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Juristische Methodenlehre - Was sind Rechtsquellen? Überblick und Arten

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Juristische Methodenlehre

Was sind Rechtsquellen? Überblick und Arten

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A. Rechtsquellen

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Maßstab für die Beantwortung juristischer Fragestellungen ist „weder Brauch noch Sitte, Moral, Religion oder Politik, sondern allein – das Recht“ (vgl. auch § 313 Abs. 3 ZPO, § 267 Abs. 3 S. 1 StPO, § 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG).

Vogel, Methodik, S. 36 (Hervorhebung d. d. Verf.). Allein aus Tatsachen können sich ohne eine Rechtsnorm, die an diese anknüpft, keine Rechtsfolgen ergeben, siehe Schmalz, Methodenlehre, Rn. 9, 11.

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Definition

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Definition: Recht

Recht ist […] die Summe aller geltenden Rechtsnormen“

Schmalz, Methodenlehre, Rn. 41. Dort (Rn. 63 ff.) auch zum Merkmal „Geltung“, das dann zu bejahen ist, wenn „bestimmte Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt werden (z.B. Inkrafttreten) und keine […] Unwirksamkeitsgründe [Rn. 50 ff.] vorliegen.“ Zu den Voraussetzung für die Existenz (i.S.v. Entstehung) einer Rechtsnorm als „Vorfrage“ ihrer Geltung siehe Muthorst, Grundlagen, § 5 Rn. 54. Nachweise zu weiteren Versuchen einer Definition des Begriffs „Recht“ bei Adomeit/Hähnchen, Rechtstheorie, Rn. 5; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Auflage 2008, S. 17 m.w.N., die Normen als „Elementarteilchen des Rechts“ bezeichnen (S. 189)., das sog. objektive Recht.Muthorst, Grundlagen, § 2 Rn. 2.

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Normen bestehen aus sprachlichen Sätzen, die zur Steuerung menschlichen Verhaltens allgemein (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG), d.h. für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen (abstrakt) und Personen (generell), ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen gebieten, verbieten bzw. erlauben (z.B. „Du sollst nicht stehlen“, sog. „Sollens-Sätze“ im Gegensatz zu sog. „Seins-Sätzen“, die etwas real Vorhandenes beschreiben, z.B. „A hat B einen Geldschein weggenommen“).

Vgl. Adomeit/Hähnchen, Rechtstheorie, Rn. 19, 26 f.; Muthorst, Grundlagen, § 2 Rn. 3, § 5 Rn. 1, 9; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Auflage 2008, S. 190; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 92, 94 f., 103 f.; 113, 124, 219; Schwacke, Methodik, S. 3 f.; Zippelius, Methodenlehre, S. 2 unter Hinweis auf Kant. Mitunter werden Sollens-Sätze („Du sollst nicht morden“) im Gesetz nicht immer als solche formuliert (z.B. § 211 Abs. 1 StGB: „Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft“), siehe Rn. 85 und Adomeit/Hähnchen, Rechtstheorie, Rn. 19; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 47, 112 a.E.

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Hinweis

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Wer „ein Sollen mit einem Sein begründet“, begeht einen naturalistischen Fehlschluss. „Denn daraus, dass etwas so ist, wies es ist, folgt nicht, dass es so sein soll, wie es ist.“

Muthorst, Grundlagen, § 7 Rn. 75.

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Im Unterschied zu sittlichen (moralischen; z.B. finanzielle Unterstützung notleidender Geschwister untereinander

