Familien- und Erbrecht

Die Scheidung der Ehe - Voraussetzungen und Folgen

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E. Ehescheidungsrecht

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Nach §§ 1564 S. 1, 1565 Abs. 1 S. 1 kann eine Ehe auf Antrag eines Ehegatten oder beider Ehegatten geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Im Gegensatz des bis 1977 geltenden Schuldprinzips ist nunmehr Scheidungsgrund die unheilbare Zerrüttung der Ehe (Zerrüttungsprinzip).

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I. Scheidungsvoraussetzungen

 

1. Nachweis des Scheiterns der Ehe

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Nach der Generalklausel des § 1565 Abs. 1 kann die Ehe geschieden werden, wenn das Familiengericht das Scheitern der Ehe positiv feststellt. Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 1565 Abs. 1 S. 2 ist die Ehe gescheitert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht (Eheanalyse) und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wieder herstellen (Eheprognose). Die Lebensgemeinschaft der Ehegatten besteht nicht mehr, wenn einer oder beide Ehegatten nicht mehr bereit sind, mit dem anderen ein gemeinsames eheliches Leben zu führen. Die Lebensgemeinschaft der Ehegatten ist nicht mit der häuslichen Gemeinschaft i.S.d. § 1567 gleichzusetzen. Die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft ist aber meist ein Indiz dafür, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht.

Palandt-Brudermüller § 1565 Rn. 2.

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Die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft darf zudem nicht mehr zu erwarten sein. Für diese richterliche Prognose ist entscheidend, ob die Ehegatten noch versöhnungsbereit sind oder ob sie sich bereits so weit voneinander entfernt haben, dass sie sich über ein gemeinsames Leben nicht mehr verständigen können oder wollen.

BGH Urt. v. 14.6.1978 (Az. IV ZR 164/77) = FamRZ 1978, 671; BGH Urt. v. 27.6.1979 (Az. IV ZR 185/77) = FamRZ 1979, 422. Wird das Scheitern der Ehe von dem Gericht festgestellt, so kann grundsätzlich die Ehe nur dann geschieden werden, wenn die Ehegatten im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Jahr getrennt gelebt haben. Ist dies nicht der Fall, so kann die Ehe nach § 1565 Abs. 2 nur dann geschieden werden, wenn ihre Fortsetzung für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellt. Der Regelungsbereich des § 1565 Abs. 2 findet nach h.M.Palandt-Brudermüller § 1565 Rn.7. auch auf die einvernehmliche Scheidung Anwendung. Die Vorschrift des § 1565 Abs. 2 soll als Rechtsmissbrauchsklausel verhindern, dass ein Ehegatte eine sofortige Scheidung erzwingen kann.BGH Urt. v. 5.11.1980 (Az. IVb ZR 538/80) = FamRZ 1981, 127. Sie soll auch vorschnellen unüberlegten Entschlüssen zur Scheidung entgegenwirken. Als Gründe für die Unzumutbarkeit in der Person des Antragsstellers kommen vor allem besonders gravierende ehefeindliche Verhaltensweisen in Betracht. Solche Umstände können schwere körperliche Misshandlungen, Alkoholmissbrauch oder „Im-Stich-lassen“ eines hilfebedürftigen Ehegatten sein.Palandt-Brudermüller § 1565 Rn. 7.

2. Vermutung des Scheiterns der Ehe

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Nach § 1566 Abs. 1 wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.

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Bei einer einseitigen Ehescheidung wird gemäß § 1566 Abs. 2 vermutet, dass die Ehe zerrüttet ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren voneinander getrennt leben.

3. Härteklausel, § 1568

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Eine Ausnahme von §§ 1565, 1566 sieht § 1568 vor. Nach dieser Vorschrift soll eine Ehe nicht geschieden werden, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der gemeinsamen Kinder der Ehegatten notwendig ist, § 1568 Abs. 1 Alt. 1. Diese Regelung enthält eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung (§ 127 FamFG). Stellt die Scheidung auf Grund von außergewöhnlichen Umständen eine so schwere Härte dar, dass die Aufrechterhaltung der Ehe unter Berücksichtigung der Belange des Antragsgegners ausnahmsweise geboten erscheint, soll die Ehe ebenfalls nicht geschieden werden, § 1568 Abs. 1 Alt. 2. Nach § 127 Abs. 3 FamFG kann das Familiengericht die außergewöhnlichen Umstände i.S.v. § 1568 Abs. 1 Alt. 2 nur berücksichtigen, wenn sie von dem Ehegatten, der die Scheidung ablehnt, vorgebracht worden sind.

