Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen

Zulässigkeit nichtwirtschaftlicher Betätigung von Gemeinden

C. Zulässigkeit nichtwirtschaftlicher Betätigung

409

Verfolgt die Gemeinde mit ihren Einrichtungen die in § 107 Abs. 2 S. 1 GO genannten Zwecke, ist die Betätigung nicht mehr an den strengeren Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 107 Abs. 1 GO zu messen. Für diesen Fall der nichtwirtschaftlichen Betätigung gelten die Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 S. 2 GO.

Expertentipp

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Die gesetzliche Privilegierung der nichtwirtschaftlichen Betätigungsformen hat in der Klausurbearbeitung die Folge, dass der Abgrenzung von der wirtschaftlichen Tätigkeit eine wichtige, für die Lösung nahezu vorentscheidende Funktion zukommen kann. Sofern im Klausursachverhalt daher die in Rede stehende kommunale Leistung näher beschrieben und die Einstufung nicht eindeutig ist, sollte die Abgrenzungsfrage gebührend behandelt werden.

I. Die gesetzliche Fiktion der nichtwirtschaftlichen Betätigung

410

Kraft Gesetzes gelten bestimmte marktgängige Betätigungen nicht als wirtschaftlich, obwohl sie bei isolierter Betrachtung die Kriterien der in § 107 Abs. 1 GO genannten Definition der wirtschaftlichen Tätigkeit ggfls. erfüllen würden. Diese sind in § 107 Abs. 2 GO ausgeführt und werden als Einrichtungen bezeichnet. Der Negativkatalog des § 107 Abs. 2 GO enthält damit eine gesetzliche Fiktion nichtwirtschaftlicher Betätigungen.

Hinweis

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Es ist zu betonen, dass die in § 107 Abs. 2 GO aufgeführten Einrichtungen aus rein kommunalrechtlichen Erwägungen als „nichtwirtschaftlich“ definiert werden. Die Bezeichnung „Negativkatalog“ rührt daher, dass die dort enthaltenen Tätigkeiten nach dem Willen des Gesetzgebers keine wirtschaftliche Betätigung darstellen sollen. Diese kommunalrechtliche Klassifizierung hat nichts mit der „Wirtschaftlichkeit“ im kaufmännischen oder handelsrechtlichen Sinne zu tun. Beispielsweise gelten gerade die unter § 107 Abs. 2 GO fallenden Einrichtungen der Abfall- und Abwasserwirtschaft aus betriebswirtschaftlicher Sichtweise als ertragreich, sind aber dennoch nichtwirtschaftlich im hier allein maßgeblichen kommunalrechtlichen Sinne.

1. Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen

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Als wirtschaftliche Betätigung gilt zunächst nicht der Betrieb von Einrichtungen, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, § 107 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GO. Es wäre widersprüchlich, diese Aktivitäten trotz der gesetzlichen Verpflichtung hierzu von den Zulässigkeitsvoraussetzungen gemeindlicher Wirtschaftstätigkeit abhängig zu machen.

Beispiel

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Einrichtungen des Feuerwehrwesens nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG NRW).

2. Einrichtungen der Daseinsvorsorge

412

Unter § 107 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GO fallen Einrichtungen, die für die soziale und kulturelle Betreuung der Einwohner erforderlich sind. Hierzu gehören Einrichtungen auf den Gebieten der Erziehung, Bildung oder Kultur, des Sports oder der Erholung sowie des Gesundheits- oder Sozialwesens.

Im Einzelfall kann es hierbei zu Abgrenzungsfragen kommen, wenn die Gemeinde bei der in Frage stehenden Betätigung sich auf den Privilegierungstatbestand des § 107 Abs. 2 GO beruft, während ein privater Konkurrent diese hingegen als wirtschaftlich ansieht.

Beispiel

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Der entgeltliche Nachhilfeunterricht an Schüler der Sekundarstufe I durch die Volkshochschule ist keine nichtwirtschaftliche Betätigung auf dem Gebiet der Bildung oder Kultur, da sie außerhalb des Weiterbildungsgesetzes erfolgt. Es handelt sich damit um eine (unzulässige) wirtschaftliche Betätigung.OLG Düsseldorf Urteil vom 10.10.1996 – 2 U 65/96 –, MittNWStGB 1996, 391.

Dient der Betrieb eines kommunalen Kinos allein wirtschaftlichen Interessen der Kommune, kommt § 107 Abs. 1 S. 1 GO zur Anwendung (wirtschaftliche Betätigung). Dies wäre etwa der Fall, wenn die Gemeinde mit „Blockbuster-Filmen“ ein Vermarktungskonzept verfolgt, was auf einen überregionalen Kundenkreis und damit verbundene Gewinnorientierung zielt. Verfolgt der Betrieb dagegen im Schwerpunkt einen kulturellen Zweck und hat in erster Linie die Gemeindebewohner als Zielgruppe (Bildungsfilme, historische oder örtliche Filme etc.) im Blick, handelt es sich um eine nichtwirtschaftliche Einrichtung.

