Handels- und Gesellschaftsrecht

Die Genossenschaft

6. Die Genossenschaft

a) Grundlagen und Erscheinungsformen

617

Die Genossenschaft ist ein Zusammenschluss von Personen, die gemeinsam und gleichberechtigt den genossenschaftlichen Geschäftsbetrieb betreiben. Genossenschaften werden zur wirtschaftlichen Förderung ihrer Mitglieder unterhalten und verfolgen daher einen bestimmten Förderzweck. Die Genossenschaft kann außerdem für soziale und kulturelle Zwecke errichtet werden (§ 1 Abs. 1 GenG).

618

Wesentlich für die Genossenschaft ist das Förderungsprinzip. Alle Mitglieder der Genossenschaft müssen den gemeinsamen Zweck durch Leistungen fördern. Für sie gelten die Grundsätze der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung und der Selbstverwaltung. Die Genossenschaft verfügt über kein festes Stammkapital.

619

Nach dem Identitätsprinzip sind die Mitglieder einer Genossenschaft gleichzeitig Eigentümer und Kunden, die Mitglieder treten der Genossenschaft daher einerseits als Teilhaber, andererseits wie ein fremder Dritter gegenüber. Dies unterscheidet die Genossenschaft von allen anderen Personenzusammenschlüssen.

620

Genossenschaften bestehen vor allem im Handel mit Nahrungsmitteln und Bedarfsgegenständen als Handelsgenossenschaften, bei Banken als Kreditgenossenschaften und in der Land-, Forst- und Weinwirtschaft.

b) Rechtliche Einordnung

621

Die eingetragene Genossenschaft (eG) ist juristische Person (§ 17 GenG). Ihr Zweck ist die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder.

Die eingetragene Genossenschaft betreibt keine Handelsgesellschaft, ist aber Formkaufmann, § 17 Abs. 2 GenG.

Das Genossenschaftsgesetz von 1898 ist in 1973 und zuletzt wesentlich mit dem „Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts“Gesetz v. 14.8.2006, BGBl. 2006 I S. 1911, Neufassung v. 16.10.2006, BGBl. 2006 I S. 2230. modernisiert worden, insbesondere ist als neue Rechtsform die Europäische Genossenschaft eingeführt worden. Die Modernisierung soll die Gründung von Genossenschaften vereinfachen, die Kapitalbeschaffung und Kapitalerhaltung bei Genossenschaften erleichtern und die Rechte des einzelnen Mitglieds insbesondere bei Bestehen einer Vertreterversammlung stärken.BT-Drucks. 16/1524 S. 8.

c) Entstehung

622

Die Gründung der Genossenschaft setzt eine Mindestanzahl von drei Mitgliedern voraus (§ 4 GenG). Sie konstituieren den Vorstand und den Aufsichtsrat (§ 9 Abs. 2 GenG).

Die Genossenschaft wird in das Genossenschaftsregister eingetragen, das wie das Handelsregister von den Amtsgerichten geführt wird (§ 10 GenG).

Die Voraussetzungen für die Gründung einer Genossenschaft wurden durch die Reform erheblich erleichtert, indem die Zahl der Gründer herabgesetzt und die Übernahme von reinen Sacheinlagen und rein investierende Mitglieder zugelassen worden ist.

Die Mitglieder der Genossenschaft können Geschäftsanteile auch gegen ausschließliche Erbringung von Sacheinlagen übernehmen, wenn die Satzung dies zulässt (§ 7a Abs. 3 GenG).

Beispiel

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Landwirt L stellt anstelle von Geld seinen Mähdrescher zur Verfügung.

d) Organe

623

Organe der eingetragenen Genossenschaft sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Generalversammlung. Sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat werden durch die Generalversammlung gewählt.

aa) Der Vorstand

624

Die Genossenschaft wird durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten (§ 24 Abs. 1 GenG). Der Vorstand führt außerdem die Geschäfte der Genossenschaft. Er besteht aus mindestens zwei Personen, die Mitglieder der Genossenschaft sein müssen.

