Insolvenzrecht

Inhalt eines Insolvenzplans

D. Sicherungsmaßnahmen

I. Schutz des Schuldnervermögens

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Hält das Gericht den Eröffnungsantrag für zulässig, prüft es in einem zweiten Schritt die Begründetheit des Antrags, d.h. ob tatsächlich ein Eröffnungsgrund (§ 16 InsO) vorliegt und ob das Vermögen des Schuldners ausreicht, um die Kosten eines staatlichen Insolvenzverfahrens zu decken (§ 26 Abs. 1 S. 1 InsO). In dieser Phase findet der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 InsO) Anwendung. Seit 1.11.2022 kann das Gericht selbst Auskünfte über den Schuldner einholen (§ 98 Abs. 1a InsO i.V.m. § 802l ZPO). Im Regelfall benötigt die Begründetheitsprüfung eine gewisse Zeit. Denn das Vorliegen eines Eröffnungsgrunds (§§ 17, 18, 19 InsO) muss zur Überzeugung des Gerichts unzweifelhaft feststehen. Zwischen dem Eingang des Eröffnungsantrags und der Entscheidung des Insolvenzgerichts können daher Wochen vergehen. Um das Vermögen des Schuldners in diesem Zeitraum vor Gefährdungen zu schützen, schreibt § 21 Abs. 1 S. 1 InsO vor, dass das Gericht von Amts wegen alle Sicherungsmaßnahmen treffen muss, die erforderlich erscheinen, um eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage zu verhindern.

Beispiel

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Die Insolvenzrichterin findet am 1.6. um 8.00 Uhr den schriftlichen Eröffnungsantrag der MODEHAUS GmbH auf ihrem Schreibtisch vor. Die Richterin muss von Amts wegen entscheiden, welche Sicherungsmaßnahmen nötig sind, damit es in den folgenden Tagen und Wochen nicht zu einer Verringerung des Schuldnervermögens kommt. So besteht die Gefahr, dass die Lieferanten ihre unter Eigentumsvorbehalt verkaufte Ware an sich nehmen oder sicherungsübereignete Gegenstände herausfordern oder der Gerichtsvollzieher noch bewegliches Vermögen pfändet.

II. Katalog der Sicherheitsmaßnahmen

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Hinweis

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Lesen Sie die Norm des § 21 InsO einmal vollständig durch. Sie ist die zentrale Vorschrift im Eröffnungsverfahren.

Nach der generalklauselartigen Formulierung des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO kann das Gericht alle erforderlichenMaßnahmen anordnen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Dabei gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Um dem Gericht Entscheidungshilfen zu geben, sind in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 5 InsO kataloghaft mögliche Sicherungsmaßnahmen aufgezählt. In Frage kommen die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (Nr. 1), die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (Nr. 1a), die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes oder eines Zustimmungsvorbehalts (Nr. 2), die Untersagung oder einstweilige Einstellung der Einzelzwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (Nr. 3), die Anordnung einer vorläufigen Postsperre (Nr. 4) sowie ein Vollstreckungsstopp gegenüber Aus- und Absonderungsberechtigten (Nr. 5). Eine Anhörung des Schuldners ist nicht erforderlich.BGH NZI 2011, 680, 681. Gegen die Anordnung der (einzelnen) Maßnahmen steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu (§ 21 Abs. 1 S. 2 InsO).

Sicherungsmaßnahmen

III. Allgemeines Verfügungsverbot

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Um das Schuldnervermögen vor schmälernden Zugriffen des Schuldners oder einzelner Gläubiger zu sichern, kann das Gericht den Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fall 1 InsO anordnen.BGH NZI 2018, 794 Rn. 24. Dies hat zur Folge, dass sämtliche Verfügungen des Schuldners absolut unwirksam sind (§ 24 Abs. 1 i.V.m. §§ 81, 82 InsO). Ist der Schuldner eine juristische Person, können die Leitungsorgane weder Waren übereignen noch Zahlungen veranlassen. Um die Handlungsfähigkeit des Schuldners zu gewährleisten, wird daher parallel ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt (§ 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO). Diese Kombination von allgemeinem Verfügungsverbot und Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters bewirkt, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 22 Abs. 1 S. 1 InsO) sowie die Prozessführungsbefugnis (§ 24 Abs. 2 InsO) auf den vorläufigen Verwalter übergehen. Wegen dieser Rechtsmacht wird er als starker vorläufiger Insolvenzverwalter bezeichnet.BGH NJW 2010, 3510, 3511; Becker Insolvenzrecht Rn. 24. Das allgemeine Verfügungsverbot wird öffentlich bekannt gemacht (§ 9 InsO) und in das Handelsregister/Grundbuch eingetragen (§ 23 InsO). Ein gutgläubiger Erwerb vom Schuldner ist wegen der absoluten Unwirksamkeit ausgeschlossen; er bleibt lediglich bei Immobilien möglich, wenn der Erwerber in Unkenntnis der Verfügungsbeschränkung auf das Grundbuch vertraut (§ 24 Abs. 1 i.V.m. § 81 Abs. 1 S. 2 InsO).

