Insolvenzrecht

Insolvenzfähigkeit

I. Insolvenzfähigkeit

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1. Natürliche Personen

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Expertentipp

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Lesen Sie § 11 InsO einmal sorgfältig durch. Die meisten Personengesellschaften werden dort genannt; es fehlen die Mischformen (z.B. GmbH & Co. KG) und die PartmbB. Die juristischen Personen des Privatrechts sind nicht aufgeführt; diese müssen Sie selbst aufzählen können.

Die Vorschrift des § 11 InsO regelt, wer Adressat eines Insolvenzverfahrens sein kann. Insolvenzfähigkeit besitzt jede natürliche Person, d.h. jeder Mensch ab der Geburt (§ 11 Abs. 1 S. 1 InsO mit § 1 BGB). Zu den natürlichen Personen gehören Arbeitnehmer/innen, Studierende, Schüler/innen, Rentner/innen, Arbeitslose gleichermaßen wie Gewerbetreibende und Freiberufler/innen. Auch Simon als Geschäftsführer der MyTV GmbH könnte als natürliche Person Insolvenz anmelden. Allerdings ist auf den Wortlaut des § 11 Abs. 1 InsO zu achten. Da es keinen „Schuldturm“ mehr gibt, wird nicht die Person als Insolvenzsubjekt benannt, sondern allein deren Vermögen. Nur das Schuldnervermögen (und nicht der Schuldner) ist den Gläubigern als Haftungsmasse zugewiesen. Es wird also über „das Vermögen der Frau Meier“ die Insolvenz eröffnet, nicht über „Frau Meier“. Aus diesem Grund ist sogar der Nachlass oder das Gesamtgut als Sondervermögen insolvenzfähig (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 325 ff. InsO).

2. Juristische Personen des Privatrechts

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Die meisten modernen Rechtsordnungen räumen Unternehmerinnen und Unternehmern die Möglichkeit ein, das Risiko ihres unternehmerischen Handelns durch die Gründung von juristischen Personen zu minimieren.

Paulus Insolvenzrecht § 2 Rn. 7. Im Fall des Scheiterns steht den Gläubigern dann nur das Gesellschaftsvermögen (und nicht das Privatvermögen der Gründer) als Haftungsmasse zur Verfügung. Konsequente Folge ist, dass sämtliche juristischen Personen des Privatrechts insolvenzfähig sind (§ 11 Abs. 1 S. 1 InsO). Dazu gehören die Aktiengesellschaft (AG), die GmbH, die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) = UG (haftungsbeschränkt) nach § 5a GmbHG, die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die eingetragene Genossenschaft (eG), der eingetragene Verein (eV), die Societas Europaea (SE), der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) und Mischformen, wie die GmbH & Co. KGaA oder die AG & Co. KGaA. Auch der nicht rechtsfähige Verein wird nach den Regelungen der InsO ausdrücklich für insolvenzfähig erklärt (§ 11 Abs. 1 S. 2 InsO). Die MyTV ist als GmbH ohne weiteres nach § 11 Abs. 1 S. 1 insolvenzfähig und kann die Durchführung eines Insolvenzverfahrens beantragen. Sie befindet sich dabei in guter Gesellschaft. In den letzten Jahren mussten zahlreiche Premiumunternehmen ein Insolvenzverfahren durchlaufen. Dabei kann eine Insolvenz jedes Unternehmen treffen, egal wie lange es am Markt existiert (z.B. Karstadt = 128 Jahre, Grundig = 73 Jahre, Schlecker = 37 Jahre), egal in welcher Branche es sich bewegt (Fernsehherstellung, Mode, Kaufhaus, Hotel, Solarzellen, Nähmaschinen, Baumarkt) und egal in welcher Rechtsform es organisiert ist. Der folgende Überblick zeigt, dass zwar die GmbH besonders insolvenzanfällig ist,Hierzu Gottwald/Haas Insolvenzrechts-Handbuch § 92 Rn. 2. aber auch andere Organisationsformen betroffen sind.

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Unternehmen agieren häufig in Konzernstrukturen, um daraus (finanz-)wirtschaftliche oder steuerliche Vorteile zu ziehen. Rechtsfähig und damit insolvenzfähig sind aber ausschließlich die oben genannten Rechtsträger (z.B. AG, GmbH, UG, SE, KGaA). Konzerne mit ihren Holding-Strukturen sind als solche nicht insolvenzfähig. Nur die Muttergesellschaft und die einzelnen Tochtergesellschaften können jeweils Adressatinnen eines Insolvenzverfahrens sein (§ 11 Abs. 1 S. 1 InsO). Die Verzahnung der Gesellschaften im Konzern führt allerdings dazu, dass das Straucheln eines Konzernmitglieds zum klassischen Dominoeffekt führt, so dass häufig auch die anderen Gesellschaften mitgerissen werden. Besonders eng ist die Verflechtung beim sog. cash-pooling; hier werden die Einnahmen der Tochtergesellschaften zentral an die Mutter (als Darlehen) abgeführt. Die Töchter sind dann vom Finanzierungsverhalten der Mutter abhängig.