Rechtlich besteht insoweit keine Unterhaltspflicht, siehe Rn. 254 und Schwacke, Methodik, S. 6.), gesellschaftlichen (sozialen; z.B. Erwiderung eines Grußes) und technischen (z.B. DIN-)Normen zeichnen sich Rechtsnormen („Rechtssätze“Bei diesen handelt es sich um den sprachlichen Ausdruck einer Rechtsnorm, siehe Vogel, Methodik, S. 68. Die Begriffe „Rechtssatz, Rechtsvorschrift, Rechtsnorm, Gesetzesbestimmung bzw. -vorschrift und (gesetzliche) Norm“ werden synonym verwendet, siehe Schwacke, Methodik, S. 3.) dadurch aus, dass sie staatlich garantiert sind, d.h. vom Gesetzgeber erlassen wurden bzw. von den Gerichten angewendet werden („Gerichtsfähigkeit“Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Auflage 2008, S. 204 unter Hinweis auf Kantorowitz, Der Begriff des Rechts, 1963.).Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, 5. Auflage 2011, Rn. 6 ff.; Muthorst, Grundlagen, § 5 Rn. 18 ff. mit dem Hinweis, dass das Recht (z.B. §§ 185, 223 Abs. 1 StGB) die Sanktionen bei Verstößen gegen außerrechtliche Normen begrenzt; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 53; Schwacke, Methodik, S. 5 f. Dort (S. 126) auch zum „rechtsfreien Raum“ (Rn. 245). Sie gelten zwischen den von ihnen jeweils Betroffenen unabhängig davon, ob diese das wollen oder nicht.Muthorst, Grundlagen, § 2 Rn. 4: „intersubjektive Verbindlichkeit“. Dort (§ 13 Rn. 95 ff.) und bei Tettinger/Mann, Einführung, Rn. 194 auch zur Unterscheidung zwischen zwingendem Recht (ius cogens; z.B. § 276 Abs. 3 BGB) und abdingbaren Normen (ius dispositivum; z.B. § 246 BGB). Ihre Einhaltung kann vom Staat erzwungen (vollstreckt) werden bzw. drohen im Fall eines Verstoßes gegen sie staatliche Sanktionsmaßnahmen (z.B. Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz im Gegensatz zu gesellschaftlichen Sanktionen wie etwa Isolation).Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 403; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 54, mit dem weiteren Hinweis, dass die Bürger grundsätzlich nicht die Befugnis haben, ihre Rechte gegenüber anderen eigenmächtig durchzusetzen, da das Gewaltmonopol beim Staat liegt (Ausnahmen z.B. § 227 BGB, § 32 StGB); Schwacke, Methodik, S. 5; Zippelius, Methodenlehre, S. 6.

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Räumt eine Rechtsnorm dem Einzelnen eine Befugnis gegenüber einem anderen Bürger (z.B. § 433 Abs. 2 BGB) oder dem Staat (z.B. Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. Art. 1 Abs. 3 GG) ein, so handelt es sich um ein subjektives Recht, das entweder (absolut) gegenüber jedermann (erga omnes; z.B. Eigentum) oder aber nur (relativ) gegenüber einer bestimmten anderen Person (inter partes; z.B. vertraglicher Anspruch) besteht. Nicht jedem objektiven Recht (z.B. § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB: „Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen“) muss ein subjektives entsprechen (z.B. § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB: „Auf die Aufstellung von Bauleitplänen […] besteht kein Anspruch“).

Zum Ganzen siehe Muthorst, Grundlagen, § 2 Rn. 2, § 13 Rn. 51; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 7; Schwacke, Methodik, S. 9. Siehe auch Rn. 79 zu Obliegenheiten.

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Im vorstehenden Sinn verbindlich sind in dem durch das Grundgesetz verfassten Rechtsstaat primär „Gesetze“, d.h. das in diesen niedergeschriebene (sog. „positive“) Recht, siehe Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG.

Vgl. Muthorst, Grundlagen, § 2 Rn. 16; Schwacke, Methodik, S. 10. Der daneben in Art. 20 Abs. 3 GG noch enthaltene Hinweis auf das „Recht“ sei nach teilweise vertretener Auffassung tautologischer Natur,Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 12. Auflage 2012, Art. 20 Rn. 38 m.w.N. wohingegen nach a.A. hierdurch das überpositive (Natur-)Recht erfasst werde.Siehe die Nachweise bei Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: 51. EGL 2007, Art. 20 Rn. 63 und vgl. auch BVerfGE 34, 269 (286 f.) sowie Rn. 238. Relativiert wird dieser Streit dadurch, dass „der Gesetzgeber des Grundgesetzes in seine Grundentscheidung Normen einbezogen und damit im Grundgesetz positiviert hat, die vielfach als übergesetzlich bezeichnet werden (etwa in Art. 1, aber auch in Art. 20 GG).“BVerfGE 3, 225 (233). Zur außerhalb des Bereichs fundamentaler Rechtsgrundsätze bestehenden Problematik der „Vielfalt der Naturrechtslehren“ siehe BVerfGE 10, 59 (81). Vgl. auch Rn. 225 zur Gesetzeskorrektur.