IV. Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters

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Das Insolvenzgericht kann, unabhängig von Verfügungsbeschränkungen, einen vorläufigen Verwalter bestellen (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO). Die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters gehört bei Unternehmensinsolvenzen zum „Standardprogramm“, da es eine Vielzahl von Beteiligten gibt (z.B. Arbeitnehmer, Vermieter, Lieferanten und Kunden), die verunsichert sind, wie es mit dem Unternehmen weitergeht. Hier ist es wichtig, dass eine fachkundige und neutrale Person Zugang zu dem Betrieb erhält und erste Maßnahmen ergreift (z.B. Insolvenzgeld), um das Unternehmen (vorübergehend) fortzuführen.Vgl. Foerste Insolvenzrecht Rn. 106. Soll das Unternehmen fortgeführt werden, muss das Gericht entweder zusätzlich ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fall 1 InsO anordnen, so dass der eingesetzte Verwalter die Rolle des sog. starken vorläufigen Verwalter erhält, oder einen Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO anordnen, so dass der eingesetzte Verwalter zum sog. schwachen vorläufigen Verwalter wird.

1. Starker vorläufiger Insolvenzverwalter

Starker Insolvenzverwalter

 

a) Allgemeines Befugnisse

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Die Rechtsstellung des starken vorläufigen Verwalters ist in § 22 Abs. 1 InsO näher geregelt. In § 22 Ab. 1 S. 1 InsO ist angeordnet, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf ihn übergeht, so dass nur er berechtigt ist, über das Schuldnervermögen zu verfügen. Die Stellung des starken vorläufigen Verwalters entspricht damit weitgehend der des endgültigen Insolvenzverwalters.BGH NZI 2007, 231 Rn. 17; Bork Insolvenzrecht Rn. 126. Der starke vorläufige Verwalter ist primär verpflichtet, das vorhandene Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO). Er hat die Insolvenzmasse in Besitz zu nehmen und muss notfalls Lagerräume versiegeln, Schlösser auswechseln oder eine Bewachung organisieren.Vgl. MüKoInsO/Haarmeyer/Schildt InsO § 22 Rn. 45 f. Er darf die Geschäftsräume des Schuldners betreten, dort Nachforschungen anstellen sowie Geschäftsunterlagen einsehen (§ 22 Abs. 3 S. 1, 2 InsO) und jederzeit Auskunft verlangen (§ 22 Abs. 3 S. 3 InsO). Aufgrund seiner Verfügungsbefugnis steht dem starken vorläufigen Verwalter das Recht zu, Vertragsverhältnisse zu kündigen.Braun/Böhm InsO § 22 Rn. 14; BeckOK InsR/Kopp InsO § 22 Rn. 38. § 240 S. 2 ZPO ordnet an, dass Prozesse des Schuldners unterbrochen werden, wenn ein starker vorläufiger Verwalter bestellt ist.

b) Betriebsfortführung

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Hat der Schuldner ein Unternehmen, ist der vorläufige starke Insolvenzverwalter verpflichtet, den Betrieb im Eröffnungsverfahren fortzuführen (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO). In diesem Verfahrensstadium entspricht eine Stilllegung grundsätzlich nicht den Gläubigerinteressen. Die Entscheidung über des Schicksal des Unternehmens wird in der ersten Gläubigerversammlung (§ 157 InsO) gefällt, so dass bis dahin auch die Fortführungspflicht besteht.BGH NJW 2019, 1940 Rn. 31; BAG BeckRS 2020, 10022 Rn. 97. Eine (teilweise) Einstellung des Geschäftsbetriebs ist nur ausnahmsweise gestattet, sofern das Gericht der Stilllegung zustimmt (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO). Die Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn der Schuldner erhebliche Verluste erwirtschaftet, so dass die Insolvenzmasse durch die Fortführung deutlich gemindert wird.BAG BeckRS 2020, 10022 Rn. 97; AG Hannover NZI 2020, 327 Rn. 12. Zur Verwertung (z.B. Veräußerung des Betriebs) ist der starke vorläufige Verwalter nicht berechtigt.Vgl. Blankenburg in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 22 Rn. 114 zum Streitstand. Diese Befugnis entsteht erst im eröffneten Verfahren. Reicht die Liquidität zur Fortführung nicht aus, kann der starke vorläufige Verwalter einen Massekredit aufnehmen.BeckOK InsR/Kopp InsO § 22 Rn. 39. Besondere Bemühungen des vorläufigen Verwalters um eine Sanierung des Schuldners sind extra zu vergüten.BGH NZI 2021, 838 Rn. 42.