4. Getrenntleben der Ehegatten

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Nach § 1567 Abs. 1 S. 1 liegt ein Getrenntleben der Ehegatten vor, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht (objektives Element) und ein Ehegatte erkennbar die (Wieder-)Herstellung der gemeinsamen häuslichen Gemeinschaft ablehnt (subjektives Element). Die häusliche Gemeinschaft besteht nach dem ausdrücklichen Wortlaut in § 1567 Abs. 1 S. 2 auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben. Das setzt voraus, dass aufgrund der Räumlichkeiten die Nutzung der Ehewohnung so organisiert werden kann, dass ein getrenntes Wirtschaften möglich ist.

BGH Urt. v. 13.3.1991 (Az. XII ZR 53/90) = FamRZ 1979, 469; Palandt-Brudermüller § 1567 Rn. 3.

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Neben der räumlichen Trennung muss zumindest ein Ehegatte einen erkennbaren Trennungswillen haben, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt und nicht bereit ist, die häusliche Gemeinschaft wiederherzustellen. Daran fehlt es, wenn die Trennung der Ehegatten aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen erfolgt ist.

Beispiel

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Längerer Klinik- oder Sanatoriumsaufenthalt, längere Tätigkeit eines Ehegatten im Ausland.

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Ein Trennungswille der Ehegatten fehlt selbst bei einem längeren Gefängnisaufenthalt, sofern daneben nicht Gründe erkennbar sind, die auf ein gestörtes Ehegattenverhältnis schließen lassen.

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Ein Zusammenleben der Ehegatten über kürzere Zeit, das nach dem Willen der Ehegatten der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, hemmt nach § 1567 Abs. 2 die in § 1566 bestimmten Fristen nicht. Bei der Länge des Versöhnungsversuchs geht die Rechtsprechung

OLG Zweibrücken Beschl. v. 3.11.1980 (Az. 6 WF 93/80) = FamRZ 1981, 146; OLG Düsseldorf Beschl. v. 11.5.1994 (Az. 2 WF 79/94) = FamRZ 1995, 96. davon aus, dass der Zeitraum von 3 Monaten die Obergrenze darstellt und bei mehrfachen Versöhnungsversuchen die einzelnen Zeitspannen zu addieren sind. Wird die zeitliche Obergrenze erkennbar überschritten, gilt die bisherige Trennung ab dem Zusammenleben als aufgehoben. Das Trennungsjahr beginnt bei einer erneuten Trennung dann neu, ohne Anrechnung der bisherigen Trennungszeit.

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Das Getrenntleben hat zur Folge, dass der bedürftige Ehegatte gegen den unterhaltsverpflichteten Ehegatten einen Anspruch auf Trennungsunterhalt hat.

Siehe oben unter Rn. 83 ff. Nach § 1361a findet während der Trennung das Verteilungsverfahren über die Hausratsgegenstände statt, das sich nach §§ 200 ff. FamFG richtet. Die Schlüsselgewalt des § 1357 und die Eigentumsvermutung des § 1362 entfallen nach §§ 1357 Abs. 3, 1362 Abs. 1 S. 2, wenn die Ehegatten getrennt leben. Dagegen findet nach h.M.Palandt-Brudermüller § 1369 Rn. 2. die Vorschrift des § 1369 wegen der Sicherung des Zugewinnausgleichs auch während der Trennung Anwendung.

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Während der Trennungszeit ist ein Antrag unzulässig, mit dem ein Ehegatte als Alleineigentümer der Ehewohnung nach § 985 BGB von dem anderen Ehegatten die Herausgabe der Ehewohnung verlangen kann. Anspruchsgrundlage ist allein § 1361b. Verfahrensrechtlich handelt es sich um eine Ehewohnungssache nach §§ 111 Nr. 5, 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. Die Ehewohnung behält diese Eigenschaft während der gesamten Trennungszeit, unabhängig davon, welcher Ehegatte sie bewohnt. Nur bei wesentlicher Veränderung der zugrunde liegenden Umstände kann der Alleineigentümer, der die Ehewohnung nicht bewohnt, eine Änderung der Überlassungsregelung gemäß § 1361 b Abs. 1 verlangen.

BGH Beschl. v. 28.9.2016 (Az. XII ZB 487/15) = BGHZ 212, 133.