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Nicht selten haben Gesetze ihren Ursprung in einer außerrechtlichen Norm (z.B. lautet eines der Zehn Gebote: „Du sollst nicht töten“; vgl. § 212 Abs. 1 StGB) bzw. erklären eine solche auch für rechtlich verbindlich (z.B. § 138 Abs. 1 BGB: „gute Sitten“).

Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, 5. Auflage 2011, Rn. 6, 16. Zwingend ist dies allerdings nicht, wie diejenigen Rechtsnormen belegen, die keinerlei Bezug zu einer sittlichen, gesellschaftlichen oder technischen Norm aufweisen (so z.B. § 8 Abs. 1 S. 1 StVO: „An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt“).Vgl. Muthorst, Grundlagen, § 5 Rn. 24 f. mit dem Ehebruch als Beispiel für ein „nur“ sitten-, nicht aber auch rechtswidriges Verhalten; Zippelius, Methodenlehre, S. 8 f. Infolge dessen kann es schließlich auch Gesetze geben, die – gemessen an außerrechtlichen Wertmaßstäben – als ungerecht empfunden werden.Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, 5. Auflage 2011, Rn. 16. Zur Frage, was im konkreten Fall „gerecht“ (vgl. Art. 1 Abs. 2 GG, § 38 Abs. 1 DRiG) ist, siehe das plastische „Ziegen“-Beispiel bei Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 345 und generell Schwacke, Methodik, S. 7 („Kern der Gerechtigkeit ist der Gedanke der Gleichheit“, Art. 3 Abs. 1 GG); Zippelius, Methodenlehre, S. 12 ff., 19, 42. Solange derartige Gesetze vom hierfür zuständigen Organ jedoch nicht geändert bzw. aufgehoben werden, bleiben sie grundsätzlich rechtsverbindlich.Vgl. Muthorst, Grundlagen, § 8 Rn. 48; Schwacke, Methodik, S. 5 f., dort (S. 3) auch zum faktischen Bedürfnis des Rechts nach Akzeptanz durch die ihm Unterworfenen (Rn. 225). Insoweit vgl. auch Adomeit/Hähnchen, Rechtstheorie, Rn. 8; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 339 (zum sog. „fringsen“) und Schmalz, Methodenlehre, Rn. 54 m.w.N. Zu Öffnungen des positiven Rechts (Grundrechte, zivilrechtliche Generalklauseln) für Gerechtigkeitsgedanken vgl. Rn. 236 und siehe Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, 5. Auflage 2011, Rn. 454 ff. Siehe auch Rn. 225. Eine hiervon abweichende Entscheidung aufgrund von Überlegungen der „Billigkeit“ wäre mit der Bindung der Rechtsprechung an „Gesetz und Recht“ (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht zu vereinbaren.Schmalz, Methodenlehre, Rn. 308. Dort (Rn. 451 f.) auch zum „zivilen Ungehorsam“. Siehe auch Rn. 134, 225, 229, 243 ff. Abweichendes gilt nur ganz ausnahmsweise dann, wenn „der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht hat, dass das Gesetz als ,unrichtiges Recht‘ der Gerechtigkeit zu weichen hat.“Radbruch, Rechtsphilosophie, 8. Auflage 1973, S. 345. Zur Rechtsfortbildung siehe Rn. 228 ff. Diese sog. Radbruchʼsche Formel wurde vom Bundesverfassungsgericht in Bezug auf bestimmte Vorschriften des NS- und des DDR-Rechts angewandt.BVerfGE 95, 96 (134 f.) m.w.N. Vgl. auch Vogel, Methodik, S. 44: „Extremfälle“.