c) Begründung von Masseverbindlichkeiten

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Die Rechtsposition des starken vorläufigen Verwalters ist mit einem Risiko verbunden. Nach § 55 Abs. 2 S. 1 InsO sind Verbindlichkeiten, die von einem starken vorläufigen Verwalter begründet werden, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseschulden. Kauft der Verwalter Waren ein, wird der Lieferant automatisch Massegläubiger (§ 55 Abs. 2 S. 1 InsO). Gleiches gilt nach § 55 Abs. 2 S. 2 InsO, wenn der starke vorläufige Verwalter Arbeitnehmer weiterbeschäftigtVgl. BAG NZI 2022, 341 Rn. 12 ff.; NZI 2021, 325 Rn. 42. oder Mietobjekte weiter nutzt. Löhne und Mietzins werden dann zu Masseverbindlichkeiten. Reicht die Masse nicht für alle Massegläubiger aus, muss der vorläufige starke Insolvenzverwalter gegebenenfalls mit seinem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten haften (§ 61 i.V.m. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO).Blankenburg in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 22 Rn. 49. Wegen dieses Risikos wird in der Praxis nur selten von der Einsetzung eines starken Verwalters Gebrauch gemacht.Vgl. BGH NJW 2002, 3326, 3328; Werner NZI 2022, 343.

d) Insolvenzgeld

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Die Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren kann nur gelingen, wenn die Arbeitnehmer weiterarbeiten und ihren Lohn erhalten. Meist ist der Schuldner zur Lohnzahlung nicht mehr in der Lage. Hier bietet das Insolvenzgeld (in Form der Vorfinanzierung) Abhilfe. Das Insolvenzgeld ist in §§ 165 bis 172 SGB III geregelt. Nach § 165 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn es zu einem „Insolvenzereignis“, d.h. zur Insolvenzeröffnung oder Abweisung mangels Masse kommt (§ 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 2 SGB III). In beiden Fällen wird das Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit in Höhe des monatlichen Nettoarbeitsentgelts (§ 167 Abs. 1 SGB III),Blankenburg in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 22 Rn. 215. und zwar rückwirkend für die letzten drei Monate, bezahlt (§ 165 Abs. 1 S. 1 SGB III). Die rückwirkende Auszahlung „in toto“ ist für die meisten Arbeitnehmer angesichts laufender monatlicher Unkosten (für Unterhalt, Miete, Energie etc.) nicht ideal. Aus diesem Grund hat die Vorfinanzierung des Insolvenzgelds Eingang in die Insolvenzverwalterpraxis gefunden (vgl. § 170 Abs. 4 SGB III). Die Vorfinanzierung erfolgt durch Forderungskauf. Die Arbeitnehmer verkaufen ihre künftigen Insolvenzgeldansprüche, die sie gegen die Bundesagentur für Arbeit haben, an eine vorfinanzierende Bank (§ 433 BGB), und treten die Ansprüche an diese ab (§ 398 BGB).Vgl. Foerste Insolvenzrecht Rn. 110. Im Gegenzug erhalten die Arbeitnehmer in Höhe ihres Nettoarbeitsentgeltes die Kaufpreiszahlung von der Bank. Die erforderliche Organisation übernimmt der vorläufige Verwalter. Er muss die Zustimmung der zuständigen Arbeitsagentur zur Vorfinanzierung einholen (§ 170 Abs. 4 S. 1 SGB III), wobei diese nur erteilt werden darf, wenn eine ernsthafte Sanierungschance für das Unternehmen besteht und ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze (mindestens 10 %) erhalten bleibt (§ 170 Abs. 4 S. 2 SGB III).Braun/Böhm InsO § 22 Rn. 42. Dass das Insolvenzgeld erhebliche Kostenvorteile für insolvente Unternehmen bringt, zeigt die Insolvenz von Air Berlin; hier wurden ca. 46,3 Mio. Euro Insolvenzgeld ausbezahlt.Marquardt NZI 2020, 455, 457. Die Ausschöpfung des Insolvenzgelds ist der eigentliche Grund, dass ein Eröffnungsverfahrens drei Monate dauert. § 169 S. 1 SGB III (i.V.m. § 55 Abs. 3 InsO) regelt den Regress der Bundesagentur.