II. Scheidungsfolgen

1. Ehegattenunterhalt

 

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Unterhaltsanspruch

I.

Vorliegen eines Unterhaltstatbestands, §§ 1570–1573, 1575, 1576

II.

Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten, § 1578

III.

Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten, § 1577 Abs. 1

IV.

Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten, § 1581

V.

Kein Ausschluss des Unterhaltsanspruchs, §§ 1579, 1585c

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Der Gesetzgeber hat durch das UÄndG v. 21.12.2007 zum 1.1.2008 die Vorschriften über den Ehegattenunterhalt reformiert und den Grundsatz der Eigenverantwortung der Ehegatten in den Vordergrund gestellt. Nach § 1569 obliegt es nunmehr nach der Scheidung jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Der hierin zum Ausdruck kommende Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung wird in § 1577 Abs. 1 konkretisiert, wonach geschiedene Ehegatten gehalten sind, ihren Unterhaltsbedarf in erster Linie aus eigenem Einkommen und aus eigenem Vermögen zu decken.

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Ein Ehegatte hat nur Anspruch auf Unterhalt, wenn die in §§ 1570–1573, 1575, 1576 geregelten Unterhaltstatbestände erfüllt sind.

a) Betreuungsunterhalt

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Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt ist im Kindesinteresse gemäß §§ 1577 Abs. 4 S. 2, 1582 i.V.m. §§ 1609 Nr. 2, 1579 Nr. 1 privilegiert. Nach § 1570 Abs. 1 S. 1 kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Ehegatten wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinsamen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich gemäß 1570 Abs. 1 S. 2, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 S. 2 ist nach dem BGH

BGH Urt. v. 6.5.2009 (Az. XII ZR 114/08) = NJW 2009, 1956. individuell zu prüfen, ob und in welchem Umfang die notwendige Betreuung des Kindes auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Betreuungseinrichtungen gesichert werden könnte. Dabei sind auch die Belange des Kindes zu berücksichtigen, § 1570 Abs. 1 S. 3. Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein auf das Alter der Kinder abstellt, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.BGH Urt. v. 18.3.2009 (Az. XII ZR 74/08) = FamRZ 2009, 770. Die Neuregelung des § 1570 Abs. 1 S. 2 verlangt regelmäßig auch keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 Abs. 1 S. 3) und elternbezogenen (§ 1570 Abs. 2) Gründen ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich.BGH Urt. v. 17.6.2009 (Az. XII ZR 102/08) = FamRZ 2009, 1391. Auch im Falle der Betreuung eines volljährigen behinderten Kindes kommt ein Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt nach § 1570 Abs. 1 S. 2 nur dann in Betracht, wenn dies der Billigkeit entspricht. Das ist nur dann der Fall, wenn die persönliche Betreuung nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 Abs. 1 S. 3) oder elternbezogenen (§ 1570 Abs. 2) Gründen erforderlich ist.BGH Urt. v. 17.3.2010 (Az. XII ZR 204/08) = FamRZ 2010, 802. Sind die Eltern allerdings übereinstimmend der Auffassung, dass eine persönliche Betreuung des gemeinsamen Kindes erforderlich ist, ist für die Bemessung des Betreuungsunterhalts nach § 1570 von der Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung auszugehen. Der Umfang der danach notwendigen persönlichen Betreuung ist dann bei der Bemessung einer Erwerbspflicht des betreuenden Elternteils zu berücksichtigen.BGH Urt. v. 17.3.2010 (Az. XII ZR 204/08) = FamRZ 2010, 802.

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Im Fall des Wechselmodells haben grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterhalt des Kindes einzustehen. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten Der dem Kind von einem Elternteil während dessen Betreuungszeiten im Wechselmodell geleistete Naturalunterhalt führt allerdings nicht dazu, dass ein Barunterhaltsanspruch nicht geltend gemacht werden kann. Der geleistete Naturalunterhalt ist vielmehr nur als (teilweise) Erfüllung des Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen. Der Unterhaltsanspruch kann in zulässiger Weise vom Kind gegen den besserverdienenden Elternteil geltend gemacht werden. Dass er sich auf den Ausgleich der nach Abzug von den Eltern erbrachter Leistungen verbleibenden Unterhaltsspitze richtet, macht ihn nicht zu einem - nur zwischen den Eltern bestehenden - familienrechtlichen Ausgleichsanspruch. Das Kindergeld ist auch im Fall des Wechselmodells zur Hälfte auf den Barbedarf des Kindes anzurechnen. Der auf die Betreuung entfallende Anteil ist zwischen den Eltern hälftig auszugleichen. Der Ausgleich kann in Form der Verrechnung mit dem Kindesunterhalt erfolgen.