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Definition

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Definition: Gesetze

Gesetze i.S.v. Art. 20 Abs. 3 GG sind

zum einen solche im formellen Sinn, d.h. Hoheitsakte, die von einem Parlament (z.B. Bundestag) in dem hierfür durch die jeweilige Verfassung vorgesehenen Verfahren (auf Bundesebene: Art. 76 ff. GG) als Gesetz erlassen werden;

Eine ausdrückliche Bezeichnung alsGesetz“ (so z.B. Verwaltungsverfahrens„gesetz“, VwVfG) ist für die Qualifizierung als Gesetz im formellen bzw. förmlichen (so Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG) Sinn nicht erforderlich (vgl. z.B. Verwaltungsgerichts„ordnung“, VwGO), siehe Beaucamp/Treder, Methoden, Rn. 345; Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 10 a.E.; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 42.

zum anderen solche im materiellen Sinn, d.h. Regelungen, die ein Träger hoheitlicher Gewalt für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen (abstrakt) und Personen (generell) erlassen hat und die Rechte oder Pflichten für den Bürger oder sonstige Rechtspersonen

Zu diesen zählt auch der Staat, vgl. etwa Art. 1 Abs. 3 GG und siehe Schwacke, Methodik, S. 4. Vgl. auch Vogel, Methodik, S. 39: „Rechtsverhältnisse unter Bürgern (Privatrecht), zwischen Bürger und Staat (öffentliches Recht als Außenrecht) oder innerhalb des Staates (öffentliches Recht als Innenrecht)“. begründen, ändern oder aufheben.Zum Ganzen siehe im Skript „Allgemeines Verwaltungsrecht“, Rn. 9 m.w.N. Vgl. auch Art. 2 EGBGB: „Gesetz […] ist jede Rechtsnorm“.

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Hinweis

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Die maßgeblich an den jeweiligen Urheber (Parlament oder Exekutivorgan) anknüpfende Unterscheidung zwischen Gesetzen einerseits im formellen und andererseits im materiellen Sinn ist nicht zu verwechseln mit der Differenzierung zwischen dem Prozessrecht (z.B. StPO, VwGO, ZPO) und dem sachlichen Recht, innerhalb dessen sich weiter zwischen dem sog. formellen Recht (= Vorschriften über die Zuständigkeit, das Verfahren und die Form von Rechtsakten wie z.B. Gesetzen) und dem sog. materiellen Recht (= Vorschriften, welche die Entstehung, die Veränderung und den Untergang von Rechten und Pflichten regeln) unterscheiden lässt.

Beaucamp/Treder, Methoden, Rn. 343; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 92 ff.; Schwacke, Methodenlehre, S. 10. Das Prozessrecht wird ebenfalls zum formellen Recht gezählt und anstelle von „materiellem Recht“ auch der Begriff „Sachrecht“, das nicht mit dem „Sachenrecht“ i.S.d. BGB zu verwechseln ist, verwendet, siehe Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 54 ff.

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Die meisten Gesetze im formellen Sinn (z.B. BGB, StGB, VwVfG) sind zugleich auch solche im materiellen Sinn (vgl. z.B. § 433 Abs. 1 BGB, § 242 Abs. 1 StGB, § 28 Abs. 1 VwVfG).

