Handels- und Gesellschaftsrecht - Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts - Geschäftsführung und Vertretung

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Handels- und Gesellschaftsrecht

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts - Geschäftsführung und Vertretung

e) Geschäftsführung und Vertretung

aa) Prinzip der Einstimmigkeit

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Lesen Sie § 714 BGB: Die Vertretung ist eine organschaftliche, keine rechtsgeschäftliche. Entgegen dem Wortlaut vertreten die Gesellschafter nicht sich, sondern die Gesamthand als solche. Bei Schaffung von § 714 BGB war die Idee einer Rechtspersönlichkeit der Gesamthand noch unbekannt.

Das Recht zur Geschäftsführung und Vertretung ist zentrales organschaftliches Gesellschafterrecht. Es ist daher höchstpersönlich und unübertragbar (§§ 717, 664, 713 BGB). Dies schließt die Fremdgeschäftsführung aus. Es ist relativ unentziehbar, das heißt seine Entziehung bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Ein Eingriff liegt schon dann vor, wenn der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert wird, dass die Befugnis ohne weitere Voraussetzungen entzogen werden kann.BGH Urteil vom 13.10.2020 (Az: II ZR 359/18), unter Tz. 18 = NJW-RR 2020, 1435 für den Fall einer GmbH & Co. KG.

Entsprechend dem gesetzlichen Leitbild eines engen Zusammenhaltes der Gesellschafter sieht § 709 BGB für jedes Geschäft die Zustimmung aller Gesellschafter vor. Die Gesellschafter einer GbR sind also nur gemeinschaftlich geschäftsführungsbefugt, wobei alle Beschlüsse einstimmig zu fassen sind. Im Rahmen der Geschäftsführung haften die Gesellschafter nach § 708 BGB nur für diejenige Sorgfalt, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Mangels anderweitiger Vereinbarungen entfällt damit regelmäßig eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit.

§ 714 BGB ordnet durch Bezugnahme auf § 709 BGB Gleiches für die Vertretung an. Sofern also die gesetzliche Geschäftsführungsregelung des § 709 BGB gilt (Gesamtgeschäftsführung), sind die Gesellschafter im Zweifel auch nur gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigt (Gesamtvertretung). Auch bei gesellschaftsvertraglicher Änderung der Geschäftsführungsbefugnis folgt im Zweifel die Vertretungsmacht der Geschäftsführungsbefugnis. Sieht der Gesellschaftsvertrag statt des Einstimmigkeitsprinzips eine Mehrheitsentscheidung vor, ist diese gemäß § 709 Abs. 2 BGB im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen, also nach Köpfen.

Aus der gesellschafterlichen Treuepflicht können sich aber Stimmpflichten der einzelnen Gesellschafter ergeben, wenn Maßnahmen zur Entscheidung stehen, die zur Erreichung des Gesellschaftszweckes zwingend notwendig sind.

Zudem besteht bei der GbR ein Recht zur Notgeschäftsführung durch einen Gesellschafter analog § 744 Abs. 2 BGB, soweit es um dringend notwendige Maßnahmen zur Erhaltung des Gesellschaftsvermögens geht. Eine gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers analog den Regeln des Vereinsrechts (§ 29 BGB) scheidet aber aus.BGH Beschluss vom 23.9.2014 (Az: II ZB 4/14), unter Tz. 12 = NJW 2014, 3779, 3780, offengelassen für die Publikumsgesellschaft.

Da § 709 BGB und § 714 BGB dispositiv sind, werden aus Gründen der Praktikabilität in der Praxis häufig gesellschaftsvertraglich die Geschäftsführung und die Vertretung auf einen oder mehrere Gesellschafter unter Ausschluss der anderen übertragen, wobei die geschäftsführenden Gesellschafter regelmäßig einzelgeschäftsführungsbefugt und -vertretungsberechtigt sind. Grenze ist der Grundsatz der Selbstorganschaft, d.h. die Gesellschaft muss durch ihre Gesellschafter alleine handlungsfähig bleiben.

Dabei sollte nicht übersehen werden, dass in Fällen der Formbedürftigkeit grundsätzlich alle Gesellschafter dem Formerfordernis genügen müssen, vertritt ein einzelner, muss dessen Erklärung die Vertretung erkennen lassen.

Beispiel

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Die Wohnung-GbR W kündigt der Mieterin M mit von einem einzelnen Gesellschafter mit „i.V.“ unterzeichneten Schreiben.

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An die Stelle der §§ 709–712 BGB tritt nach MoPeG § 715 BGB n.F. als zentrale Norm für die Geschäftsführungsbefugnis:

„Geschäftsführungsbefugnis

(1) Zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft sind alle Gesellschafter berechtigt und verpflichtet.

(2) Die Befugnis zur Geschäftsführung erstreckt sich auf alle Geschäfte, die die Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr gewöhnlich mit sich bringt. Zur Vornahme von Geschäften, die darüber hinausgehen, ist ein Beschluss aller Gesellschafter erforderlich.

