigentümer zurückgibt, § 1253 Abs. 1 S. 1. Der Pfandinhaber genießt deshalb ein Recht zum Besitz und kann sich deshalb nach § 1227 gegen jede Besitzstörung (auch gegen den Eigentümer!) mit den „Waffen“ des Eigentümers (§§ 985, 1004) zur Wehr setzen.

Beispiel

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Vertragspfandrecht (§§ 1204 ff.), gesetzliches Werkunternehmerpfandrecht (§ 647), Vermieterpfandrecht (§ 562) nach berechtigter Inbesitznahme durch V gem. § 562b.

Weitere dingliche Besitzrechte gewähren etwa der Nießbrauch (vgl. §§ 1030, 1036 Abs. 1) oder das Wohnrecht in Form einer Dienstbarkeit (§§ 1090, 1093 Abs. 1 i.V.m. § 1036 Abs. 1); bei Grundpfandrechten erfordert dagegen weder ihre Bestellung noch ihre Verwertung einen Besitz des Inhabers. Sie werden vielmehr durch die Vollstreckungsorgane verwertet (§§ 1147, 1192) und gewähren deshalb kein Recht zum Besitz am jeweiligen Grundstück.

Expertentipp

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Das Pfandrecht (insbesondere in der Form des Werkunternehmerpfandrechts oder des Vertragspfandrechts in AGBs) ist eine typische Klausurkonstellation in sachenrechtlichen Klausuren.

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Umstritten ist dagegen, ob auch ein Anwartschaftsrecht ein dingliches Besitzrecht i.S.v. § 986 Abs. 1 S. 1, 1. Fall begründet.

Definition

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Definition: Anwartschaftsrecht

Von einem Anwartschaftsrecht spricht man dann, wenn von einem mehraktigen Erwerbstatbestand eines Rechts schon so viele Voraussetzungen erfüllt sind, dass eine gesicherte Rechtsposition des Erwerbers entsteht, die der Veräußerer nicht mehr durch einseitige Erklärung vernichten kann.

BGH in BGHZ 83, 385, 399; vgl. zum Anwartschaftsrecht auch die detaillierten Ausführungen im Skript „Sachenrecht II“. Das Anwartschaftsrecht ist ein dem Vollrecht wesensgleiches minus.

Expertentipp

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Lassen Sie sich von den Ausführungen zum Anwartschaftsrecht nicht verunsichern. Um diese Problematik vollständig verstanden zu haben, müssen Sie die entsprechenden Ausführungen im Skript „Sachenrecht II“ zum Anwartschaftsrecht durchgearbeitet haben. Zudem handelt es sich um eine sehr komplizierte und hoch umstrittene Problematik!

Rechtsprechung und Teile der Literatur lehnen ein solches Besitzrecht ab. Wenn der Eigentumserwerb durch Erstarkung des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht Eigentum unmittelbar bevorsteht (beispielsweise wenn die Zahlung der letzten Rate des Kaufpreises unmittelbar bevorsteht), soll dem Eigentumsherausgabeanspruch jedoch der dolo-agit-Einwand aus § 242 (Verbot des widersprüchlichen Verhaltens) entgegenstehen.

BGH in BGHZ 10 S. 69 ff.

Hinweis

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Bei diesem dolo-agit-Einwand handelt es sich aber eher um den Ausnahmefall, auf den Sie in der Klausur durch entsprechendes Vorbringen der Parteien im Sachverhalt hingewiesen werden.

Ein Großteil der Literatur folgert dagegen aus dem Anwartschaftsrecht ein dingliches Recht zum Besitz im Sinne von § 986.

Palandt-Herrler § 929 Rn. 41 m.w.N; OLG Karlsruhe NJW 1966, 885 f.; Schreiber Jura 1992, 356 ff. (358). Die praktische Bedeutung dieses Meinungsstreits ist nicht allzu groß: Denn in den meisten Fällen kommt es auf die Frage gar nicht an, weil sich aus dem zugrunde liegenden Schuldverhältnis – häufig ein Kauf unter Eigentumsvorbehalt – jedenfalls ein schuldrechtliches („relatives“) Recht zum Besitz ergibt.

