Kommunalrecht Baden-Württemberg

Inhalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG - Schema

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B. Inhalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG

I. Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG

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Wie sich bereits aus der systematischen Stellung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG innerhalb der Verfassung ergibt, beinhaltet diese Norm kein Grundrecht. Vielmehr enthält sie eine institutionelle Garantie, also eine Gewähr für den grundsätzlichen Bestand der „Einrichtung Gemeinde“ mit den sie prägenden Elementen.

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Die institutionelle Garantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hat drei Zielrichtungen: Geschützt ist zum einen, dass es Gemeinden als solche im Staatsaufbau geben muss (sog. institutionelle Rechtssubjektsgarantie, dazu näher Rn. 19).

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Daneben gewährt die institutionelle Garantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den Gemeinden einen bestimmten Aufgabenbestand und das Recht zur eigenverantwortlichen Aufgabenerledigung (sog. objektive Rechtsinstitutionsgarantie – dazu sogleich näher Rn. 20 ff.).

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Damit die aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zugunsten der Gemeinden resultierenden Garantien werthaltig, d.h. im Falle einer Verletzung rechtlich durchsetzbar sind, vermittelt die Norm zudem Rechtsschutz betreffend den ihr innewohnenden Gewährleistungsgehalt (sog. subjektive Rechtsstellungsgarantie). M.a.W.: Wird die kommunale Selbstverwaltungsgarantie durch staatliche Eingriffe verletzt, kann diese Verletzung auf Grundlage des Art. 28 Abs. 2 GG gerichtlich geltend gemacht werden.

1. Institutionelle Rechtssubjektsgarantie

19

Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schützt in der Ausprägung der institutionellen Rechtssubjektsgarantie nicht die einzelne Gemeinde in ihrem individuellen Bestand. Geschützt ist vielmehr, das es Gemeinden im Aufbau des Staates überhaupt geben muss. Nach Ansicht des BVerfG beeinträchtigen demnach Auflösungen von Gemeinden, Gemeindezusammenschlüsse, Eingemeindungen und sonstige Gebietsänderungen den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts grundsätzlich nicht.

BVerfG Beschluss vom 27.11.1978 – 2 BvR 165/75; BVerfGE 50, 50-56.

Beispiel

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Ein Eingriff in die institutionelle Rechtssubjektsgarantie läge dann vor, wenn durch einen staatlichen Hoheitsakt die Gemeinden generell abgeschafft würden. Gleiches würde gelten, wenn die Gemeinden aufgrund staatlichen Handelns in ihrer durch die geschichtliche Entwicklung geprägten Rechts- und Handlungsfähigkeit so stark eingeschränkt würden, dass die Selbstständigkeit gegenüber dem Staat nicht mehr gesichert wäre. Hingegen können Gemeinden in andere Gemeinden eingegliedert werden, wenn hierfür Gründe des öffentlichen Wohls sprechen (vgl. hierzu § 8 GemO).

2. Objektive Rechtsinstitutsgarantie

20

Die Rechtsinstitutsgarantie hat im Wesentlichen zwei selbstständige Ausprägungen, nämlich der Aufgabenzuweisungsgarantie betreffend die Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft und das Recht auf eine eigenverantwortliche Aufgabenerledigung.

a) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft

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Festgemacht am Normtext des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG umfasst die Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“ (sog. Aufgabenzuweisungsgarantie

Magen Die Garantie kommunaler Selbstverwaltung, JuS 2006, 404.). Einen abschließenden Katalog von Aufgaben, mit dem sich die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft definieren ließen, gibt es nicht.

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Aus dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG lässt sich entnehmen, dass den Gemeinden eine Allzuständigkeit für die Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft zukommt („alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“), ohne dass es hierfür einer besonderen Aufgabenzuweisung bedarf (sog. Verbandskompetenz).

