Insolvenzrecht - Insolvenzanfechtung - Anfechtung nach § 133 InsO

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Insolvenzrecht

Insolvenzanfechtung - Anfechtung nach § 133 InsO

g) Anfechtung nach § 133 InsO

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Die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO ist heute der wichtigste Anfechtungsgrund.

Foerste Insolvenzrecht Rn. 301. Damit kann der Verwalter Deckungen außerhalb der Dreimonatsfrist angreifen. Hauptanwendungsgebiet sind inkongruente Deckungen außerhalb der Krise.Gottwald/Huber Insolvenzrechts-Handbuch § 48 Rn. 4. Der BGH zieht aber auch kongruente Deckungen in den Anwendungsbereich. § 133 InsO beinhaltet zwei Fallgruppen. Zum einen werden Rechtshandlungen in den letzten zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag sanktioniert (§ 133 Abs. 1 InsO), die der Schuldner im Einvernehmen mit dem Anfechtungsgegner (zum Nachteil der Gläubiger) vorgenommen hat. In jedem Fall muss der Schuldner selbst die Rechtshandlung begangen haben. § 133 Abs. 2 InsO betrifft den Fall, dass der Schuldner entgeltliche Verträge mit nahestehenden Personen geschlossen hat. Hier werden die letzten zwei Jahre seit dem Eröffnungsantrag unter die Lupe genommen. Nahe stehende Personen sind eben an sich schon verdächtig. Schenkungen an Angehörige fallen dagegen unter § 134 InsO (der Blick zurück erfolgt für vier Jahre).

aa) Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO

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Die Vorschrift des § 133 Abs. 1 InsO knüpft an ein böswilliges Verhalten der an der Rechtshandlung Beteiligten an. Die Norm hat vier TatbestandsVoraussetzungen, deren extensive Auslegung durch die Rechtsprechung teils vehement kritisiert wird.

Hierzu Trams NJW-Spezial 2014, 587 f. Es geht letzten Endes darum, dass ein einzelner Gläubiger vom Schuldner bevorzugt behandelt wird. Dabei sind sich Schuldner und Anfechtungsgegner voll im Klaren darüber, dass die übrigen Gläubiger „auf der Strecke bleiben“. Daher ist der Zeitraum auch besonders lang. Er umfasst bis zu zehn Jahre (!) vor Stellung des Eröffnungsantrags.

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Erste Voraussetzung ist eine Rechtshandlung des Schuldners, wozu auch die bloße Schuldentilgung gehört (z.B. Rückzahlung des Kredits). Vollstreckungsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers sind keine Handlungen des Schuldners.

BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02 = NJW 2003, 3347, 3348. Aber auch (freiwillige) Zahlungen des Schuldners an den Gerichtsvollzieher fallen nicht darunter, wenn sie wegen des Vollstreckungsdrucks „alternativlos“ sind (zahlen oder pfänden).BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02 = NJW 2005, 1121, 1123. Der Frage, wann eine Zahlung an das Vollstreckungsorgan gerade noch freiwillig ist, kommt also erhebliche Bedeutung zu. Zweite Voraussetzung ist, dass der Schuldner damit seine Gläubiger objektiv benachteiligt (§ 129 InsO).

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Dritte und wichtigste Voraussetzung ist, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit Benachteiligungsvorsatz vornimmt, wobei bedingter Vorsatz genügt („nimmt es in Kauf“, „hält es für möglich“).

BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03 = NZI 2005, 692, 693. Der Schuldner muss die Benachteiligung aller Gläubiger wollen oder zumindest billigen; d.h. er muss wissen oder in Kauf nehmen, dass er neben dem Begünstigten nicht alle Gläubiger befriedigen kann.BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13 = NJW 2014, 2956, 2958. Diese (miese) Gesinnung des Schuldners will das Gesetz nicht akzeptieren. Wegen der schwierigen Beweislage sieht die Rechtsprechung Beweiserleichterungen zugunsten des Insolvenzverwalters vor. So wird der Vorsatz vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit oder seine drohende Zahlungsunfähigkeit bei Ausführung der Handlung kannte.BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10 = NZI 2011, 589, 590; BGH v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13 = NZI 2014, 698, 700. Beispiel: Der Schuldner weiß, dass die Stundung des Finanzamts in vier Wochen ausläuft. Insbesondere sieht der BGH die Inkongruenz als starkes Beweisanzeichen (für den Vorsatz) an.BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09 = NZI 2010, 439, 440. Aber auch bei kongruenten Deckungen kann vorsätzliches Handeln vorliegen, wobei für die Feststellung des Vorsatzes höhere Anforderungen gelten.BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06 = NZI 2008, 231, 232. Es gibt Grenzfälle. So handelt der Schuldner nicht mit einer benachteiligenden (miesen) Absicht, wenn er Handlungen im Rahmen eines ernsthaften Sanierungsversuchs vornimmt oder wenn er für eine Sache, die zur Fortführung des Unternehmens dringend benötigt wird, eine kongruente Gegenleistung erbringtBGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13 = NJW 2014, 2956, 2959; BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13 = NJW 2014, 2579, 2584; BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12 = NZI 2015, 320, 323. oder wenn er aufgrund konkreter Umstände mit der Überwindung der Krise rechnen durfte.BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13 = NJW 2014, 2956, 2959; BGH v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13 = NZI 2014, 698, 700.