Der Betrieb von Saunaanlagen und Bräunungsliegen ist entweder Nebengeschäft zum Betrieb eines kommunalen Schwimmbades oder selbstständige Erholungseinrichtung. In beiden Fällen liegt § 107 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GO vor.Vgl. OVG NRW Urteil vom 2.12.1985 – 4 A 2214/84 –, DÖV 1986, 339.

Zu den unter das Gesundheits- oder Sozialwesen fallenden Einrichtungen zählen vorrangig Krankenhäuser. Als solche können aber auch ambulante Pflegedienste anzusehen sein. Im Einzelfall kann ferner auch die Gründung eines Fitnessbereichs für die Nachsorge und Prävention hierzu gehören.    

3. Einrichtungen der Straßenreinigung, Wirtschaftsförderung, Fremdenverkehrsförderung und Wohnraumversorgung

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Definition

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Definition: Kommunalen Wirtschaftsförderung

Innerhalb der Privilegierungstatbestände des § 107 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GO ist der Begriff der kommunalen Wirtschaftsförderung dahingehend zu verstehen, dass dazu die Beratung und Betreuung von (ansiedlungswilligen) Unternehmen ebenso gehört wie die Hilfe bei der Beschaffung von Gewerbegrundstücken sowie die Beratung bei Verfahrens- und Förderfragen.

Bei der Fremdenverkehrsförderung ist der Betrieb von Touristikzentralen oder Verkehrsvereine privilegiert, da „Fördern“ nur eine unterstützende und keine selbstdurchführende Tätigkeit meint.

Beispiel

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Der Betrieb eines Hotels ist keine nichtwirtschaftliche, sondern eine wirtschaftliche Betätigung.

4. Einrichtungen des Umweltschutzes sowie Messe- und Ausstellungswesens

414

Zu den Einrichtungen des Umweltschutzes gehören insbesondere die Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung. Der Begriff der Abfallentsorgung umfasst sowohl die Beseitigung als auch die Verwertung von Abfällen.

Beispiel

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Das Recyceln von Altautos ist als nichtwirtschaftliche Betätigung anzusehen. Gemeinden dürfen deshalb Altautos verwerten und entsorgen bzw. der Wiederverwertung zuführen.BGH Urteil vom 26.9.2002 – I ZR 293/99 –, NJW 2003, 586.

5. Kommunale Hilfsbetriebe

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Auch Einrichtungen, die ausschließlich der Deckung des Eigenbedarfs der Kommune dienen, sind nichtwirtschaftlicher Art. Es handelt sich um Hilfstätigkeiten, die zwar keinen unmittelbaren Verwaltungsbezug haben, die Tätigkeit der Verwaltung aber erst ermöglichen oder unterstützen.Kaster in Heusch/Dietlein, BeckOK, GO NRW, 107 Rn. 36.

Beispiel

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Bauhöfe, Hausdruckereien, Hauskantinen oder Hausgärtnereien

II. Zulässigkeitsvoraussetzungen, § 107 Abs. 2, 4 GO

416

§ 107 Abs. 2 GO geht pauschalierend davon aus, dass die dort genannten Einrichtungen öffentlichen Zwecken dienen und diese regelmäßig nicht besser und wirtschaftlicher von Privatunternehmen erfüllt werden können.Flüshoh in Kleerbaum/Palmen, § 107 Erl. V. Diese Bereiche werden deshalb von den Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 GO freigestellt.   

Gemäß § 107 Abs. 2 S. 2 GO müssen die in Abs. 2 S. 1 aufgeführten Einrichtungen (nur)

auf einen öffentlichen Zweck ausgerichtet sein und

nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten verwaltet werden.

Der Begriff des öffentlichen Zweckes umfasst jeden im Aufgabenbereich der Gemeinde liegenden Gemeinwohlbelang und schließt lediglich die Gewinnerwirtschaftung als (alleinigen) öffentlichen Zweck aus. Die Verwaltung der nach § 107 Abs. 2 GO zulässigen Einrichtung hat nach den Grundsätzen einer rationellen Betriebsführung zu erfolgen.

Sofern die nichtwirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes erfolgt, greifen über den Verweis auf § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GO strengere Zulässigkeitsvoraussetzungen ein (§ 107 Abs. 4 GO).

Im Falle der nichtwirtschaftlichen Betätigung können die Einrichtungen entsprechend den Vorschriften über die Eigenbetriebe geführt werden, § 107 Abs. 2 S. 2 GO. Man spricht in diesem Fall von eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen, welche zwar Sondervermögen der Gemeinde bilden und als solche wirtschaftlich selbstständiger agieren können, aber – wie Eigenbetriebe (§ 114 GO) – ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind.

Beispiel

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Die Stadt S führt die nichtwirtschaftliche Betätigung der Abwasserbeseitigung in einer eigenbetriebsähnlichen Einrichtung nach § 107 Abs. 2 S. 2 GO. Die Entwässerungsgebührenbescheide werden im Namen der Stadt S ausgestellt, da die eigenbetriebsähnliche Einrichtung rechtlich unselbstständig ist.

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