Aufgrund der vermuteten Allzuständigkeit darf sich die Gemeinde mit allen Angelegenheiten befassen, die zur örtlichen Gemeinschaft gehören und für die nicht bereits eine anderweitige Kompetenzzuordnung besteht. Zu den Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft gehören nach der h.M. alle „Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben“.

BVerfG Beschluss vom 23.11.1988 – 2 BvR 1619/83; BVerfGE 79, 127-161. Nicht zu den gemeindlichen Aufgaben gehören im Umkehrschluss also solche, die kraft Kompetenzzuweisung staatliche Aufgaben sind.

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Ausnahmsweise darf sich die Gemeinde jedoch dann mit solchen, außerhalb der örtlichen Gemeinschaft liegenden Themen befassen, wenn diese Rechtspositionen der Gemeinde berühren können und die Gemeinde hiervon potenziell betroffen ist.

BVerfG Urteil vom 14.12.1990 – 7 C 37/89; BVerwGE 87, 228-236. In diesen Fällen kommt der Kommune zwar in der Sache keine Entscheidungsbefugnis zu (diese ist kraft Kompetenzzuweisung ja gerade beim Staat); jedoch wird ihr eine sog. Befassungskompetenz eingeräumt.

Beispiel

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Klassisches Beispiel für eine Angelegenheit, für die zugunsten der Gemeinde eine Befassungskompetenz besteht, ist die Landesverteidigung. Auch wenn die Kompetenz für die Verteidigung ausschließlich beim Bund liegt (vgl. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG), darf sich die Gemeinde jedenfalls insoweit mit diesem Thema befassen, als sie hiervon berührt wird, so wenn etwa die Errichtung einer Einrichtung der Landesverteidigung auf dem Gemeindegebiet in Aussicht steht.

b) Eigenverantwortlichkeit

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Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schafft ausweislich seines Wortlauts zugunsten der Gemeinden die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte (Eigenverantwortlichkeit). Hiermit verbunden ist das Recht der Gemeinden, die Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten bei der Wahrnehmung der gemeindlichen Aufgaben im Einzelnen selbst festzulegen (das „Ob“, „Wie“ und „Wann“ der Aufgabenerledigung

BeckOK KommR Baden-Württemberg/Pflumm, 4. Ed. 1.11.2018, GemO § 1 Rn. 3–7.). Hiermit unvereinbar sind Maßnahmen, die zu einer umfassenden Steuerung der kommunalen Organisation durch den Bund oder das Land führen und der Gemeinde keinerlei Entscheidungsspielraum lassen; entsprechendes würde gelten, wenn die Organisation der Gemeinden durch staatliche Behörden beliebig steuerbar wäre.BVerfG Beschluss vom 26.10.1994 – BvR 445/91; BVerfGE 91, 228-245. Ausdruck verliehen wird dem Aspekt der Eigenverantwortlichkeit insbesondere durch die sog. Gemeindehoheiten:

aa) Organisationshoheit

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Die Organisationshoheit beinhaltet das Recht, die Art und Weise der Aufgabenerfüllung sowohl betreffend die Selbstverwaltungsangelegenheiten wie auch die staatlich übertragenen Aufgaben selbst zu bestimmen. Weiterhin ist von der Organisationshoheit die Selbstbestimmung der gemeindeinternen Verfahrensabläufe und internen Kompetenzverteilungen geschützt sowie die Möglichkeit, Aufgaben zusammen mit Dritten wahrzunehmen, etwa im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit (man spricht insoweit von der Kooperationshoheit).