Beispiel

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Als Prototyp einer Konzerninsolvenz ist die Insolvenz von „Karstadt“ zu nennen. Hier mussten mehrere Insolvenzverfahren durchgeführt werden, da verschiedene eigenständige Rechtsträger von der Konzerninsolvenz betroffen waren, nämlich die Muttergesellschaft (Arcandor AG), die Tochtergesellschaft Karstadt Warenhaus GmbH sowie die Tochtergesellschaft Primondo GmbH (wozu Quelle gehörte).

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Sind mehrere Gesellschaften insolvent, muss für jedes Verfahren ein eigener Insolvenzverwalter bestellt werden. Das Motto lautet: eine Gesellschaft, eine Insolvenz, ein (eigenständiges) Verfahren.

Flöther/Flöther Handbuch zum Konzerninsolvenzrecht § 1 Rn. 2. Das erschwert ein koordiniertes Vorgehen bei der Vermögensverwertung. In der Praxis wird daher seit längerem ein „Konzerninsolvenzrecht“ gefordert. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen vom 21.6.2013 hat die Bundesregierung „Flagge gezeigt“. Vorgeschlagen werden die Schaffung eines einheitlichen Gerichtsstands (Zuständigkeitskonzentration), die Bestellung eines einheitlichen Insolvenzverwalters sowie die Einhaltung von Kooperations- und Koordinationspflichten für den Fall, dass die Verfahren an verschiedenen Gerichten (mit verschiedenen Verwaltern) geführt werden. Inkrafttreten wird das Gesetz nicht, da es der Diskontinuität anheimgefallen ist.Bork Insolvenzenzrecht Rn. 53.

3. Personengesellschaften

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Insolvenzfähig sind nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO auch die Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (= Personengesellschaften). Hierzu gehören die Offene Handelsgesellschaft (OHG), die Kommanditgesellschaft (KG), die Partnerschaftsgesellschaft (PartG), die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) in der Form der Außengesellschaft,

Grundsatzurteil zur Rechtsfähigkeit: BGH v. 20.1.2001 – II ZR 331/00 = NJW 2001, 1056. die Partenreederei und die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV). Die neue Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartmbB), die in § 8 Abs. 4 PartGG geregelt wird, ist zwar nicht genannt, gehört aber als Unterfall der Partnerschaftsgesellschaft ebenso dazu wie die Mischformen der GmbH & Co. KG oder der Limited & Co. KG oder der UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG. Nicht insolvenzfähig ist die stille Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB), da es kein gesamthänderisches Vermögen gibt.HK-InsO/Kirchhof § 11 Rn. 19; Zimmermann Insolvenzrecht Rn. 42. Auch die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ist nicht insolvenzfähig (§ 11 Abs. 3 WEG).

4. EU-Auslandsgesellschaften

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Insolvenzfähig sind auch alle Rechtsformen aus den EU-Ländern, wie beispielsweise die Limited (private company limited) aus England

Reischl Insolvenzrecht Rn. 61; FA-InsR/Hefermehl Kap. 1 Rn. 154., die besloten venootschap (niederländische GmbH), die SARL aus Luxemburg und alle anderen juristischen Personen der 28 EU-Mitgliedstaaten.

5. Staaten und juristische Personen des öffentlichen Rechts

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Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind eigentlich insolvenzfähig. In der Realität kommt es durchaus vor, dass Staaten so hoch verschuldet sind, dass sie ihre Gläubiger nicht mehr bedienen können. Ein Insolvenzrecht für Staaten (teils als „geordnete Insolvenz“ bezeichnet) gibt es jedoch nicht. In Deutschland greift die Sonderregelung des § 12 InsO. So sind nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO weder die Bundesrepublik Deutschland noch die sechzehn Bundesländer insolvenzfähig. Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts (z.B. Körperschaften, Anstalten) werden grundsätzlich als nicht insolvenzfähig eingestuft (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Sollte also das Land Berlin oder der Bayerische Rundfunk seine Angestellten nicht mehr bezahlen können, steht als Ausweg nicht die Durchführung eines Insolvenzverfahrens offen. Hier existieren eigene (staatliche) Mittel, um „Geld zu schöpfen“.

Ehricke/Biehl Insolvenzrecht S. 68 (Fall 121).

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