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Relevant wird der Streit vor allem in zwei Fallgestaltungen:

1.

Dem Anwartschaftsberechtigten war die Weitergabe der Sache an den Besitzer untersagt.

2.

Das Anwartschaftsrecht wird gutgläubig von einem Nichtberechtigten erworben.

In den beiden Fällen kann sich der unmittelbare Besitzer nicht gegenüber dem Eigentümer gem. § 986 Abs. 1 S. 2 auf sein obligatorisches Besitzrecht berufen, da das zugrundeliegende Schuldverhältnis nur relativ zwischen den ursprünglichen Parteien Wirkung entfaltet. In diesen Fällen sollte man der Auffassung der Rechtsprechung folgen, da das Recht zum Besitz grundsätzlich dem Eigentümer zusteht. Wer Eigentum unter einer aufschiebenden Bedingung erwirbt, ist nun einmal noch nicht Eigentümer. Sein Eigentumserwerb ist auch nicht sicher, da er vor Zahlung der letzten Rate in Insolvenz fallen könnte.

Medicus/Petersen Bürgerliches Recht Rn. 456. Es gibt folglich keinen Grund, den Anwartschaftsberechtigten dem (Noch-)Eigentümer vorzuziehen. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird auch dadurch deutlich, dass der Eintritt der Bedingung ausweislich § 158 Abs. 1 gerade keine rückwirkende Kraft hat.BGH in BGHZ 10 S. 69 ff. (72).

Beispiel

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Autohändler A erwirbt mit Hilfe eines Darlehens der E einen Pkw. Das Fahrzeug wird der Darlehensgeberin E zur Sicherheit übereignet. A und E vereinbaren, dass A zur Veräußerung nicht befugt ist. Dennoch verkauft und übereignet A den Pkw unter Eigentumsvorbehalt und Vereinbarung von Ratenzahlung an den gutgläubigen B (d.h. A überträgt an B das Eigentum unter Vorbehalt seines – angeblichen, tatsächlich aber nicht vorhandenen – Eigentums bis zur Restzahlung durch B). Als A insolvent wird und das Darlehen nicht zurückzahlt, kündigt E den Darlehensvertrag und verlangt von B, der die Kaufpreisraten an A noch nicht vollständig gezahlt hat, gem. § 985 Herausgabe des Pkw. Zu Recht?

Nach BGHZ 10 S. 69 ff.

Der Eigentumsherausgabeanspruch gem. § 985 setzt voraus, dass E Eigentümerin und B nichtberechtigter Besitzer des Pkw ist. E ist durch die Sicherungsübereignung Eigentümerin des Fahrzeugs geworden. Das Eigentum hat sie auch nicht durch die Übereignung des Pkw von A an B verloren. Denn die Eigentumsübertragung erfolgte von A an B unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung und hat mithin bislang nicht stattgefunden. B ist also (derzeit) lediglich unmittelbarer Besitzer des Fahrzeugs. Fraglich ist, ob er ein Recht zum Besitz hat, das er dem Herausgabeverlangen der E entgegensetzen kann. Ein Recht zum Besitz ergibt sich zunächst aus dem zwischen A und B geschlossenen Kaufvertrag. Dieses rein schuldrechtliche Besitzrecht hat aber nur Wirkung gegenüber dem Vertragspartner A und keine Wirkung gegenüber E. Ein abgeleitetes Besitzrecht i.S.d. § 986 Abs. 1 S. 1, 2. Fall kommt nicht in Betracht, da A aufgrund seiner Vereinbarung mit der E seinerseits nicht zur Besitzüberlassung an B berechtigt war.

Allerdings hat B durch die bedingte Übereignung des A gutgläubig – A war weder Eigentümer noch zur (auch nicht aufschiebend bedingten) Übertragung des Eigentums befugt – ein Anwartschaftsrecht an dem Pkw gemäß §§ 929, 932, 158 Abs. 1 erworben.