 

bb) Gebietshoheit

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Die Gebietshoheit umfasst das Recht der Gemeinde, auf ihrem Gemeindegebiet Hoheitsgewalt auszuüben. Der Gebietshoheit unterliegen alle natürlichen und juristischen Personen, die sich auf dem Gemeindegebiet aufhalten, ihren Sitz haben, Liegenschaften innehaben oder ein Gewerbe betreiben (sog. Territorialprinzip). Außerhalb des Gemeindegebiets kann die Gemeinde keine Hoheitsrechte ausüben.

cc) Personalhoheit

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Von der Personalhoheit umfasst ist das Recht der Gemeinde, Beamte, Angestellte und Arbeiter auszuwählen, anzustellen, zu befördern und zu entlassen, um die ihr obliegenden Aufgaben zu bewältigen. Damit verbunden ist ebenfalls die Disziplinargewalt, d.h. das Recht, etwaige Vergehen der Mitarbeiter dienstrechtlich zu ahnden.

dd) Planungshoheit

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Die Planungshoheit sichert den Gemeinden die Möglichkeit, alle auf ihrem Gemeindegebiet anfallenden örtlichen Planungsaufgaben eigenverantwortlich im Rahmen ihrer Zuständigkeit wahrzunehmen. Hierzu gehört auch das Recht, an übergeordneten Planungsvorgängen beteiligt zu werden, sofern diese Auswirkungen auf die Gemeinde haben.

ee) Satzungshoheit

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Zu den Hoheitsrechten der Gemeinde zählt weiterhin die Satzungshoheit. Einfachgesetzlichen Niederschlag findet die Satzungshoheit beispielsweise in § 4 GemO, der den Gemeinden die Möglichkeit einräumt, in weisungsfreien Angelegenheiten Satzungen zu erlassen. Typische Regelungsbereiche kommunaler Satzungen sind die des Organisationsrechts (z.B. Hauptsatzung), des Baurechts (z.B. Bebauungspläne) sowie der Leistungsverwaltung (z.B. Benutzungsordnungen für öffentliche Einrichtungen).

ff) Finanzhoheit/Steuer- und Abgabenhoheit

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Das Grundgesetz enthält in Art. 106 Abs. 5, 5a, 6, 7 und 8 GG finanzverfassungsrechtliche Vorschriften, welche zusammen mit Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG als besondere Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltung die kommunale Finanzhoheit bilden. Zur Bewältigung der kommunalen Aufgaben gewährt die Finanzhoheit eine eigenverantwortliche Mittelbewirtschaftung im Rahmen der Haushaltswirtschaft (Erstellung eines Haushaltsplans, mit dem die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde festgelegt werden). Die damit verbundene Steuer- und Abgabenhoheit ermöglicht den Gemeinden im Rahmen des Steuerfindungsrechts, Finanzquellen auszuschöpfen, um einen wesentlichen Teil der kommunalen Aufgaben durch eigene Einnahmen bestreiten zu können.

II. Eingriffe

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Eine Beschränkung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung ist bei allen belastenden, durch andere Hoheitsträger vorgenommenen Maßnahmen anzunehmen, wenn diese nicht völlig unerheblich sind, d.h. eine gewisse Intensität aufweisen. Eingriffe können also dann gegeben sein, wenn Landes- oder Bundesgesetze oder untergesetzliche Normen einen Regelungsgehalt haben, der (auch) die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft oder das Recht der Gemeinden auf eigenverantwortliche Aufgabenerledigung tangiert. Ein Eingriff in die Subjektsgarantie käme z.B. dann in Betracht, wenn eine Gemeinde aufgelöst oder in eine andere Einheit eingegliedert würde. Hingegen wäre ein Eingriff in den Komplex der Aufgabenzuordnung (Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft) dann möglich, wenn einer Gemeinde Aufgaben entzogen würden; ein Eingriff in die Eigenverantwortlichkeit könnte in einer gesetzgeberischen Regulierung der Art und Weise der Aufgabenerledigung liegen.

III. Schranken

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Ausweislich Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG unterliegt die kommunale Selbstverwaltung der Gemeinden einem Gesetzesvorbehalt („… im Rahmen der Gesetze…“), mit Hilfe dessen sowohl Eingriffe in die Eigenverantwortlichkeit wie auch in die Allzuständigkeit zu rechtfertigen sind. Einschränkbar ist also grundsätzlich sowohl das „ob“ als auch das „wie“ der Aufgabenerledigung.