(3) Die Geschäftsführung steht vorbehaltlich des Absatzes 4 allen Gesellschaftern in der Art zu, dass sie nur gemeinsam zu handeln berechtigt sind. Das gilt im Zweifel entsprechend, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung mehreren Gesellschaftern zusteht. Für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller geschäftsführungsbefugten Gesellschafter erforderlich, es sei denn, dass mit dem Aufschub Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen verbunden ist.

(4) Steht nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung allen oder mehreren Gesellschaftern in der Art zu, dass jeder allein zu handeln berechtigt ist, kann jeder andere geschäftsführungsbefugte Gesellschafter der Vornahme des Geschäfts widersprechen. Im Fall des Widerspruchs muss das Geschäft unterbleiben.

(5) Die Befugnis zur Geschäftsführung kann einem Gesellschafter durch Beschluss der anderen Gesellschafter ganz oder teilweise entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund ist insbesondere eine grobe Pflichtverletzung des Gesellschafters oder die Unfähigkeit des Gesellschafters zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung.

(6) Der Gesellschafter kann seinerseits die Geschäftsführung ganz oder teilweise kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. § 671 Absatz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.“

Abs. 1 soll die Pflicht zur Geschäftsführung betonen. Die Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäften in Abs. 2 ist § 116 HGB nachempfunden. Gesetzlicher Regelfall bleibt nach Abs. 3 die Gesamtgeschäftsführungsbefugnis. § 711 BGB geht in Abs. 4 auf, § 712 Abs. 2 BGB in Abs. 6. Abs. 5 stellt klar, dass auch die einem Gesellschafter gesetzlich zustehende Geschäftsführungsbefugnis ganz oder teilweise entzogen werden kann.

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§ 715a BGB n.F. wird die Notgeschäftsführung entsprechend der dazu ergangenen Rechtsprechung wie folgt regeln:

„Notgeschäftsführungsbefugnis

Sind alle geschäftsführungsbefugten Gesellschafter verhindert, nach Maßgabe von § 715 Absatz 3 Satz 3 bei einem Geschäft mitzuwirken, kann jeder Gesellschafter das Geschäft vornehmen, wenn mit dem Aufschub Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen verbunden ist. Eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, welche dieses Recht ausschließt, ist unwirksam.“

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§ 720 BGB n.F. wird die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft regeln:

„Vertretung der Gesellschaft

(1) Zur Vertretung der Gesellschaft sind alle Gesellschafter gemeinsam befugt, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes.

(2) Die zur Gesamtvertretung nach Absatz 1 befugten Gesellschafter können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen.

(3) Die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter erstreckt sich auf alle Geschäfte der Gesellschaft. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsbefugnis ist Dritten gegenüber unwirksam. Dies gilt insbesondere für die Beschränkung, dass sich die Vertretung nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstreckt oder dass sie nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll.

(4) Die Vertretungsbefugnis kann einem Gesellschafter in entsprechender Anwendung von § 715 Abs. 5 ganz oder teilweise entzogen werden.

(5) Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, genügt die Abgabe gegenüber einem vertretungsbefugten Gesellschafter.“

Abs. 1 lässt die Gesamtvertretungsbefugnis als gesetzlichen Regelfall fortbestehen. Nach Abs. 2 kann wie bei § 125 Abs. 2 S. 2 HGB fortan auch der Gesellschafter einzeln ermächtigt werden. Wie im Handelsrecht ist nach Abs. 3 fortan auch die Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht mit Wirkung nach außen beschränkbar. Abs. 4 regelt die Entziehung der Vertretungsmacht ähnlich den Regelungen zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis, ohne zwischen der gesetzlichen und der durch Gesellschaftsvertrag eingeräumten Vertretungsbefugnis zu unterscheiden. Abs. 5 regelt die Passivvertretung jedes Gesellschafters ohne inhaltlichen Unterschied zum geltenden Recht.

bb) Widerspruchsrecht

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Da zentrales Mitwirkungsrecht, kann der einzelne zur Geschäftsführung und Vertretung berufene Gesellschafter der Vornahme eines Geschäfts widersprechen, der handelnde Gesellschafter muss die Maßnahme in diesem Fall unterlassen (§ 711 BGB). Von Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossene Gesellschafter haben kein Widerspruchsrecht.

Hier wird die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis bedeutsam: Im Außenverhältnis bleibt das Rechtsgeschäft der Gesellschaft gegenüber ungeachtet eines Widerspruchs wirksam, selbst dann, wenn der Widersprechende die Erklärungen des anderen durch die Vornahme eines gegenläufigen Rechtsgeschäfts unverzüglich unwirksam machen könnte.BGH Urteil vom 19.6.2008 (Az: III ZR 46/06), unter Tz. 47 = DB 2008, 1620.

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