Handels- und Gesellschaftsrecht - Die offene Handelsgesellschaft - Geschäftsführung

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Handels- und Gesellschaftsrecht

Die offene Handelsgesellschaft - Geschäftsführung

d) Geschäftsführung

aa) Alleingeschäftsführungsbefugnis

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Nach §§ 116 Abs. 1 HGB steht grundsätzlich jedem Gesellschafter Alleingeschäftsführungsbefugnis zu (Selbstorganschaft). Dies ist ein Unterschied zu der GbR, in der nach § 715 Abs. 3 BGB grundsätzlich Gesamtgeschäftsführung besteht.

Expertentipp

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Lesen Sie § 116 HGB: Nach Abs. 2 S. 1 Hs. 1 umfasst die Geschäftsführungsbefugnis nur solche Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt.

Besonders risikoreiche Geschäfte, die den normalen Rahmen der bisherigen Tätigkeit der Gesellschaft überschreiten, dürfen nur mit Zustimmung aller Gesellschafter vorgenommen werden (§ 116 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 HGB). Nimmt der Geschäftsführer ein solches Geschäft ohne Beschluss vor und entsteht der Gesellschaft hierdurch ein Schaden, so ist er wegen Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten schadensersatzpflichtig.

Beispiel

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Geschäftsführer G lädt zu einer Gesellschafterversammlung, um Beschluss über die Betriebseinstellung fassen zu lassen.

Im Einzelfall kann der Gesellschaftsvertrag auch hinsichtlich dieser Geschäfte eine Mehrheitsentscheidung zulassen, weil es den Gesellschaftern grundsätzlich freisteht, sich im Gesellschaftsvertrag dahin zu einigen, das starre Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip zu ersetzen. Eine die Abweichung vom personengesellschaftsrechtlichen Einstimmigkeitsprinzip legitimierende Mehrheitsklausel musste aber lange dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen, der zwar nicht eine Auflistung der betroffenen Beschlussgegenstände verlangte, Grund und Tragweite der Legitimation für Mehrheitsentscheidungen mussten sich aber durch Auslegung des Gesellschaftsvertrages ermitteln lassen.BGH Urteil vom 15.1.2007 (Az: II ZR 245/05), unter Tz. 9 = BGHZ 170, 283 – Otto. Dispositives Gesetzesrecht ist gegenüber der ergänzenden Vertragsauslegung nachrangig, vgl. BGH Urteil vom 5.7.2011 (Az: II ZR 199/10) unter Tz. 16 = ZIP 2011, 1865, 1867. Nach Kritik aus dem SchrifttumSchäfer NZG 2014, 1401; Ulrich/Schlichting GmbHR 2014, 1312; Wertenbruch DB 2014, 2875. misst nun auch die Rechtsprechung dem Bestimmtheitsgrundsatz keine Bedeutung mehr bei und legt Mehrheitsklauseln in Gesellschaftsverträgen nicht mehr regelmäßig restriktiv aus. Eine Mehrheitsentscheidung ist nicht mehr schon deshalb formell unwirksam, weil die Ermächtigungsgrundlage nicht bestimmt genug formuliert ist.BGH Urteil vom 13.10.2020 (Az: Az. II ZR 359/18), unter Tz. 21 = NJW-RR 2020, 1435. Stattdessen prüft die Rechtsprechung zweistufig: Auf der ersten Stufe ist über die Mehrheitsklausel nach dem konkreten Gesellschaftsvertrag und dem Willen der Gesellschafter bei Abfassung des Vertrages bzw. Einfügung der Mehrheitsklausel unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Rechte des betroffenen Gesellschafters zu entscheiden.BGH Urteil vom 21.10.2014 (Az: II ZR 84/13), unter Tz. 14 = NJW 2015, 859, 861. Auf der zweiten Stufe sind die Grenzen der Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen im Rahmen einer inhaltlichen Kontrolle danach zu bestimmen, ob die beanstandete Beschlussfassung als eine treuwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit angesehen werden kann. Stehen absolut oder relativ unentziehbare Rechte in Rede, wird regelmäßig eine treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht anzunehmen sein, während in den sonstigen Fällen die Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung zu führen hat.BGH Urteil vom 21.10.2014 (Az: II ZR 84/13), unter Tz. 12 = NJW 2015, 859, 861.

Eine Haftung des Gesellschafters entsteht, wenn er sich bei seinem geschäftsführenden Handeln über die interne Kompetenzordnung in der Gesellschaft hinwegsetzt, für Schäden, die durch die Missachtung dieser internen Bindungen entstehen.BGH Beschluss vom 2.6.2008 (Az: II ZR 67/07), unter Tz. 8 = DStR 2008, 1599, 1600.

bb) Widerspruchsrecht

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Der Inhalt der Geschäftsführungsbefugnis kann durch den Gesellschaftsvertrag beschränkt werden (§ 108 HGB, der §§ 109–122 HGB insgesamt dispositiv stellt). Darüber hinaus haben die anderen geschäftsführenden Gesellschafter ein Widerspruchsrecht aus § 116 Abs. 3 Hs. 3 HGB gegen einzelne Maßnahmen. Der Widerspruch muss gegenüber dem Handelnden erklärt werden.

Durch den Widerspruch wird wie bei § 715 Abs. 4 S. 2 BGB die Geschäftsführungsbefugnis für dieses eine Geschäft aufgehoben. Die Handlung, der widersprochen wurde, muss unterbleiben (§ 116 Abs. 3 S. 3 HGB). Wird das Geschäft dennoch abgeschlossen, liegt darin eine Verletzung des Gesellschaftsvertrages, die den Geschäftsführer zum Schadensersatz verpflichtet.

cc) Entzug der Geschäftsführungsbefugnis

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Expertentipp

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Lesen Sie nochmals § 715 Abs. 5 BGB und verdeutlichen Sie sich den Unterschied zu § 116 Abs. 5 HGB.

§ 116 Abs. 5 S. 1 HGB gestattet den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis auf Dauer durch rechtsgestaltende gerichtliche Entscheidung auf Antrag der übrigen Gesellschafter, der Beschluss ist selbst Grundlagengeschäft. Zum Vergleich: Bei der GbR ist nach § 715 Abs. 5 S. 1 BGB bereits ein einstimmiger Beschluss der Gesellschafter ausreichend. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere eine grobe Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer. Ein einmaliges Hinwegsetzen über einen Gesellschafterbeschluss reicht in der Regel hierfür nicht aus.

§ 116 Abs. 5 S. 1 HGB kann gesellschaftsvertraglich abbedungen werden (§ 108 HGB; für die GbR vgl. § 708, 715 Abs. 5 S. 1 BGB), zum einen erleichternd, dass bereits ein Gesellschafterbeschluss ausreicht, um die Geschäftsführungsbefugnis zu entziehen, oder dass nicht einmal ein wichtiger Grund vorliegen muss, zum anderen auch erschwerend, indem besondere Gründe festgelegt werden oder das Verfahren unter zusätzliche Voraussetzungen gestellt wird. Schließlich kann der Gesellschaftsvertrag sogar die Entziehung ganz ausschließen, so dass nur noch die Auflösung der Gesellschaft in Betracht kommt.

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