e) Prüfung der Kostendeckung

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Eine weitere Aufgabe des starken vorläufigen Verwalters ist die Prüfung der Kostendeckung (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO). Er ist verpflichtet, zu ermitteln, ob das Vermögen des Schuldners die voraussichtlichen Kosten des gesamten Insolvenzverfahrens decken wird.BGH NZI 2004, 30, 31. Sein Gutachten dient dem Gericht als maßgebliche Entscheidungsgrundlage, ob das Verfahren eröffnet (§ 27 InsO) oder mangels Masse abgewiesen wird (§ 26 InsO).

f) Bestellung als Sachverständiger

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Nach § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO kann das Insolvenzgericht den starken vorläufigen Verwalter zusätzlich beauftragen, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für die Fortführung des Unternehmens bestehen. Er kann auch zusätzlich beauftragt werden, die örtliche und internationale Zuständigkeit des Gerichts zu prüfen. Hierfür wird der vorläufige Verwalter zusätzlich vergütet (§ 11 Abs. 4 InsVV mit § 9 Abs. 2 JVEG).

2. Schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter

a) Allgemeine Grundlagen

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Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, aber nicht zugleich ein allgemeines Verfügungsverbot ausgesprochen, wird dieser Verwaltertyp als schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bezeichnet, da der Schuldner die Verfügungsbefugnis behält. Blankenburg in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 22 Rn. 121. Das Gericht muss dann nach § 22 Abs. 2 S. 1 InsO die Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen schwachen Verwalters im Einzelnen festlegen. Es kann beispielsweise einen Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) anordnen. In diesem Fall muss der Schuldner die vorherige Zustimmung des vorläufigen Verwalters einholen, wenn er über Gegenstände seines Vermögens verfügen will (z.B. Auszahlung einer Geldsumme vom Konto). Zudem können damit rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners im Eröffnungsverfahren verhindert werden. BGH NZI 2021, 637 Rn. 32; NZI 2021, 440 Rn. 29; NZI 2020, 1046 Rn. 20; NZI 2018, 794 Rn. 19. Zur Eingehung von Verpflichtungsgeschäften bleibt der Schuldner jedoch uneingeschränkt berechtigt. BGH NZI 2018, 601 Rn. 53; BeckOk InsR/Kopp § 22 Rn. 68. Das Gericht kann die Rechtsstellung des „Zustimmungs-Verwalters“ durch Einzelermächtigungen nach § 22 Abs. 2 S. 1 InsO erweitern (z.B. Recht zum Forderungseinzug). Der Verwaltertyp wird dann als halbstarker vorläufiger Verwalter bezeichnet. Zur uneinheitlichen Terminologie Becker Insolvenzrecht § 2 Rn. 29.

Schwacher Insolvenzverwalter

b) Festlegung der Einzelbefugnisse

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Da die Überwachung des Schuldners zu den Kernaufgaben eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters gehört, BGH NZI 2021, 637 Rn. 32; NJW 2019, 1940 Rn. 77. ist er verpflichtet, sich zunächst einen Überblick über das Schuldnervermögen zu verschaffen, um dieses zu sichern und zu erhalten. BGH NZI 2014, 757, 758; BeckOK InsR/Kopp § 22 Rn. 60. Im Übrigen muss das Gericht seine Befugnisse konkret festlegen (§ 22 Abs. 2 S. 1 InsO). Dabei dürfen die Befugnisse nicht über die eines starken vorläufigen Verwalters hinausgehen (§ 22 Abs. 2 S. 2 InsO). BGH NJW 2019, 224 Rn. 15; NJW 2002, 3326, 3329. Die einzelnen Maßnahmen sind konkret zu bezeichnen. Eine Globalermächtigung „für den Schuldner zu handeln“ ist unzulässig. BGH NZI 2007, 231; NZI 2005, 627; NJW 2002, 3326, 3329. Die Ermächtigung kann sich auf bestimmte Geschäfte oder Geschäftsarten erstrecken (z.B. alle Materialeinkäufe). BGH NZI 2020, 1046 Rn. 22; Blankenburg in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 22 Rn. 161 f. Zulässige Einzelermächtigungen sind beispielsweise die Ermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen (Arbeitsverträge, Mietverträge) BeckOK InsR/Kopp InsO § 22 Rn. 70a. oder das Recht zum Forderungseinzug. BGH NZI 2020, 1046 Rn. 22; Blankenburg in: Kübler/Prütting/Bork InsO § 22 Rn. 129. Eine partielle Übertragung der Verfügungsbefugnis ist ebenfalls möglich (z.B. hinsichtlich der Bankkonten). Ob der Verwalter per Einzelanordnung zur Betriebsfortführung ermächtigt werden kann, hat der BGH offen gelassen. BGH NJW 2019, 1940 Rn. 77. Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, wie die Abberufung der organschaftlichen Vertreter des Schuldners (Geschäftsführer, Vorstand), sind nicht gestattet. BGH NZI 2007, 231, 233; BeckOK InsR/Kopp InsO § 22 Rn. 2.