bb) Der Aufsichtsrat

625

Der Aufsichtsrat überwacht den Vorstand bei dessen Geschäftsführung. Er besteht aus mindestens drei Personen (§ 36 Abs. 1 GenG). Mitglieder des Aufsichtsrats dürfen nicht zugleich Vorstandsmitglied oder zum Betrieb des gesamten Geschäfts ermächtigte Handlungsbevollmächtigte der Genossenschaft sein (§ 37 Abs. 1 S. 1 GenG). Der Aufsichtsrat kann lediglich einzelne Mitglieder für einen im Voraus begrenzten Zeitraum zu Stellvertretern verhinderter Vorstandsmitglieder bestellen (§ 37 Abs. 1 S. 2 GenG).

Er kann jederzeit Auskunft vom Vorstand über alle Angelegenheiten der Genossenschaft verlangen und die Bücher und Schriften der Genossenschaft, den Bestand der Genossenschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren einsehen und prüfen (§ 38 Abs. 1 GenG). Er kann außerdem einen Prüfungsausschuss bestellen, der sich mit der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses sowie der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems sowie der Abschlussprüfung befasst (§ 38 Abs. 1a GenG).

Der Aufsichtsrat vertritt außerdem die Genossenschaft gegenüber dem Vorstand gerichtlich und außergerichtlich (§ 39 Abs. 1 S. 1 GenG).

cc) Die Generalversammlung

626

Zentrales Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung. In ihr üben die Mitglieder ihre Rechte in Angelegenheiten der Genossenschaft aus (§ 43 Abs. 1 GenG). Für Beschlüsse genügt die einfache Stimmenmehrheit, es sei denn, das Genossenschaftsgesetz oder die Satzung sehen größere Mehrheiten vor (§ 43 Abs. 2 GenG).

Die Generalversammlung wird mit einer Frist von zwei Wochen unter Angabe der Tagesordnung einberufen. Die Tagesordnung einer Vertreterversammlung ist allen Mitgliedern durch Veröffentlichung in den Genossenschaftsblättern oder im Internet unter der Adresse der Genossenschaft oder durch unmittelbare schriftliche Benachrichtigung bekannt zu machen (§ 46 Abs. 1 GenG). Gegenstände, deren Verhandlung nicht in der durch die Satzung vorgesehenen Weise mindestens eine Woche vor der Generalversammlung angekündigt sind, können nicht Gegenstand der Beschlussfassung sein.

In der Generalversammlung üben die Mitglieder ihr Stimmrecht grundsätzlich persönlich aus (§ 43 Abs. 4 S. 1 GenG). Jedes Mitglied hat grundsätzlich eine Stimme (§ 43 Abs. 3 S. 1 GenG). Die Satzung kann jedoch Mehrstimmrechte von bis zu drei Stimmen vorsehen (§ 43 Abs. 3 S. 2 GenG). Diese Mehrstimmrechte sollen diejenigen Mitglieder erhalten, die den Geschäftsbetrieb besonders fördern (§ 43 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 GenG).

e) Rechte und Pflichten der Mitglieder

627

Die Mitglieder haben die Einlagen an die eingetragene Genossenschaft zu leisten. Ihre Haftung ist grundsätzlich auf die Geschäftsanteile beschränkt, die Satzung kann aber für den Fall der Insolvenz der Genossenschaft eine Nachschusspflicht vorsehen.

628

Mitglieder können ihr Geschäftsguthaben einem anderen teilweise oder ganz übertragen. Die Übertragung des gesamten Geschäftsguthabens beendet die Mitgliedschaft ohne Auseinandersetzung, sofern der Erwerber anstelle des Mitglieds der Genossenschaft beitritt oder bereits Mitglied der Genossenschaft ist und das bisherige Geschäftsguthaben dieses Mitglieds mit dem ihm zuzuschreibenden Betrag den Geschäftsanteil nicht übersteigt (§ 76 Abs. 1 GenG).