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Vierte Voraussetzung ist die Kenntnis des Empfängers (= Anfechtungsgegners) von den Umständen. Der Empfänger muss erkannt haben, dass die Rechtshandlung die anderen Gläubiger benachteiligt und der Schuldner dies auch will.

BGH v. 24.10.2013 – IX ZR 104/13 = NJW 2014, 465, 466. Ein Gläubiger, der sich in der Krise bewusst bevorzugen lässt, verdient eben keinen Schutz. Der Beweis dieser subjektiven Merkmale ist für den Insolvenzverwalter allerdings schwer zu führen. In das Gehirn des Empfängers kann man nicht schauen. Hier hilft § 133 Abs. 1 S. 2 InsO. Die Kenntnis des Empfängers wird vermutet, wenn er Umstände kennt, die auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen lassen; dann wird er so behandelt, also ob er die drohende Zahlungsunfähigkeit selbst kennt.BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02 = NJW 2003, 3560, 3562. So kann der Verwalter als Indizien folgende verdächtige Umstände bei Gericht anführen: Der Gläubiger (z.B. das Finanzamt) erhält plötzlich Teilzahllungen auf seit Jahren offene Forderungen über eine dritte Person, Lastschriften werden zurückgegeben,BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12 = NZI 2015, 320, 324. es erfolgen Ratenzahlungsvereinbarungen, es kommt zu beträchtlichen Rückständen bei den Sozialversicherungsbeiträgen, Löhne und Steuern werden schleppend gezahlt, die Lieferanten stellen auf Vorkasse um.Vgl. BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07 = NZI 2009, 847, 848. Ist der Schuldner unternehmerisch tätig, muss der Gläubiger damit rechnen, dass es zwangsläufig weitere Gläubiger gibt, die ebenfalls auf Befriedigung warten.BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12 = NZI 2015, 369, 372.

Hinweis

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Mit dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz (vom April 2015) soll § 133 InsO „entschlackt“ werden. Die Frist bei Deckungsgeschäften beträgt danach 4 Jahre (statt 10 Jahre). Zudem werden Rechtshandlungen, die Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs sind, oder Geschäfte, die zur Unternehmensfortführung erforderlich sind, vom Anwendungsbereich ausgenommen.

bb) Voraussetzungen des § 133 Abs. 2 InsO

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Stark erleichtert ist die Vorsatzanfechtung gegenüber nahestehenden Personen (§ 133 Abs. 2 InsO). Welche Personen dem Schuldner nahe stehen, ist ausführlich in § 138 InsO definiert. Bei natürlichen Personen ist es z.B. der Ehepartner, der eingetragene Lebenspartner, die Kinder oder Geschwister des Schuldners oder die Au-Pair-Kraft (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 InsO). Ist der Schuldner eine Kapitalgesellschaft, sind die Mitglieder des Vertretungsorgans sowie Gesellschafter, die mehr als 25 % am Kapital beteiligt sind (Mehrheitsgesellschafter) als nahestehende Person anzusehen (§ 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Die Anfechtung erfasst jeden entgeltlichen Vertrag, der die Gläubiger unmittelbar benachteiligt (§ 133 Abs. 2 S. 1 InsO). Der Vertragsbegriff ist weit auszulegen.

BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13 = NJW 2014, 2579, 2584. Die Rechtshandlung muss die anderen Gläubiger unmittelbar benachteiligen (also die Quote verringern). Ein Baraustausch stellt keine unmittelbare Benachteiligung dar (Dienstvertrag zwischen einer GmbH und ihrem Gesellschafter).BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/12 = NJW 2014, 2579, 2584. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen wurde oder der Nahestehende den Benachteiligungsvorsatz am Tag des Vertragsschlusses nicht kannte (§ 133 Abs. 2 S. 2 InsO).

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