c) Masseverbindlichkeiten

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Ein wesentlicher Unterschied zum starken vorläufigen Verwalter ist, dass der schwache vorläufige Verwalter keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 InsO begründet, da die Norm nur bei Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots gilt und bei einem Zustimmungsvorbehalt keine analoge Anwendung findet. BGH NJW 2019, 1940 Rn. 53; NJW-RR 2008, 295 Rn. 9; NJW 2002, 3326, 3327 ff. Das Gericht kann den schwachen vorläufigen Verwalter aber über die Generalnorm des § 22 Abs. 2 S. 1 InsO für den Einzelfall ermächtigen, Masseverbindlichkeiten einzugehen. BGH NJW 2019, 1940 Rn. 53; NJW 2002, 3326, 3329; BeckOK InsR/Kopp InsO § 22 Rn. 71. Dabei muss das Gericht die Geschäfte einzeln oder ihrer Art nach konkret benennen. BGH NJW 2019, 224 Rn. 15. So kann das Gericht dem vorläufigen Verwalter explizit die Aufnahme eines Massekredits erlauben. Braun/Böhm InsO § 22 Rn. 48. Steuerverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren sind nach § 55 Abs. 4 InsO stets Masseverbindlichkeiten; damit begründet auch der vorläufig schwache Verwalter automatisch Masseverbindlichkeiten (sog. Fiskusprivileg). BGH NJW 2019, 224 Rn. 18 ff.

3. Ermittlungsbefugnisse

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Nach § 22 Abs. 3 InsO sind dem vorläufigen Insolvenzverwalter (unabhängig ob starker oder schwacher) weitreichende Ermittlungsbefugnisse eingeräumt. Nach § 22 Abs. 3 S. 1 InsO ist der vorläufige Verwalter berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Schuldner muss ihm Einsicht in die Bücher gewähren (§ 22 Abs. 3 S. 2 InsO) und ist zur Auskunft und Mitwirkung verpflichtet (§ 22 Abs. 3 S. 3 Hs. 1 InsO). Die Auskunftspflicht trifft auch die Aufsichts- und Vertretungsorgane des Schuldners (§ 22 Abs. 3 S. 3 Hs. 2 i.V.m. § 101 Abs. 1, 2 InsO), wozu auch diejenigen gehören, die das Unternehmen in den letzten zwei Jahre verlassen haben (§ 101 Abs. 1 S. 2 InsO). Die Auskunftspflicht ist auf Fragen zum Schuldner beschränkt. Der Geschäftsführer muss nicht über die eigenen Vermögensverhältnisse Auskunft geben, jedoch alle Tatsachen und Umstände zum Schuldnervermögen benennen, selbst wenn Schadensersatzansprüche gegen ihn aufgedeckt werden. BGH NZI 2015, 380, 381. Die Auskunftspflicht gilt auch für Mitarbeitende (§ 22 Abs. 3 S. 3 Hs. 2 i.V.m. § 102 InsO). Verweigern der Schuldner oder die Leitungsorgane die Mitwirkung, kann notfalls Haft angeordnet werden (§§ 22 Abs. 3 S. 3 Hs. 2, 98 InsO).

V. Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung

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Nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 InsO kann das Gericht die Einzelzwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners untersagen oder einstweilen einstellen. Zweck ist der Schutz der Masse. Damit wird zudem verhindert, dass dem Unternehmen Gegenstände entzogen werden, die für die Betriebsfortführung benötigt werden. Das Vollstreckungsverbot umfasst daher auch die Herausgabevollstreckung (§§ 883, 885 ZPO). LG Lübeck NZI 2020, 998 Rn. 12 ff.; BeckOK InsR/Kopp InsO § 21 Rn. 90. Die Vollstreckungsorgane (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht) müssen die Anordnung von Amts wegen beachten. Neue Vollstreckungsaufträge in das bewegliche Vermögen dürfen nicht mehr ausgeführt (§ 775 Nr. 1 ZPO) und laufende nicht mehr weitergeführt werden (§ 775 Nr. 2 ZPO). Bereits durchgeführte Vollstreckungshandlungen bleiben wirksam, insbesondere bleibt der Rang des Pfändungspfandrechts gewahrt (§ 804 Abs. 3 ZPO). Uhlenbruck/Vallender InsO § 21 Rn. 26. Verstößt das Vollstreckungsorgan gegen das Vollstreckungsverbot, kann sich der vorläufige Verwalter mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) wehren. Ausschließlich zuständig ist nach überwiegenden Ansicht das Amtsgericht als Insolvenzgericht (analog § 89 Abs. 3 InsO), nicht das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht. Becker Insolvenzrecht § 2 Rn. 49, 52; HK-InsO/Laroche § 21 Rn. 34. Für die Vollstreckung in Immobilien gilt § 30 Abs. 4 ZVG. Danach kann der vorläufige Insolvenzverwalter beim Vollstreckungsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung beantragen. Der vorläufige Verwalter muss glaubhaft machen, dass die Anordnung erforderlich ist, um eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage zu verhindern. Nutzt der Verwalter das Grundstück (z.B. zur Betriebsfortführung), muss er den Wertverlust durch Zahlungen an den Gläubiger ausgleichen (§ 30e Abs. 2 ZVG).

VI. Postsperre

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Die Anordnung der Postsperre nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 InsO (i.V.m. § 99 Abs. 1 S. 1 InsO) dient dazu, „Licht ins Dunkle zu bringen“. Sie darf nur in Ausnahmesituationen verhängt werden, da sie das Grundrecht des Art. 10 GG tangiert. Aus diesem Grund genügt eine aus Textbausteinen zusammengesetzte Begründung nicht. Zu den Voraussetzungen LG Bonn NZI 2009, 652. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der (kriminelle oder flüchtige) Schuldner masseschädigende Handlungen begeht. Wird die Postsperre unter Beachtung der genannten Voraussetzungen angeordnet, erstreckt sie sich auf die Briefpost und den E-Mail-Verkehr. MüKoInsO/Haarmeyer/Schildt InsO § 21 Rn. 88; Spiekermann NZI 2022, 841, 844 f. Die Anordnung hat zur Folge, dass nur noch der vorläufige Insolvenzverwalter berechtigt ist, die Post zu öffnen.

VII. Verwertungssperre

186

Hinweis

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Hier geht es um die Aus- und Absonderungsberechtigten. Während des Eröffnungsverfahrens können ihre Rechte beschränkt werden.

Die Norm des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO erlaubt Eingriffe in die Rechte der Aus- und Absonderungsberechtigten. Sie bezweckt, den wirtschaftlichen Verbund des Unternehmens zusammenzuhalten, um dem vorläufigen Verwalter eine Fortführung des Betriebs zu ermöglichen. BGH NJW 2019, 1940 Rn. 26. Unterschieden wird zwischen beweglichen Sachen und Forderungen.

187

Nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 1 Hs. 1 InsO kann das Gericht den vorläufigen Verwalter zur Weiternutzung von beweglichen Sachen ermächtigen, nicht aber zu deren Verwertung. Hat der Vorbehaltseigentümer bzw. Sicherungseigentümer die Ermächtigung zur Weiterveräußerung oder -verarbeitung der Vorbehaltsware oder der sicherungsübereigneten Ware widerrufen (§ 183 S. 2 BGB), kann das Gericht den Widerruf nicht torpedieren, indem es dem vorläufigen Verwalter die Verwertung (Verkauf, Verbrauch, Verarbeitung) der Vorbehaltsware oder der sicherungsübereigneten Gegenstände gestattet. Die Anordnung eines Verwertungsrechts ist wegen des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift ausgeschlossen. BGH NJW 2019, 1940 Rn. 34. Will das Gericht die Weiternutzung gestatten, muss es die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 1 Hs. 1 InsO im Einzelnen prüfen. Voraussetzung ist, dass der Betrieb des Schuldners tatsächlich fortgeführt wird und die Gegenstände für die Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung sind. Die Anordnung muss die konkreten Gegenstände benennen und darf die Auswahl nicht pauschal dem Insolvenzverwalter überlassen. BGH NZI 2010, 95, 96; BeckOK InsR/Kopp InsO § 21 Rn. 109. Der Gläubiger kann ab Erlass der Anordnung Ausgleich des Wertverlusts verlangen, der durch die Nutzung entsteht, sofern die Sicherung des Gläubigers wertmäßig beeinträchtigt wird (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 Hs. 3). Erst nach Ablauf von drei Monaten stehen ihm die geschuldeten Zinsen auf die gesicherte Forderung zu (§§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 1 Hs. 2, 169 S. 2 InsO). BGH NZI 2016, 946 Rn. 7; NZI 2010, 95, 96; verfassungsgemäß nach BVerfG NZI 2012, 617, 618.