629

Das Mitglied kann seine Mitgliedschaft durch Austritt beenden. Hierzu muss zum Schluss eines Geschäftsjahres eine schriftliche Kündigung unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist erfolgen. Durch die Satzung kann die Kündigungsfrist auf höchstens fünf Jahre, bei Genossenschaften, bei denen mehr als drei Viertel der Mitglieder als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB Mitglied sind, zum Zweck der Sicherung der Finanzierung des Anlagevermögens auf bis zu zehn Jahre erhöht werden (§ 65 Abs. 2 GenG).

630

Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft endet nicht mit dem Tod des Mitglieds. Sie geht zunächst auf die Erbengemeinschaft über, endet aber mit dem Schluss des Geschäftsjahres, in dem der Erbfall eingetreten ist (§ 77 GenG).

631

Ausschließlich investierende Mitglieder sind auf die Einlageleistung beschränkt, sie nutzen nicht Gegenstände oder Dienste der Genossenschaft (§ 8 Abs. 2 GenG).

f) Kleinstgenossenschaften

632

Kleinstgenossenschaften können durch Bestimmung in der Satzung auf die Einrichtung eines Aufsichtsrats verzichten. Die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats werden in diesem Fall von der Generalversammlung wahrgenommen (§ 9 Abs. 1 GenG).

Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern können fortan zudem auf einen mehrköpfigen Vorstand verzichten, so dass der Vorstand aus einer Person besteht (§ 24 Abs. 2 GenG).

g) Europäische Genossenschaft

633

Das „Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts“ enthält ferner die Regelungen zur Einführung der neuen Rechtsform der Europäischen Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea = SCE). Mit der Verabschiedung des Ausführungsgesetzes zur Europäischen Genossenschaft ist es auch in Deutschland möglich, eine SCE zu gründen. Sie soll die grenzüberschreitende Tätigkeit von Genossenschaften in der EU erleichtern.

Die SCE ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, die den Bedarf ihrer Mitglieder zu decken und deren wirtschaftliche oder soziale Tätigkeiten zu fördern hat. Das Grundkapital ist in Geschäftsanteile zerlegt.

Grundlage der SCE ist die Europäische Verordnung über das Statut der Europäischen Genossenschaft,VO 1435/2003/EG v. 22.7.2003, ABl. EG Nr. L 207. die mit dem SCEAGSCE-Ausführungsgesetz vom 14.8.2006, BGBl. 2006 I, S. 1911. ins deutsche Recht umgesetzt wurde. Die anzuwendenden Rechtsvorschriften bestimmen sich daher vorrangig durch die Verordnung selbst, die durch das nationale Recht und die Satzung der SCE ergänzt wird.

Die SCE hat ein Mindestkapital von 30 000 €.

Die Neugründung einer SCE erfordert im Regelfall mindestens fünf natürliche Personen, deren Wohnsitze in mindestens zwei Mitgliedstaaten liegen müssen.

Die Gründung einer Europäischen Genossenschaft in Form einer Verschmelzung von Genossenschaften ist für Genossenschaften möglich, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet worden sind und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der Europäischen Union haben, sofern mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen.

Die Gründung einer SCE im Wege der Umwandlung einer bestehenden Genossenschaft ist möglich, wenn diese nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet worden ist, ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der Union hat und in einem anderen Mitgliedstaat seit mindestens zwei Jahren eine Niederlassung oder Tochter hat. Handelt es sich bei der umzuwandelnden Genossenschaft um eine deutsche Genossenschaft, muss diese zunächst wirksam entstanden sein.

Organ der SCE ist zunächst die Generalversammlung, die mindestens einmal jährlich einberufen werden muss. Daneben hat die SCE entweder nach dem dualistischen System Vorstand und Aufsichtsrat als Leitungs- und Aufsichtsorgane oder nach dem monistischen System lediglich ein einziges Verwaltungsorgan, regelmäßig den Vorstand.

Beim dualistischen System führt der Vorstand die Geschäfte der Genossenschaft und vertritt sie im Rechtsverkehr. Der Aufsichtsrat überwacht den Vorstand. Beim monistischen System entfällt die Überwachung durch ein zweites Gremium.

Hinsichtlich der Steuerpflicht ist auf das jeweilige nationale Recht abzustellen. Für Genossenschaften mit Sitz in Deutschland gelten die oben skizzierten Regelungen.   

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