BGH Beschl. v. 11.1. 2017 (Az. XII ZB 565/15) = BGHZ 213, 254.

b) Unterhalt wegen Alters

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Nach § 1571 kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, soweit im Zeitpunkt der Scheidung, der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1572, 1573 von ihm wegen seines Alters eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann. Die Vorschrift des § 1571, dessen Wortlaut durch die zum 1.1.2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsreform keine Änderung erfahren hat, erstreckt die nachwirkende unterhaltsrechtliche Mitverantwortung des wirtschaftlich stärkeren Ehegatten auf eine altersbedingte Bedürfnislage, wobei das Alter ursächlich für die Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit sein muss. Dagegen muss die Unterhaltsbedürftigkeit nicht ehebedingt sein.

BGH Urt. v. 8.12.1982 (Az. IVb ZR 331/81) = NJW 1983, 683. Ein Anspruch aus § 1571 kommt daher auch dann in Betracht, wenn der berechtigte Ehegatte nicht erst während der Ehezeit alt geworden ist, sondern bereits im Zeitpunkt der Eheschließung wegen Alters einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen konnte.

c) Unterhalt wegen Krankheit oder wegen eines sonstigen Gebrechens

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Ein geschiedener Ehegatte kann nach § 1572 von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, solange und soweit im Zeitpunkt der Scheidung, der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573 an von ihm wegen Krankheit oder anderer Gebrechen bzw. Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Der Unterhaltsanspruch setzt voraus, dass die Krankheit ursächlich für die Erwerbsunfähigkeit ist. Die Krankheit muss zu den in § 1572 Nr. 1–4 genannten Zeitpunkten

BGH Urt. v. 18.10.1989 (Az. IVb ZR 89/88) = FamRZ 1990, 260. bestehen. Bei einer erst nach der Scheidung auftretenden Krankheit ist es gerechtfertigt, diese Risiken dem Unterhaltsbedürftigen zuzuweisen. Dafür reicht allerdings nicht aus, dass die Krankheit des Ehegatten erst nach der Scheidung festgestellt worden ist. Entscheidend ist allein, ob die Krankheit schon während der Ehe vorhanden war. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn während der Ehe nur eine Anlage zur Krankheit bestand.Palandt-Brudermüller § 1572 Rn. 2. Nach der Rechtsprechung des BGHBGH Urt. v. 27.4.1988 (Az. IVb ZR 58/87) = FamRZ 1988, 930, 931; BGH Urt. v. 9.2.1994 (Az. XII ZR 183/92) = FamRZ 1994, 566; BGH Urt. v. 10.7.1996 (Az. XII ZR 121/95) = FamRZ 1996, 1272, 1273. ist es für einen Anspruch aus § 1572 nicht notwendig dass die Erwerbsunfähigkeit des Ehegatten durch die Ehe bedingt ist. Sie kann daher bereits im Zeitpunkt der Heirat vorhanden gewesen sein.

d) Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt

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Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570–1572 hat, kann er nach § 1573 Abs. 1 Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. Der Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 ist gegenüber den Unterhaltsansprüchen nach den §§ 1570–1572, 1575 subsidiär. Erst wenn nach diesen Tatbeständen kein Unterhalt beansprucht werden kann, ist in die Prüfung des § 1573 Abs. 1 einzutreten.

BGH Urt. v. 10.2.1988 (Az. IVb ZR 16/87) = NJW-RR 1988, 1218.

Die Erwerbsobliegenheit ist nur auf die Aufnahme einer angemessenen Beschäftigung i.S.d. § 1574 Abs. 2 gerichtet. Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten der früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht, soweit eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Bei den ehelichen Lebensverhältnissen sind insbesondere die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes zu berücksichtigen.

Um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu erreichen, sind alle zumutbaren Mittel einzusetzen.