Fraglich ist, ob dieses Anwartschaftsrecht dem B ein dingliches – also auch gegenüber E wirkendes – Recht zum Besitz im Sinne von § 986 Abs. 1 S. 1 gibt. Dagegen spricht jedoch, dass das Eigentum der Bank dann hinter der reinen Anwartschaft auf Eigentumserwerb zurückstehen müsste. Es ist aber nicht ersichtlich, warum der tatsächliche Eigentümer weniger schutzwürdig sein soll als der Erwerber des Anwartschaftsrechts. B ist deshalb nicht zum Besitz berechtigt und zur Herausgabe verpflichtet.

bb) Schuldrechtliches Recht zum Besitz („Relatives Besitzrecht“)

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Der Besitzer kann daneben aber auch aufgrund eines vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnisses mit dem konkreten Eigentümer zum Besitz berechtigt sein.

Beispiel

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Kaufvertrag, Mietvertrag, Pachtvertrag, Leihvertrag zwischen Eigentümer und Besitzer: Solange diese Verträge wirksam sind und die daraus folgenden Besitzeinräumungsansprüche nicht wieder durch Anfechtung, Rücktritt oder Kündigung aufgehoben wurden; Ehegatten haben untereinander ein Besitzrecht aus § 1353.

Palandt-Herrler § 986 Rn. 6.

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Kein Besitzrecht im Sinne von § 986 begründen dagegen nach herrschender Meinung Zurückbehaltungsrechte (z.B. aus §§ 273, 972, 1000; §§ 369 ff. HGB).

Palandt-Herrler § 986 Rn. 5 m.w.N.

Denn zum einen handelt es sich bei den Zurückbehaltungsrechten um Einreden, während das Recht zum Besitz im Sinne von § 986 als Einwendung zu qualifizieren ist. Ferner schließt das Besitzrecht den Herausgabeanspruch aus, während Zurückbehaltungsrechte lediglich zu einer Verurteilung Zug um Zug führen. Schließlich und vor allem jedoch müsste die Qualifizierung von Zurückbehaltungsrechten als Besitzrechte im Sinne von § 986 bei konsequenter Gesetzesanwendung zum Ausschluss der Anwendung der §§ 987 ff. führen. Nach Vornahme einer gemäß § 994 zu ersetzenden Verwendung beispielsweise wäre also wegen der Entstehung des Zurückbehaltungsrechts nach § 1000 die Anwendung der §§ 987 ff. ausgeschlossen – dabei handelt es sich offenkundig um ein widersinniges Ergebnis, da die Ansprüche auf Verwendungsersatz nach §§ 987 ff. die Voraussetzungen des § 985 (sogenannte Vindikationslage) fordern (sog. „Teufelskreisargument“).

Die vor allem von der Rechtsprechung vertretene Gegenansicht

Vgl. RGZ 136, 422 ff. (426); BGH NJW 1955, 340 ff. (341); Keller JuS 1982, 665 ff. (668); Roussos JuS 1987, 606 ff. (609)., die auch in Zurückbehaltungsrechten ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 sieht, stimmt aber mit der h.L. darin überein, dass Zurückbehaltungsrechte den Herausgabeanspruch nicht ausschließen, sondern nur nach Maßgabe einer Zug-um-Zug-Verpflichtung (§ 274) vorübergehend hemmen.Vgl. RGZ 136, 422 ff. (426); BGH NJW 1955, 340 ff. (341); Keller JuS 1982, 665 ff. (668); Roussos JuS 1987, 606 ff. (609). Diese Ansicht ist systematisch aber nicht begründbar, da § 986 allgemein als rechtshindernde Einwendung verstanden wird und den Herausgabeanspruch ausschließt, weshalb in der Klausur auch der herrschenden Literaturansicht gefolgt werden sollte.

b) Abgeleitetes Besitzrecht (§ 986 Abs. 1 S. 1, 2. Fall)

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Schuldrechtliche („relative“) Besitzrechte wirken grundsätzlich nur zwischen den Parteien des jeweiligen Schuldverhältnisses. Eigene „relative“ Besitzrechte i.S.d. § 986 Abs. 1 S. 1, 1. Fall lassen sich also nur aus einem Schuldverhältnis mit dem jeweiligen Eigentümer der Sache herleiten.

