Inhaltsverzeichnis
4. Gerichtsstandsvereinbarungen
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Sofern keine ausschließliche Zuständigkeit besteht (vgl. Art. 25 Abs. 4 EuGVO), kann durch Gerichtsstandsvereinbarung eine – grundsätzlich ebenfalls ausschließliche (Art. 25 Abs. 1 S. 2 EuGVO) – internationale Zuständigkeit begründet werden.
Vgl. hierzu auch BGH NJW 2011, 3372 m. Anm. Müller. Voraussetzung für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung war nach der EuGVO a.F., dass mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat und die Zuständigkeit eines in der EU liegenden Gerichts vereinbart worden ist (vgl. Art. 23 Abs. 1 S. 1 EuGVO a.F.). Nach der Neufassung der EuGVO kommt es nicht mehr darauf an, dass eine Partei der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU hat („Haben die Parteien unabhängig von ihrem Wohnsitz…“, Art. 25 Abs. 1 S. 1 EuGVO). Weiterhin erforderlich ist jedoch, dass das prorogierte Gericht in einem Mitgliedstaat liegt.Beispiel
Die Deutsche A verklagt in Deutschland ihren in Libyen wohnhaften Vertragspartner, mit dem sie die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte schriftlich vereinbart hat.
Zwar verlangt die Anwendbarkeit der EuGVO grundsätzlich, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in der EU hat. Das gilt aber nicht für Art. 25 EuGVO. Da hier die Klägerin A und das prorogierte
Prorogation meint die Begründung der Zuständigkeit eines Gerichts durch Parteivereinbarung, Derogation die Abwahl einer gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeit, vgl. Staudinger/Steinrötter JuS 2015, 1, 4. Gericht in der EU liegen, ist Art. 25 EuGVO anwendbar; deutsche Gerichte sind international zuständig.Die Gerichtsstandsvereinbarung kann sowohl für künftige als auch bereits entstandene Rechtstreitigkeiten getroffen werden (Art. 25 Abs. 1 S. 1 EuGVO). Innerhalb der halb zwingenden Gerichtsstände sind allerdings nur nachträgliche Vereinbarungen zulässig (vgl. Art. 25 Abs. 4 i.V.m. Art. 15, 19, 23 EuGVO).
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Gerichtsstandsvereinbarungen können erfolgen in schriftlicher oder mündlicher Form mit schriftlicher Bestätigung (Art. 25 Abs. 1 S. 3 lit. a EuGVO) oder einer Form, die den Gepflogenheiten der Parteien (lit. b) bzw. einem Handelsbrauch (lit. c) entspricht. Vereinbarungen in E-Mails genügen auch, was sich aus Art. 25 Abs. 2 EuGVO ergibt.
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Diese Formvorschriften sind von den Anforderungen an das Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung zu trennen. Nach der Neuregelung des Art. 25 Abs. 5 EuGVO ist die Gerichtsstandsvereinbarung als eine vom Hauptvertrag unabhängige Vereinbarung zu behandeln. Dieses Verständnis entsprach bereits der h.M. zur EuGVO a.F.
v. Hein RIW 2013, 97, 105. Die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung wurde durch den ebenfalls neu gefassten Art. 25 Abs. 1 S. 1 EuGVO ausdrücklich zur Voraussetzung gemacht. Maßgeblich für die Prüfung der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ist das Recht des Gerichtes, dessen Zuständigkeit vereinbart wurde.Dieses sog. Prorogationsstatut ist schwierig zu bestimmen. Es handelt sich um eine Gesamtverweisung auf die lex fori (siehe Erwägungsgrund 20 EuGVO). Gem. Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom I-VO findet die Rom I-VO indes keine Anwendung auf Gerichtsstandsvereinbarungen. Daher müsste an sich Rückgriff auf das EGBGB genommen werden. Indessen wurde das Schuldvertragskollisionsrecht in Art. 27 ff. EGBGB längst aufgehoben. Fraglich ist, wie diese Lücke im Kollisionsrecht zu schließen ist. Nach wohl h.M. sind die Art. 3 ff. Rom I-VO analog anzuwenden, vgl. Staudinger/Steinrötter JuS 2015, 1, 5 sowie v. Hein RIW 2013, 97, 105 m.w.N. Dogmatisch befriedigend ist das freilich kaum, wenn man berücksichtigt, dass die Verordnung ausdrücklich ihre Nichtanwendung in Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom I-VO vorschreibt. Die Wirksamkeit wird dabei nach Art. 25 Abs. 1 S. 1 EuGVO vermutet („es sein denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaates materiell nichtig“).269