BGH Urt. v. 27.1.1993 (Az. XII ZR 206/91) = NJW-RR 1993, 898. Die Erwerbsobliegenheit hat sowohl subjektive als auch eine objektive Komponenten, weil sie an Alter, an die Qualifikation, an die bisher ausgeübte Tätigkeiten und an den Arbeitswillen anknüpft, andererseits aber auch in engem Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt steht. Der BundesgerichtshofBGH Urt. v. 21.9.2011 (Az. XII ZR 121/09) = FamRZ 2011, 1851; BGH Urt. v. 30.7.2008 (Az. XII ZR 126/06) = FamRZ 2008, 2104. hat seine bisherige Rechtsprechung zur Erwerbsobliegenheit und zu den daraus sich ergebenden Anforderungen an die Bemühungen um die Erlangung einer Beschäftigung bekräftigt und hervorgehoben, dass es erforderlich ist, sich unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel nachhaltig um eine angemessene Beschäftigung zu bemühen. Soweit es zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, obliegt es dem geschiedenen Ehegatten nach § 1574 Abs. 3 auch, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, wenn ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist.

Ist dem Unterhaltsberechtigten nur eine Teilerwerbstätigkeit zumutbar, ergibt sich ein ergänzender Anspruch auf Unterhalt aus § 1573 Abs. 2.

BGH Urt. v. 27.1.1993 (Az. XII ZR 206/91) = NJW-RR 1993, 898. Das gleiche gilt, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht ausreichen. In diesem Fall kann der Ehegatte, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570–1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 verlangen (Aufstockungsunterhalt). Nach § 1573 Abs. 3 gilt dies entsprechend, wenn Unterhalt nach §§ 1570–1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind (Anschlussunterhalt). Der geschiedene Ehegatte kann gemäß § 1573 Abs. 4 auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen und es ihm trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelingt, eine Erwerbstätigkeit zur Sicherung seines Unterhalts zu finden.

e) Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung

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Nach § 1575 Abs. 1 S. 1 kann ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er nach der Scheidung eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu erlangen, die seinen Unterhalt nachhaltig sichert, und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist. Nach § 1575 Abs. 2 gilt entsprechendes, wenn sich der geschiedene Ehegatte fortbilden oder umschulen lässt, um Nachteile auszugleichen, die durch die Ehe eingetreten sind.

f) Unterhalt aus Billigkeitsgründen

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Nach § 1576 S. 1 kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit und solange aus sonstigen schwerwiegenden Gründen von ihm eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre. Schwerwiegende Gründe dürfen gemäß § 1576 S. 2 nicht allein deswegen berücksichtigt werden, weil sie zum Scheitern der Ehe geführt haben.

g) Unterhaltsbedarf

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Nach § 1578 bestimmt sich das Maß des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen.

Bis zum 31.12.2007 wurde durch § 1578 BGB a.F. die sog. Lebensstandardgarantie statuiert. Zielrichtung war es, dem Unterhaltsgläubiger auch für die Zeit nach der Ehescheidung den in der Ehe erreichten Lebensstandard zu erhalten, der das Ergebnis gemeinsamer Arbeit der Ehegatten war. Zudem sollte ein sozialer Abstieg des Unterhaltsgläubigers vermieden werden.

BGH Urt. v. 27.4.1983 (Az. IVb ZR 372/81) = LM Nr. 21 zu § 1578 BGB.

Geprägt wurden die ehelichen Lebensverhältnisse nach der früheren Rechtsprechung des BGH

BGH Urt. v. 16.3.1988 (Az. IVb ZR 40/87) = NJW 1988, 2034. durch die Einkommens- und die Vermögenssituation der Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung. Auf Dauer angelegte Veränderungen des Einkommens zwischen der Trennung und der Scheidung wurden in der Regel als prägend für die eheliche Lebensgemeinschaft angesehen, da die Ehegatten auch während der Trennungsphase an der Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse teilhaben.BGH Urt. v. 25.11.1998 (Az. XII ZR 98/97) = NJW 1999, 717. Das galt allerdings nur, wenn die Veränderungen nicht auf einer unerwarteten vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung der Einkommensverhältnisse seit der Trennung beruht haben.BGH Urt. v. 8.2.1984 (Az. IVb ZR 54/82) = NJW 1984, 1685.

Durch das am 1.1.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts

UnterhaltsrechtsänderungsG v. 21.12.2007 (BGBl. I S. 3189). hat der Gesetzgeber in § 1569 BGB die Eigenverantwortlichkeit des Unterhaltsberechtigten verstärkt.

