Sachenrecht 1 - Herausgabeanspruch - Anspruchsentstehung - (Aktueller) Besitz des Anspruchsgegners

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Sachenrecht 1

Herausgabeanspruch - Anspruchsentstehung - (Aktueller) Besitz des Anspruchsgegners

2. (Aktueller) Besitz des Anspruchsgegners

a) Grundregel

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Der Anspruchsgegner muss aktueller Besitzer sein. Welcher Art der Besitz des Anspruchsgegners ist, ob er also unmittelbarer oder mittelbarer, alleiniger Besitzer oder Mitbesitzer, Fremd- oder Eigenbesitzer (§ 872) ist, ist dabei unerheblich.

Palandt-Herrler § 985 Rn. 5. Die Art seines Besitzes wirkt sich erst bei der Frage nach dem Anspruchsinhalt aus (dazu sogleich).

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Nach § 857 geht der Besitz eines Verstorbenen mit dem Tode des Erblassers, auch ohne tatsächliche Besitzergreifung, auf den Erben über. In diesem Falle ist der Erbe als fingierter Besitzer Gegner des Herausgabeanspruchs aus § 985.

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Nach § 855 ist der Besitzdiener, der die tatsächliche Gewalt über eine Sache aufgrund eines sozialen Abhängigkeitsverhältnisses ausübt, zwar Gewahrsamsinhaber, aber nicht Besitzer. Dies ist vielmehr (fiktiv) sein Geschäftsherr, gegen den der Herausgabeanspruch aus § 985 zu richten wäre.

Beispiel

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E ist Eigentümer eines Pferdes, das er bei dem Bauern B untergestellt hat. Nach Ablauf der vereinbarten Verwahrungszeit weigert sich B zu Unrecht, das Pferd an E herauszugeben. Die tatsächliche Gewalt über das Pferd wird ausschließlich durch den Stallknecht S ausgeübt. Dennoch ist S als Besitzdiener nicht Besitzer, sondern nach § 855 allein der B. Ein Herausgabeanspruch des E aus § 985 wäre ausschließlich gegen B zu richten.

Hinweis

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Der Besitzdiener (klassisches Beispiel des Angestellten) ist nur der verlängerte Arm des Weisungsberechtigten (beispielsweise Arbeitgeber), der die Sache für den Arbeitgeber tatsächlich in der Hand hält. Deshalb rechnet § 855 auch den unmittelbaren Besitz alleine dem Weisungsberechtigten zu.

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Bei Besitzverlust geht auch der Anspruch aus § 985 unter bzw. entsteht nunmehr gegenüber dem neuen Besitzer. Das gilt selbst dann, wenn der ehemalige Besitzer die Sache unproblematisch zurückbekommen könnte. Der Grund hierfür ist, dass § 985 keinen Besitzverschaffungsanspruch begründet, sondern nur zur Auskehrung einer tatsächlich vorhandenen Besitzposition verpflichtet.

Palandt-Herrler a.a.O.

b) Besonderheiten im Prozess

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Expertentipp

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Wiederum gilt, sich von diesem anspruchsvollen Problem nicht verschrecken zu lassen, sondern die nachfolgenden Ausführungen in Ruhe durchzuarbeiten.

Wie bei der Aktivseite sind auch bei der Passivseite Besonderheiten zu beachten, wenn eine Klage des Eigentümers aus § 985 nach §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO rechtshängig geworden ist.

Gibt der verklagte Besitzer die Sache an einen Dritten weiter, hat dies nach §§ 265 Abs. 2 ZPO auf den Prozess keinen Einfluss. Die Besitzlage zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit wird sozusagen „eingefroren“ und dem Urteil bei der Bewertung der Klage zugrunde gelegt.

Beispiel

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Abwandlung des vorherigen Falles:

E verklagt den B auf nach § 985 auf Herausgabe des Besitzes eines ihm gehörenden Grundstücks mit Gebäuden (= Räumung und Besitzverschaffung), das B unberechtigterweise in Besitz genommen hat. B hält sich selber für den Eigentümer. Im Grundbuch ist B als Eigentümer eingetragen, dagegen hat E einen Widerspruch in das Grundbuch eintragen lassen (§ 899).

Nach Zustellung der Klageschrift bei B, veräußert B das Grundstück an den X und übergibt ihm den Besitz am Grundstück nebst Räumen. Die Klage wäre nun eigentlich bereits wegen fehlenden Besitzes des verklagten B unbegründet geworden und müsste abgewiesen werden. § 265 Abs. 2 ZPO erklärt diesen Besitzverlust aber im Hinblick auf das Verfahren für unerheblich. Gewinnt E den Prozess gegen B als „fiktiven“ Besitzer, kann er den X als Besitznachfolger und damit neuen Schuldner gem. § 727 ZPO auf dem Urteil vermerken und das Urteil gegen diesen gemäß § 885 ZPO vollstrecken lassen.

Aber:

Wäre im Grundbuch kein Widerspruch gegen die Buchberechtigung des B vermerkt worden und hätte der ansonsten gutgläubige X das Eigentum am Grundstück deswegen von B erworben (§ 892), wäre die Herausgabeklage des E auch wegen Eigentumsverlustes unbegründet geworden. § 265 Abs. 2 ZPO gilt jetzt nicht, da sich Eigentum und Besitz in einer Person (X) vereinigen und gar keine Vindikationslage mehr besteht. E muss seine Klage gegen B jetzt vielmehr gem. § 264 Nr. 3 ZPO ändern und auf Erfüllung denkbarer Sekundäransprüche (z.B. aus § 816 Abs. 1 oder § 989) richten. Tut er dies nicht, wird die unverändert auf § 985 gestützte Herausgabeklage wegen jetzt fehlenden Eigentums des E abgewiesen.

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