Siehe im Skript „Allgemeines Verwaltungsrecht“, Rn. 9 m.w.N. Demgegenüber handelt es sich etwa bei Haushaltsgesetzen, durch welche der jeweilige Haushaltsplan festgestellt wird (siehe z.B. Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG), lediglich im formellen Sinn um Gesetze, nicht aber auch im materiellen Sinn.Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, 5. Auflage 2011, Rn. 23. Denn durch den Haushaltsplan wird gem. § 3 BHO allein die Verwaltung vom Gesetzgeber ermächtigt, Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen; Ansprüche oder Verbindlichkeiten werden hierdurch hingegen weder begründet noch aufgehoben. Umgekehrt sind RechtsverordnungenDiese sind nicht zu verwechseln mit (EU-)Verordnungen i.S.v. Art. 288 Abs. 2 AEUV (Rn. 17), siehe Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 28. (vgl. Art. 80 GG, z.B. Straßenverkehrsordnung, StVO; Rn. 40 f.) und Satzungen (z.B. Bebauungsplan, siehe § 10 Abs. 1 BauGB; Rn. 42 f.), die jeweils nicht von einem Parlament, sondern von der Exekutive erlassen werden, Gesetze im nur materiellen Sinn.Maurer, Staatsrecht I, 6. Auflage 2010, § 17 Rn. 11; Schwacke, Methodik, S. 11 f. Weder im formellen noch im materiellen Sinn als Gesetze i.S.v. Art. 20 Abs. 3 GG zu qualifizieren sind Verwaltungsvorschriften (z.B. Einkommensteuerrichtlinien, vgl. Art. 108 Abs. 7 GG; allgemein siehe Art. 84 Abs. 2, Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG), „durch die eine vorgesetzte Behörde verwaltungsintern auf ein einheitliches Verfahren oder eine bestimmte Ermessensausübung, aber auch auf eine bestimmte Gesetzesauslegung und -anwendung durch die ihr nachgeordneten Behörden hinwirkt.“BVerfGE 78, 214 (227) m.w.N. (Hervorhebung d.d. Verf.). Diese entfalten i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG i.d.R. nur mittelbar Wirkung gegenüber dem Bürger, siehe im Skript „Allgemeines Verwaltungsrecht“, Rn. 234. Dort (Rn. 238, 240 m.w.N.) auch zum Ausnahmefall der sog. „normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften“, denen unmittelbare Außenwirkung gegenüber Bürgern und Gerichten zukommt sowie der Hinweis, dass Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung von EU-Richtlinien (Art. 288 Abs. 3 AEUV) nicht ausreichen. Nur unter diesen Einschränkungen können Verwaltungsvorschriften als „Rechtsnormen“ qualifiziert werden, vgl. Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 14 a.E.; Schwacke, Methodik, S. 12 m.w.N.

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Zusätzlich zu den vorgenannten Gesetzen auf nationaler Ebene existieren noch folgende weitere Rechtsquellen:

Vgl. Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 2. Zum Folgenden siehe Beaucamp/Treder, Methoden, Rn. 330 ff. m.w.N.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 220 ff.; Schwacke, Methodik, S. 11 ff., dort auch näher zum BegriffRechtsquelle“; Vogel, Methodik, S. 43.

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Völkerrecht

Quellen des Völkerrechts (ius gentium), das die Rechtsbeziehungen zwischen souveränen Staaten und sonstigen Völkerrechtssubjekten regelt,

Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 20. sind nach Art. 38 Abs. 1 lit. a) – c) des Statuts des Internationalen Gerichtshofs (IGH) „internationale Übereinkünfte“, das „internationale Gewohnheitsrecht“ sowie „die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze“. Als „Hilfsmittel“ zur Feststellung dieser Völkerrechtsnormen, d.h. als bloße „Rechtserkenntnisquellen“Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 23. , dienen nach Art. 38 Abs. 1 lit. d) des IGH-Statuts „richterliche Entscheidungen und die Lehrmeinung der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen“. Unmittelbare Geltung innerhalb der deutschen Rechtsordnung entfalten nach Art. 25 GG allerdings nur die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“, d.h. das Völkergewohnheitsrecht (z.B. Staatenimmunität, vgl. § 20 GVG) und die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts (z.B. Prinzip von Treu und Glauben), nicht dagegen völkerrechtliche Verträge (z.B. Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, sog. DBA).BVerfGE 16, 27 (63); 46, 342 (364 ff.); 117, 141 (149); 118, 124 (134) m.w.N. Zur Wirksamkeit im Verhältnis Staat-Bürger bedürfen Letztere vielmehr eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes (sog. Transformationsgesetz), vgl. Art. 59 Abs. 2 GG;Wienbracke, DVP 2013, S. 59 m.w.N., u.a. zur Theorie vom dualistischen Verhältnis des Völkerrechts zum nationalen Recht.