Inhaltlich umfasst der Gesetzesvorbehalt formelle Gesetze, aber auch materielle Gesetze wie Rechtsverordnungen, Satzungen, Gewohnheitsrecht oder staatliche Raumordnungsprogramme.

Bezüglich der Einschränkbarkeit des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist danach zu unterscheiden, ob sich der Eingriff auf den Kernbereich oder den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung bezieht.

1. Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung

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Der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung ist unbeschränkbar (sog. Wesensgehaltstheorie). Schwierig ist indes, den Kernbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu definieren. Nach h.M. lässt sich eine solche Definition nicht anhand einer klar umgrenzten Aufgabenzuordnung festmachen.

Differenziert nach den Schutzbereichen ist der Kernbereich der Subjektsgarantie die Institution Gemeinde als solche, nicht aber der Bestand einer einzelnen Gemeinde. Hingegen ist der Kernbereich der Aufgabenzuweisungsgarantie deutlich schwieriger zu konkretisieren. Von ihm umfasst sein muss ein Mindestbestand an Selbstverwaltungsaufgaben. Im Bereich der o.g. Gemeindehoheiten (Rn. 24 ff.) gehört nur deren Grundbestand zum Kernbereich, so dass eine Kernbereichsverletzung erst dann anzunehmen ist, wenn eine der typischen Gemeindehoheiten soweit eingeschränkt wird, dass von ihr nichts mehr bei der Gemeinde zurück bleibt, sie mithin zur fremdgesteuerten Verwaltungseinheit wird.

Magen Die Garantie kommunaler Selbstverwaltung, JuS 2006, 404.

Expertentipp

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Bedenken Sie im Hinblick auf eine Klausur, dass ein Eingriff in den Kernbereich nicht zu rechtfertigen ist – Ihre Prüfung wäre also mit der Bejahung des Eingriffs beendet, ohne dass Sie Ihr Wissen zur Frage der Rechtfertigung ausbreiten könnten.

2. Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung

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Kein absolutes Eingriffsverbot besteht hinsichtlich des Randbereichs der kommunalen Selbstverwaltung. Insoweit hat der Gesetzgeber eine gewisse Gestaltungsfreiheit, in diesen Bereich einzugreifen.

Beispiel

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Als „typische“ Randbereichseingriffe kommen der Entzug einer kommunalen Aufgabe oder eine teilweise Beschränkung der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung in Betracht.

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Die Möglichkeit des Gesetzgebers, in den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie einzugreifen, ist jedoch nicht grenzenlos. Nach Ansicht des BVerfG ist der Entzug einer kommunalen Aufgabe nur bei Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zulässig.

Beispiel

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Beispielhaft sind solche Allgemeinwohlbelange dann anzunehmen, wenn die Aufgabenerledigung anders als durch eine Verlagerung auf einen anderen Verwaltungsträger nicht mehr sicherzustellen wäre.

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Abstrakt betrachtet muss der Gesetzgeber bei der Prüfung, ob er einer Gemeinde eine Aufgabe entziehen darf, eine gerichtlich voll überprüfbare Güterabwägung vornehmen. Zu den abwägungsrelevanten Aspekten gehören etwa die Seuchenabwehr oder der Umweltschutz. Alleine eine Verwaltungsvereinfachung reicht für die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs nicht aus.

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Ähnliches gilt, wenn durch eine Aufgabenverlagerung eine wirtschaftlichere Aufgabenerledigung erreicht werden soll; auch dies ist i.d.R. kein hinreichender Rechtfertigungsgrund, es sei denn, dass nur so ein unverhältnismäßig hoher Kostenanstieg vermieden werden kann.

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Ob die Übertragung neuer Aufgaben auf die Gemeinde und die damit einhergehende Mehrbelastung mit Kosten durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gerechtfertigt ist, beurteilt sich nach den gleichen Maßstäben wie beim Aufgabenentzug: auch hier müssen wesentliche Gemeinwohlbelange die Aufgabenzuweisung notwendig machen; teils sieht für diese Fälle bereits das Grundgesetz einen Ausgleich vor (Art. 106 Abs. 8 GG).

