Kommunalrecht Baden-Württemberg

Bürgerversammlung – § 20a GemO

B. Einwohnerversammlung – § 20a GemO

I. Allgemeines

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Gem. § 20a Abs. 1 GemO sollen wichtige Gemeindeangelegenheiten mit den Einwohnern erörtert werden. Eine solche Erörterung kann im Rahmen einer Einwohnerversammlung erfolgen. Die Einwohnerversammlung hat damit den Zweck, den Gedankenaustausch zwischen Einwohnern und Gemeinderat bzw. Bürgermeister über besonders relevante gemeindliche Sachverhalte zu gewährleisten. Hingegen ist die Einwohnerversammlung kein Entscheidungsorgan.

Beispiel

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Die Gemeinde plant eine Umgehungsstraße zu bauen. Sie erörtert im Vorfeld die geplante Trassenführung, den zeitlichen Ablauf der Baumaßnahmen etc. mit den Einwohnern. Die Entscheidung, ob und ggf. wie die Umgehungsstraße gebaut wird, trifft sodann aber der Gemeinderat.

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Die bei der Einwohnerversammlung gemachten Vorschläge und Anregungen sind für die Gemeinde nicht bindend. Die Einwohnerversammlung hat als beratende Versammlung keine Entscheidungskompetenz. § 20a Abs. 4 GemO verpflichtet die jeweiligen Gemeindeorgane lediglich, die Anregungen und Vorschlägen binnen drei Monaten nach Durchführung der Einwohnerversammlung zu behandeln.

II. Anberaumung, Verhandlungsgang

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Eine Einwohnerversammlung soll einmal pro Jahr, im Übrigen nach Bedarf anberaumt werden (§ 20a Abs. 1 GemO). Zuständig für die Anberaumung ist der Gemeinderat. Er legt die Zeit, den Ort sowie den Versammlungsgegenstand fest. Auch kann er bestimmen, dass nur Einwohner der Gemeinde ein Teilnahmerecht haben. Unabhängig davon haben nur Einwohner ein Rederecht innerhalb der Versammlung; anderen Personen kann vom Vorsitzenden jedoch das Wort erteilt werden (§ 20a Abs. 3 GemO). In Gemeinden mit Ortschaftsverfassung können in den Ortschaften die Einwohnerversammlungen auch vom Ortschaftsrat anberaumt werden; die Tagesordnung muss sich in diesen Fällen auf die Ortschaft beziehen.

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Zuständig für die Einberufung ist der Bürgermeister. Er hat die Durchführung der Einwohnerversammlung den Einwohnern unter rechtzeitiger ortsüblicher Bekanntgabe von Zeit, Ort und Tagesordnung mitzuteilen (§ 20a Abs. 1 GemO). Er (oder ein von ihm benannter Vertreter) hat den Vorsitz in der Versammlung und entscheidet über die Worterteilung. Besondere Verfahrensvorschriften über die Durchführung der Einwohnerversammlung bestehen im Übrigen nicht. Wird die Einwohnerversammlung vom Ortschaftsrat anberaumt, lädt der Ortsvorsteher ein. Der Bürgermeister hat in diesen Fällen ein Teilnahmerecht und kann jederzeit das Wort verlangen.

III. Anberaumung auf Antrag der Einwohner

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Während § 20a Abs. 1 GemO dem Gemeinderat die Möglichkeit einräumt, eine Einwohnerversammlung durchzuführen, wenn er dies für tunlich hält, statuiert § 20a Abs. 2 GemO die Möglichkeit, dass die Einwohner eine Durchführung beantragen.

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Formelle Voraussetzungen des Antrags sind dessen Schriftform sowie die Bezeichnung der zu erörternden Angelegenheit. Eine Antragsstellung auf elektronischem Wege ist nicht möglich, wie sich aus dem Ausschluss der Anwendbarkeit des § 3a LVwVfG in § 20a Abs. 2 GemO ergibt. Inhaltlich muss sich der Antrag auf eine Gemeindeangelegenheit beziehen: der Vorbehalt des Absatzes 1, wonach „wichtige“ Angelegenheiten mit den Einwohnern zu erörtern sind, gilt hier nicht, weshalb die Angelegenheit kein besonderes Gewicht haben muss. Weiterhin darf der Antrag nur solche Angelegenheiten umfassen, die nicht bereits innerhalb der letzten sechs Monate Gegenstand einer Einwohnerversammlung waren. Ferner muss es sich um Sachverhalte handeln, die innerhalb der Befassungskompetenz der Gemeinde liegen (hingegen ist eine Entscheidungskompetenz des Gemeinderats nicht zwingend erforderlich, da in der Einwohnerversammlung selbst keine Entscheidungen getroffen werden).

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Expertentipp

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Es empfiehlt sich – soweit zulässig – § 41 KomWG an geeigneter Stelle im Gesetz zu kommentieren.

Der Antrag muss von einer in § 20a Abs. 2 GemO genannten Anzahl von antragsberechtigten Einwohnern unterzeichnet sein, wobei antragsberechtigt nur solche Einwohner sind, die im Zeitpunkt der Unterzeichnung das 16. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde wohnen (vgl. § 41 KomWG); dementsprechend ist für die Berechnung des Quorums auch nicht die Einwohnerzahl i.S.d. § 10 GemO zugrunde zu legen, sondern die Zahl der Einwohner i.S.d. § 41 Abs. 3 KomWG. Über die Zulässigkeit des Antrags entscheidet der Gemeinderat. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, ist eine Einwohnerversammlung binnen drei Monaten nach Eingang des Antrags abzuhalten. Diese Rechtsfolge ist zwingend, ein Ermessen steht dem Gemeinderat nicht zu.

Für Ortschaften, Ortsteile und Bezirke gelten die Regelungen entsprechend, wobei sich die Angelegenheit auf diese beziehen muss und nur die Einwohner der betreffenden Ortschaft, des betreffenden Ortsteils oder Bezirks zählen.

IV. Rechtsschutz

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Gegen die ablehnende Entscheidung des Gemeinderats über den Antrag auf Durchführung einer Einwohnerversammlung kann jeder Unterzeichner „Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage“ (§ 41 Abs. 2 KomWG) erheben. Wenngleich § 41 Abs. 2 KomWG die Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage nennt, wird i.d.R. nur eine Verpflichtungsklage statthaft sein, da nur sie zu dem gewünschten Ziel – der Durchführung einer Einwohnerversammlung – führen kann. Gerichtet ist die Verpflichtungsklage aber nicht etwa unmittelbar auf Anberaumung der Einwohnerversammlung, sondern lediglich auf positive Entscheidung des Gemeinderats bezüglich des gestellten Antrags.

VGH BW VBlBW 1984, 149 = DVBl 1984, 216.

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