188

Hat der Schuldner Forderungen zur Sicherheit abgetreten, führt der Eröffnungsantrag und die Anordnung von Sicherheitsmaßnahmen nicht dazu, dass seine Einziehungsberechtigung (§ 185 BGB) automatisch erlischt. Erst wenn der Sicherungsnehmer die Ermächtigung widerruft (§ 183 S. 2 BGB), verliert der Schuldner das Einziehungsrecht. Hieran knüpft die Norm des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 1 Hs. 1 InsO an. Hat der Sicherungsnehmer die Einziehungsermächtigung widerrufen, kann das Gericht anordnen, dass der vorläufige Verwalter zur Einziehung sicherungsabgetretener Forderungen ermächtigt wird. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 3 InsO verweist auf die Vorschriften der §§ 170, 171 InsO. Der vorläufige Verwalter darf die Kosten der Einziehung in Höhe von 9 % (§ 171 InsO) zur Masse ziehen und zur Betriebsfortführung verwenden. Den Restbetrag (91 %) muss der vorläufige Verwalter an den Sicherungsnehmer abführen (§ 170 Abs. 1 S. 1 InsO) oder den Betrag unterscheidbar verwahren. Zieht er den Betrag auf das allgemeine Geschäftskonto des Schuldners ein, liegt darin eine unberechtigte „Veräußerung“ i.S.d. § 48 InsO analog, die den Sicherungsnehmer ermächtigt, den Betrag im Wege der Ersatzabsonderung herauszuverlangen, sofern der Betrag noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist; das ist der Fall, wenn das Geschäftskonto über eine ausreichende Deckung verfügt. BGH NJW 2019, 1940 Rn. 40 ff. Ansprüche aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO oder aus §§ 170 Abs. 1 S. 2, 172 InsO bestehen nicht, da diese Normen nur den endgültigen Insolvenzverwalter betreffen.

VIII. Vorläufiger Gläubigerausschuss

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Machen Sie sich mit diesem Gremium vertraut. Es spielt vor allem im (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren eine wichtige Rolle.

Um eine frühzeitige Einbindung der Gläubiger sicherzustellen und ihren Einfluss zu stärken, hat der Gesetzgeber 2012 die Möglichkeit geschaffen, bereits im Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen (§§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 22a InsO). Unterschieden wird zwischen dem „Muss-Ausschuss“, dem „Soll-Ausschuss“ und dem „Kann-Ausschuss“.

Vorläufiger Gläubigerausschuss

1. Drei Varianten

a) Muss-Ausschuss

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Nach § 22a Abs. 1 InsO muss das Insolvenzgericht einen Gläubigerausschuss einsetzen, wenn der Schuldner mindestens zwei der drei nachstehenden Schwellenwerte erfüllt: Das Unternehmen hat eine Bilanzsumme von mindestens 6 Mio. EUR (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 InsO), es hat in den letzten 12 Monaten Umsatzerlöse von mindestens 12 Mio. EUR erzielt (§ 22a Abs. 1 Nr. 2 InsO), es hat mindestens 50 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt (§ 22a Abs. 1 Nr. 3 InsO). Diese Schwellenwerte nehmen Bezug auf die mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften gem. § 267 Abs. 2, 3 HGB. Damit wird in Großverfahren eine frühzeitige (zwangsweise) Beteiligung der Gläubiger sichergestellt. Im Jahresdurchschnitt gibt es in Deutschland lediglich 5 bis 6 solcher Pflichtausschüsse. HambKomm-InsR/Frind InsO § 22 Rn. 6.

b) Soll-Ausschuss

191

Nach § 22a Abs. 2 InsO soll das Gericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss bestellen, wenn der Schuldner (oder ein Gläubiger oder der vorläufige Insolvenzverwalter) dies beantragt und zugleich Personen namentlich vorschlägt, die als Mitglieder in Betracht kommen. Zudem müssen dem Antrag Einverständniserklärungen der benannten Personen für die Übernahme des Amtes beigefügt sein. Die Gefahr, dass der Schuldner dem Gericht einen Ausschuss „vorserviert“, ist dadurch gebannt, dass das Gericht über die konkrete Besetzung entscheidet und auch andere Mitglieder benennen kann. Vgl. HambKomm-InsR/Frind InsO § 22 Rn. 21.