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Die Beschränkung der Gemeinde in ihrer eigenverantwortlichen Aufgabenerledigung ist ebenfalls nur unter der Voraussetzung erlaubt, dass Gründe des Allgemeinwohls dies erfordern. Zudem muss die Beschränkung im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt sein.

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Einen Eingriff in den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung bilden schließlich die Bestands- und Gebietsveränderungen, etwa durch eine Gebietsreform, bei der aus mehreren Teilen von ursprünglichen Gemeinden eine neue Gemeinde gebildet wird.

Hinweis

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Zur Erinnerung: Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährt zwar den grundsätzlichen Bestand der Gemeinden, jedoch keinen Schutz der einzelnen Gemeinde auf Erhalt ihres Gemeindegebiets.

Aus welchen Gründen eine Veränderung des Gemeindegebiets zulässig ist, normiert § 8 GemO. Materiell-rechtliche Voraussetzung ist demnach stets das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Wohls, die eine solche Gebietsveränderung erfordern. Sie sind anzunehmen, wenn ein höheres Interesse der Allgemeinheit an der Gebietsänderung als am Gebietserhalt besteht (zu den formellen Voraussetzungen vgl. im Einzelnen § 8 GemO).

Expertentipp

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Die aufgezählten Aspekte, die für die Rechtfertigung eines Eingriffs in den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung herangezogen werden können, sind selbstverständlich nicht abschließend. Greifen Sie in der Klausur die im Sachverhalt genannten Vorgaben auf und zeigen Sie, dass Sie diese richtig gewichten und „klausurtechnisch verarbeiten“ können.

IV. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie in der Landesverfassung

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Sein landesverfassungsrechtliches Pendant findet Art. 28 Abs. 2 GG in Art. 71 Abs. 1 S. 1 und 2 LV. Der Schutzbereich des Art. 71 Abs. 1 S. 1 und 2 LV entspricht nach h.M. dem des Art. 28 Abs. 2 GG, so dass auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden kann.

V. Rechtsschutz

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Teil des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist die subjektive Rechtsstellungsgarantie, die den Gemeinden die gerichtliche Geltendmachung einer Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ermöglicht. Bezüglich der statthaften Verfahrensart ist danach zu unterscheiden, ob die Verletzung der Selbstverwaltungsgarantie aufgrund eines formellen Landesgesetzes oder aber durch ein formelles oder materielles Bundesgesetz erfolgt.

1. Verletzung durch formelles Landesgesetz: Kommunalrechtliche Normenkontrolle zum Staatsgerichtshof

43

Art. 76 LV i.V.m. §§ 8 Abs. 1 Nr. 8, 54 VerfGHG gewährt den Gemeinden und Gemeindeverbänden die Möglichkeit, beim Verfassungsgerichtshof BW Klage zu erheben mit der Behauptung, ein Landesgesetz im formellen Sinne verletze die Vorschriften der Art. 71–75 LV.

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Kommunalrechtliche Normenkontrolle zum StGH

I.

Zulässigkeit

 

1.

Zuständigkeit

 

 

 

Zuständig ist gem. Art. 76 LV i.V.m. §§ 8 Abs. 1 Nr. 8, 54 VerfGHG der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg

 

2.

Antragsteller

 

 

 

Gemeinde oder Gemeindeverbände, Art 76 LV

 

3.

Antragsgegenstand

 

 

 

Nur formelle Landesgesetze; nicht: Rechtsverordnungen oder Satzungen (hiergegen ist aber u. U. eine Normenkontrolle gem. § 47 VwGO statthaft)

 

4.