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Die Besitzlage steht jedoch auch dann nicht mit dem Inhalt des Eigentums in Widerspruch, wenn der Besitzer ein schuldrechtliches („relatives“) Besitzrecht gegenüber einem Dritten hat und dieser wiederum über ein „dingliches“ oder schuldrechtliches Besitzrecht gegenüber dem Eigentümer verfügt und zur Überlassung der Sache an den Besitzer berechtigt ist. Insgesamt rechtfertigt dann eine Kette von Besitzrechten die bestehende Besitzlage, so dass der sich aus § 903 ergebende Inhalt des Eigentums durch diese „Rechte Dritter“ i.S.d. § 903 begrenzt ist. Dieser Gedanke wird durch das abgeleitete Besitzrecht in § 986 Abs. 1 S. 1, 2. Fall zum Ausdruck gebracht.

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Beispiel

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Der typische Anwendungsfall eines von einem Dritten abgeleiteten schuldrechtlichen Besitzrechts gegenüber dem Eigentümer ist der Fall der vom Eigentümer gestatteten Untervermietung an einen Dritten. In diesem Fall steht nicht nur dem Hauptmieter ein (eigenes schuldrechtliches) Recht zum Besitz gegenüber dem Eigentümer zu, vielmehr hat auch der Untermieter ein – abgeleitetes – Recht zum Besitz gegenüber dem Eigentümer. Da dieses Besitzrecht aber vom Besitzrecht des Hauptmieters abgeleitet ist, endet es mit der Beendigung des Hauptmietvertrages.

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Seinem Wortlaut nach ist § 986 Abs. 1 S. 1, 2. Fall zwar nur dann anzuwenden, wenn zwischen dem Besitzer und dem Dritten, von dem er sein Besitzrecht ableitet, ein Besitzmittlungsverhältnis besteht. Nach ganz überwiegender Ansicht reicht es entgegen diesem Wortlaut aus, wenn der Besitzer das Besitzrecht von einem Dritten ableitet, der wiederum gegenüber dem Eigentümer sowohl zum Besitz als auch zur Besitzüberlassung berechtigt war.

Palandt-Herrler § 986 Rn. 7. Denn eine Vindikation muss immer dann ausgeschlossen sein, wenn die Besitzlage dem materiellen Recht entspricht.

Beispiel

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E verkauft und übergibt ein Grundstück an D. Dieser wiederum verkauft und übergibt das Grundstück an B. Noch bevor in beiden Fällen die Auflassung erfolgt, verlangt E von B gem. § 985 Herausgabe des Grundstücks. Zu Recht?

E hat mangels Auflassung sein Eigentum an dem Grundstück (noch) nicht verloren, B ist Besitzer desselben – insoweit liegen die Voraussetzungen des § 985 vor. Fraglich ist aber, ob B ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 hat. Er selbst hat ein Recht zum Besitz aus dem Kaufvertrag mit D. Allerdings wirken obligatorische Besitzrechte nur unter den Voraussetzungen des § 986 Abs. 2, die vorliegend nicht erfüllt sind, gegenüber Dritten. Möglicherweise kann sich B aber gem. § 986 Abs. 1, 2. Fall gegenüber dem Herausgabeverlangen des E auf das Besitzrecht des D aus dem Kaufvertrag zwischen diesem und dem E berufen. Allerdings besteht zwischen D und B kein Besitzmittlungsverhältnis, so dass § 986 Abs. 1, 2. Fall seinem Wortlaut nach ebenfalls nicht erfüllt ist. Der Anwendungsbereich dieser Norm könnte aber seinem Sinn und Zweck nach zu erweitern sein: D hatte ein Recht zum Besitz gegenüber E aus dem Kaufvertrag. Er sollte Eigentümer des Grundstücks werden, mithin auch zur Weitergabe befugt sein. Die genannten Voraussetzungen für die Anwendung des § 986 Abs. 1, 2. Fall liegen also vor. Nach alledem kann sich B hier gegenüber dem Herausgabeverlangen des E auf das Besitzrecht des D berufen. E hat keinen Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks gem. § 985.