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EU-Recht

Rechtsquellen des europäischen Unionsrechts sind zum einen das sog. EU-Primärrecht, d.h. der EUV und der AEUV (inkl. Protokolle und Anhänge, siehe Art. 51 EUV), die EU-Grundrechtecharta (vgl. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 EUV) und die „allgemeinen Rechtsgrundsätze[…], die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind“, Art. 340 Abs. 2 AEUV. Zum anderen sind nach Art. 288 AEUV die von den EU-Organen erlassenen Verordnungen

Diese sind nicht zu verwechseln mit (nationalen) Rechtsverordnungen (etwa gem. Art. 80 GG; Rn. 14), siehe Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 28. (engl.: regulations), Richtlinien (engl.: directives) und Beschlüsse (vormals: Entscheidungen), das sog. EU-SekundärrechtZum hierauf beruhenden sog. EU-Tertiärrecht siehe Art. 290 f. AEUV betreffend delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte., rechtlich verbindlich – ebenso wie ferner noch die von der EU abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge, vgl. Art. 216 Abs. 2 AEUV. Allerdings sind nicht alle dieser europarechtlichen Vorschriften auch im Einzelfall unmittelbar anwendbar (so z.B. müssen Richtlinien – im Gegensatz etwa zu den nach Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV unmittelbar verbindlichen Verordnungen – erst noch von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden, vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUVZur ausnahmsweise unmittelbaren Wirkung von EU-Richtlinien siehe Streinz, Europarecht, 9. Auflage 2012, Rn. 484 ff. m.w.N.);

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Gewohnheitsrecht

Neben dem gesetzlich positivierten Recht zählt auch das (ungeschriebene) Gewohnheitsrecht zu den anerkannten Rechtsquellen (z.B. die Regeln betreffend das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, vgl. § 346 HGB und allgemein § 293 ZPO).

Vgl. BVerfGE 74, 241 (248); Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 18 und Rn. 16 zum Völkerrecht. Historisch betrachtet ist Recht zunächst als Gewohnheitsrecht entstanden, siehe Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, 5. Auflage 2011, Rn. 28; Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 19. „Gewohnheitsrecht entsteht durch längereInsoweit werden Zeiträume von 20 bis 30 Jahren genannt, siehe Schmalz, Methodenlehre, Rn. 44. tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist [sog. longa consuetudo] und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird [sog. opinio iuris].“BVerfGE 34, 293 (303 f.). Ebenso BVerfGE 61, 149 (203). Örtliches Gewohnheitsrecht wird als Observanz bezeichnet, siehe Beaucamp/Treder, Methoden, Rn. 358 m.w.N. BestraftZur Erstreckung von Art. 103 Abs. 2 GG auch auf Ordnungswidrigkeiten und Disziplinarstrafen siehe Rn. 240. Zugunsten des Täters sind gewohnheitsrechtliche Rechtssätze freilich durchaus zu berücksichtigen, siehe Rn. 242 und Wank, Auslegung, S. 10. werden kann eine Tat nach § 1 StGB, Art. 103 Abs. 2 GG freilich nur auf Grundlage eines Gesetzes, d.h. einer geschriebenen Rechtsnorm. Doch auch im Übrigen ist die Bedeutung des Gewohnheitsrechts im deutschen Recht heute praktisch sehr gering.Beaucamp/Treder, Methoden, Rn. 356, 362, 372 m.w.N. unter Hinweis auf die enge Beziehung zum Richterrecht (Rn. 20); Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 177; Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 18. Zunächst entstandenes Gewohnheitsrecht (z.B. Züchtigungsrecht des Schullehrers) tritt später wieder außer Kraft, wenn zumindest eine der beiden vorgenannten Voraussetzungen wegfällt oder aber entgegenstehendes Gewohnheits- oder Gesetzesrecht sich bildet bzw. erlassen wird (z.B. Art. 86 Abs. 3 S. 2 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen: „Körperliche Züchtigung ist nicht zulässig“).Vogel, Methodik, S. 39.

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Mangels Allgemeinverbindlichkeit jeweils nicht um eine Rechtsquelle (im engen juristischen Sinn

Demgegenüber zählen nach dem weiten soziologischen Rechtsquellenbegriff „alle Einflussfaktoren, die das objektive Recht maßgeblich prägen“, zu den Rechtsquellen, also gerade auch die ständige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, das „Juristenrecht“ sowie ferner die „Volksanschauung“, siehe Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 217.) handelt es sich dagegen bei den folgenden Einzelfallregelungen:Hierzu sowie zum gesamten Folgenden siehe Beaucamp/Treder, Methoden, Rn. 324; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 50 mit dem Hinweis in Rn. 10, dass sich freilich auch aus Urteilen, Verwaltungsakten und Verträgen Rechtsfolgen ergeben (vgl. auch Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 3, 15 f., der insoweit von Rechtssätzen – im Gegensatz zu Realakten – spricht); Schwacke, Methodik, S. 4 f., 11, 13. A.A. Vogel, Methodik, S. 41 f., der ebenfalls diese „konkret-individuelle[n] Einzelakte“ als Rechtsquellen begreift.