Antragsbefugnis

 

 

 

Die Antragsbefugnis der Gemeinde ist nur gegeben, wenn sie substantiiert geltend macht, ein formelles Landesgesetz verletze unmittelbar die in den genannten Verfassungsbestimmungen niedergelegte objektive verfassungsrechtliche Ordnung des Kommunalwesens und gleichzeitig ihre eigene subjektive verfassungsrechtlich garantierte Rechtsposition (Art. 76 LV). Bereits aufgelöste Kommunen sind antragsbefugt, soweit der Streit um ihre Rechte geht.

II.

Begründetheit

 

 

Prüfungsmaßstab der kommunalrechtlichen Normenkontrolle sind die Art. 71–75 LV. Nur wenn das angegriffene Landesgesetz gegen diese Normen verstößt, ist die Normenkontrolle begründet.

2. Verletzung durch formelles oder materielles Bundesrecht: Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG

44

Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i.V.m. § 91 BVerfGG eröffnet den Gemeinden und Gemeindeverbänden mit Ausnahme der Zweckverbände die Möglichkeit, mit der Behauptung, ihr Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG sei durch ein (materielles oder formelles) Gesetz verletzt, Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu erheben.

Prüfungsschema

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Wie prüft man: KommunalVerfassungsbeschwerde zum BVerfG

I.

Zulässigkeit

 

1.

Zuständigkeit

 

 

Zuständig ist das gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i.V.m. § 91 BVerfGG das BVerfG.

 

2.

Beteiligtenfähigkeit

 

 

Gemeinden und Gemeindeverbände, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG.

 

3.

Beschwerdegegenstand

 

 

Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig gegen ein Gesetz i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG. Umfasst werden neben förmlichen Gesetzen auch Rechtsverordnungen sowie alle anderen Arten vom Staat erlassener Rechtsnormen, die Außenwirkung gegenüber der Gemeinde entfalten. Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist auch gegen untergesetzliches Landesrecht zulässig. Unzulässig aufgrund Subsidiarität ist eine Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG gegen formelles Landesrecht (vgl. Wortlaut Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG). Staatliche Einzelmaßnahmen können nicht Beschwerdegegenstand sein.

 

4.

Beschwerdebefugnis

 

 

Möglichkeit der Verletzung der aus Art. 28 Abs. 2 GG resultierenden Rechtsstellung, § 91 BVerfGG. Die beschwerdeführende Gemeinde (bzw. der Gemeindeverband) muss durch die von ihr angegriffene Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein. Der Unmittelbarkeit steht nicht entgegen, dass zur Gesetzesdurchführung noch Vollzugshandlungen erforderlich sind.

 

5.

Form

 

 

Der Antrag muss schriftlich gestellt und begründet sein; ferner muss der Sachverhalt schlüssig dargetan werden, aufgrund dessen der Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG (Kern- oder Randbereich) betroffen sein könnte.

 

6.

Frist

 

 

Die Verfassungsbeschwerde ist binnen Jahresfrist nach Inkrafttreten der angegriffenen Rechtsnorm zu erheben, § 93 Abs. 3 BVerfGG.

 

7.

Erschöpfung des Rechtswegs, § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG.

II.

Begründetheit

 

Prüfungsmaßstab der kommunalen Verfassungsbeschwerde sind alle Normen des Grundgesetzes, die geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen (bundesstaatliche Kompetenzverteilung, Rechtsstaatsprinzip, Demokratieprinzip, Willkürverbot, Art. 101 Abs. 1, 103 Abs. 1 GG). Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist begründet, wenn eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband in ihrem/seinem Recht auf Selbstverwaltung durch die angegriffene Rechtsnorm tatsächlich verletzt ist.

3. Allgemeine Verfassungsbeschwerde zum BVerfG?

45

Rechtsschutz in Form der allgemeinen Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 90 ff. BVerfGG) können Gemeinden regelmäßig nicht in Anspruch nehmen, da sie sich als Träger der öffentlichen Verwaltung nicht auf Grundrechte berufen können. Eine Ausnahme hiervon gilt lediglich dann, wenn es um die Geltendmachung von Justizgrundrechten geht (Art. 101, 103 GG).

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