c) Kann-Ausschuss

192

Nach der allgemeinen Regelung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a InsO kann das Gericht jederzeit einen Gläubigerausschuss einsetzen; die Entscheidung liegt im Ermessen des Gerichts. Uhlenbruck/Vallender InsO § 22 Rn. 31.

d) Ausschlussgründe

193

Die Norm des § 22a Abs. 3 InsO enthält drei Tatbestände, in denen das Gericht von der Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses absehen muss. Das ist der Fall, wenn der Geschäftsbetrieb des Schuldners bereits eingestellt ist (§ 22a Abs. 3 Fall 1 InsO) oder die Kosten des vorläufigen Gläubigerausschusses angesichts einer geringen Masse unverhältnismäßig sind (§ 22a Abs. 3 Fall 2 InsO) oder die Verzögerung, die aus der Einsetzung resultiert, eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage bewirkt (§ 22a Abs. 3 Fall 3 InsO).

2. Zusammensetzung

194

Der vorläufige Ausschuss soll aus mindestens vier Mitgliedern bestehen (§ 21a Abs. 2 S. 1 Nr. 1a i.V.m. § 67 Abs. 2 InsO) und aus dem Kreis der Absonderungsgläubiger, der Großgläubiger, der Kleingläubiger sowie der Arbeitnehmer gewonnen werden. Als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die keine Gläubiger sind (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a i.V.m. § 67 Abs. 3 InsO). Die Personalauswahl obliegt dem Gericht. Das Gericht muss die vom Schuldner vorgeschlagenen Personen nicht übernehmen; es ist in seiner Entscheidung frei.

3. Aufgaben

195

Die Aufgaben des vorläufigen Gläubigerausschusses entsprechen denen eines endgültigen Gläubigerausschusses. Die wichtigste Befugnis besteht darin, bei der Bestellung des vorläufigen und endgültigen Insolvenzverwalters mitzuwirken. Nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 56a Abs. 1 InsO hat das Gericht dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen und zur Person des (vorläufigen) Verwalters zu äußern. BeckOK InsR/Kopp InsO § 22a Rn. 64; Uhlenbruck/Vallender InsO § 22a Rn. 62. Schlägt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig eine konkrete Person vor, ist das Gericht an den Vorschlag gebunden, es sei denn die Person ist nicht für das Amt geeignet (§ 56a Abs. 2 S. 1 InsO). Wer geeignet ist, wird in § 56 Abs. 1 InsO näher definiert: Die Person muss geschäftskundig und unabhängig sein (näher Rn. 77). Die Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses kann nur unterbleiben, wenn die durch die Konsultation bedingte Verzögerung offensichtlich innerhalb von zwei Werktagen zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führt (§ 56a Abs. 1 InsO). Braun/Blümle InsO § 56a Rn. 9; Schluck-Amend NZI-Beil. 2021, 88, 89. Grundsätzlich muss das Gericht die zwei Tage abwarten, außer „es bricht Chaos“ im Unternehmen aus. In der Praxis kann der vorläufige Gläubigerausschuss die zwei Werktage nur einhalten, wenn im Vorfeld (z.B. Vorgespräch § 10a InsO) die amtsbereiten Gläubigerausschussmitglieder feststehen, diese sogleich mit ihrer Bestellung das Amt antreten und sofort eine Entscheidungen treffen. Vgl. Braun/Blümle InsO § 56a Rn. 11. Hier wird die Zukunft zeigen, wie die Gerichte mit der „Eilkompetenz“ umgehen. Das Gericht muss den Verzicht auf die Anhörung jedenfalls schriftlich begründen (§ 56a Abs. 3 S. 1 InsO).

196

Im Übrigen hat der vorläufige Gläubigerausschuss dieselben Pflichten und Kompetenzen wie im eröffneten Verfahren (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a i.V.m. §§ 69 bis 73 InsO). Hauptaufgabe ist die Kontrolle des vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 69 InsO). Zudem ist er zu strategisch wichtigen Entscheidungen zu hören (Begründung von Masseverbindlichkeiten, Insolvenzgeldvorfinanzierung, Zustimmung zu Teilbetriebsstilllegungen). Besondere Macht hat er im Rahmen der (vorläufigen) Eigenverwaltung §§ 270 ff. InsO.

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