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Gerichtsentscheidungen (Urteile).

BVerfGE 84, 212 (227); 122, 248 (277). Zur engen Beziehung des „Richterrechts“ zum Gewohnheitsrecht (Rn. 18) siehe Beaucamp/Treder, Methoden, Rn. 362. Denn der Richter „erzeugt kein Recht, sondern [er] wendet Recht an“,Schmalz, Methodenlehre, Rn. 56. vgl. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG (Gewaltenteilungsgrundsatz) und Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG (Gesetzesbindung). Abweichendes gilt nach § 31 Abs. 2 S. 1, 2 BVerfGG nur für die dort genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die Gesetzeskraft haben, sowie im Umfang des § 47 Abs. 5 S. 2 VwGO für Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe (§ 184 VwGO; Rn. 54 f.). Zur richterlichen Rechtsfortbildung im Bereich planwidriger Gesetzeslücken namentlich mittels Analogie („Richterrecht“Beaucamp/Treder, Methoden, Rn. 246, 370 ff.; Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 17; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 235 ff., jeweils m.w.N. auch zur Gegenmeinung. Grundlegend anders dagegen das in England entstandene und heute zudem v.a. in den USA geltende Common Law, in dem Gerichtsentscheidungen als Rechtsquellen (sog. case law, d.h. Fallrecht) große Bedeutung haben, siehe Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, 5. Auflage 2011, Rn. 27.) siehe Rn. 228 ff. sowie zu weiteren Funktionen der Rechtsprechung in methodischer Hinsicht Rn. 124;

Hinweis

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Höchstrichterlichen Entscheidungen (des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts etc.) kommt freilich auch im deutschen Recht nicht nur tatsächlich ein hoher Stellenwert zu (Rn. 135 a.E.), sondern entfalten diese im Verhältnis zu untergeordneten Gerichten (z.B. § 121 Abs. 2 GVG, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), Staatsanwälten (vgl. § 152 Abs. 2 StPO; str.) und Rechtsanwälten (vgl. § 276 Abs. 2 BGB) ebenfalls rechtlich (mittelbar) eine Bindungswirkung.

Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, 5. Auflage 2011, Rn. 26; Vogel, Methodik, S. 84 ff., 88 ff., 99, 160 ff. m.w.N. (näher zu Präjudizien); Zippelius, Methodenlehre, S. 65 f. Zur Bindung von Behörden an höchstrichterliche Entscheidungen siehe BVerwGE 13, 28 (31). Vgl. ferner § 2 Abs. 1 RsprEinhG und § 11 Abs. 2 FGO, § 132 Abs. 2 GVG, § 41 Abs. 2 SGG, § 11 Abs. 2 VwGO betreffend die Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) bzw. des jeweiligen Großen Senats, „wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats“ bzw. „ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will“.

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Verwaltungsentscheidungen (Verwaltungsakte, vgl. § 35 S. 1 VwVfG) und

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Verträge.

Tarifverträge“ sind nur bei entsprechender Erklärung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales „allgemeinverbindlich“, siehe § 5 Abs. 1 TVG. Im Übrigen gelten sie im Umfang des § 4 Abs. 1 TVG. Zu Betriebsvereinbarungen siehe § 77 Abs. 4 BetrVG.

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Ebenfalls keine Rechtsquellen sind aufgrund fehlender Rechtsverbindlichkeit die im rechtswissenschaftlichen Schrifttum vertretenen Lehrmeinungen, das sog. „Juristenrecht“.

Beaucamp/Treder, Methoden, Rn. 325 m.w.N. Dort (Rn. 326) und in Rn. 10 auch zum Naturrecht. Zu Verwaltungsvorschriften siehe Rn. 14 a.E.

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