c) Drittwirkung obligatorischer Besitzrechte, § 986 Abs. 2

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Expertentipp

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Merken Sie sich vorab die Wertung des § 986 Abs. 2: Dieser will den Besitzer vor Nachteilen bewahren, die sich dadurch ergeben, dass eine Sache ohne seine Beteiligung – quasi über seinen Kopf hinweg – veräußert wird.

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass schuldrechtliche Besitzrechte nur gegenüber dem anderen Teil des Schuldverhältnisses wirken, macht § 986 Abs. 2: Dieser bestimmt, dass der Besitzer einer beweglichen Sache demjenigen, der nach §§ 929, 931 Eigentum an der Sache erwirbt, die gegenüber dem bisherigen Eigentümer begründeten obligatorischen Besitzrechte entgegenhalten kann.

Hinweis

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§ 986 Abs. 2 gilt nur für bewegliche Sachen, weil Immobilien nicht gem. § 931 erworben werden können! Zu einer Drittwirkung eines obligatorischen Besitzrechtes aus Mietvertrag führt in diesem Fall dann aber der Eintritt des Eigentümers in das Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis nach § 566.

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Die Vorschrift ergänzt die Regelung des § 404. Der Besitzer soll so gestellt werden, wie er bei isolierter Abtretung des Anspruchs aus § 985 stünde (was ja – wie oben ausgeführt – aufgrund der untrennbaren Verknüpfung mit dem Eigentum nicht möglich ist). Dann könnte er dem neuen Eigentümer sein Besitzrecht nach § 404 entgegenhalten.

Palandt-Herrler § 986 Rn. 5.

Beispiel

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V vermietet dem B eine seiner Maschinen. Nach Überlassung überträgt er dem E das Eigentum an der Maschine gem. §§ 929, 931, indem er sich mit ihm über den Eigentumsübergang einigt und – als Ersatz für die Übergabe – den Herausgabeanspruch gegen B aus dem Mietvertrag (§ 546 Abs. 1) an den E abtritt.

Einem Herausgabeverlangen des E aus §§ 546 Abs. 1, 398 kann B in diesem Fall über § 404 entgegenhalten, dass das Mietverhältnis noch gar nicht beendet wurde.

Einem Herausgabeanspruch des neuen Eigentümers E aus § 985 steht nach § 986 Abs. 2 entgegen, dass B aufgrund des mit V geschlossenen, noch nicht beendeten Mietvertrages noch zum Besitz berechtigt ist.

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§ 986 Abs. 2 ist nach allgemeiner Ansicht analog anzuwenden, wenn der nicht unmittelbar besitzende Eigentümer sein Eigentum gemäß § 930veräußert.

BGH NJW 1990, 1914; Palandt-Herrler § 986 Rn. 9. § 986 Abs. 2 gewährt dem unmittelbaren Besitzer also in analoger Anwendung das Einrederecht aus § 986 Abs. 2, wenn der mittelbare Besitzer das Eigentum an der Sache durch Besitzkonstitut übertragen hat.

Beispiel

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Die Autovermietung A überträgt das Eigentum an dem ihr gehörenden PKW BMW 5, den zur Zeit der Mieter M gemietet und demgemäß in unmittelbaren Besitz hat, zur Sicherung von Darlehen nach §§ 929, 930 an die Bank B. M kann hier sein Besitzrecht aus dem Mietvertrag mit der A analog § 986 Abs. 2 auch der B entgegensetzen.

Hinweis

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Hier greift dann wiederum dieselbe Wertung ein, dass der unmittelbare Besitzer geschützt werden soll, wenn das Eigentum an der Sache über „seinen Kopf hinweg“ veräußert wird.

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