Mit der Betonung der Eigenverantwortlichkeit korrespondiert die Einfügung der neuen Regelung des § 1578b. Die bislang in § 1578 Abs. 1 BGB a.F. vorgesehenen Möglichkeiten der zeitlichen Befristung und höhenmäßigen Begrenzung des nachehelichen Unterhaltes sind nunmehr Inhalt der neugeschaffenen Norm des § 1578b, allerdings in der Form, dass Beschränkungen jetzt nicht mehr nur erfolgen können, sondern zwingend zu veranlassen sind, wenn nicht besondere Ausnahmetatbestände vorliegen. Zielrichtung des Gesetzgebers ist es, unter wesentlich stärkerer Hervorhebung des Gedankens der nachehelichen Eigenverantwortlichkeit eine Beschränkung von Unterhaltsansprüchen anhand objektiver Billigkeitsmaßstäbe sowie orientiert an der Frage zu erleichtern, inwieweit ehebedingte Nachteile auszugleichen sind.

BT-Drs. 16/1830, S. 29; Dose FamRZ 2007, 1289–1298. Die Vorschrift des § 1578b wurde durch das Gesetz zur Durchführung des Haager Übereinkommens v. 23.11.2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen sowie zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des internationalen UnterhaltsverfahrensrechtsBGBl. I 2013, Nr. 9; vgl. auch BT-Drs. 17/11885. dahin geändert, dass der Stellenwert der Ehedauer erhöht wird. Die Ehedauer wird im Rahmen der maßgeblichen Kriterien nunmehr gleichberechtigt neben den ehebedingten Nachteilen genannt. Der Gesetzgeber hat durch die Änderung der Vorschrift auf die ausgeübte Kritik reagiert, dass unterhaltsbedürftige Ehegatten aus so genannten „Alt-Ehen“ durch die in Form des § 1578b neu geschaffene Möglichkeit der stärkeren Beschränkung nachehelicher Unterhaltsansprüche besonders hart getroffen würden. Die Ehegatten hätten teilweise lange vor der Gesetzesreform zum 1.1.2008 geheiratet und keine Chance gehabt, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Es sei der Eindruck entstanden, dass in der Rechtsprechung der Instanzgerichte der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt häufig „automatisch“ befristet werde, sofern ein ehebedingter Nachteil nicht festzustellen sei; in diesen Fällen würden die weiteren Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Dauer der Ehe, im Rahmen der Billigkeitsabwägung nicht hinreichend beachtet. Eine „automatische“ Beschränkung des Unterhaltsanspruchs habe aber nicht der Intention des Reformgesetzgebers von 2008 entsprochen. Angesichts der inzwischen entstandenen Unsicherheit erscheine eine gesetzliche Klarstellung angebracht.BT-Drs. 17/11885, S. 5, 6; Born Erhöhter Stellenwert der Ehedauer im Unterhaltsrecht – Klarstellung oder „Reform der Reform“? = NJW 2013, 561.

Im Rahmen der Gesetzesänderung zum 1.1.2008 habe der Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass im Spannungsverhältnis zwischen dem – durch die Gesetzesänderung stärker betonten – Grundsatz der Eigenverantwortung einerseits und der fortwirkenden nachehelichen Solidarität andererseits in jedem Einzelfall eine angemessene und für beide Seiten gerechte Lösung gefunden werden müsse. Auch die Dauer der Ehe sei hier von besonderer Bedeutung. Nicht nur bei Unterhaltsansprüchen wegen Alters oder Krankheit, sondern auch bei Ansprüchen wegen Arbeitslosigkeit sei im Rahmen der Frage einer Beschränkung des Unterhaltsanspruchs wesentlich auf die Dauer der Ehe abzustellen. Auch der BGH habe deutlich gemacht, dass eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt unzulässig sein könne, wenn zwar keine ehebedingten Nachteile vorlägen, eine Beschränkung aber mit Blick auf die insbesondere bei Ehen von langer Dauer gebotene nacheheliche Solidarität unbillig erscheine.

BGH Urt. v. 6.10.2010 (Az. XII ZR 202/08) = juris Rn. 19 ff.; Born Erhöhter Stellenwert der Ehedauer im Unterhaltsrecht – Klarstellung oder „Reform der Reform“? = NJW 2013, 561. Eine derartige Verpflichtung der Ehegatten zur nachehelichen Solidarität führe zu einem Ausgleich angesichts einer fehlgeschlagenen Lebensplanung der Ehegatten. Die gesetzliche Klarstellung erfolge durch die eigenständige Nennung des Tatbestandsmerkmals der Ehedauer als weiteren Billigkeitsmaßstab für die Herabsetzung von Unterhaltsansprüchen neben dem Bestehen ehebedingter Nachteile.BT-Drs. 17/11885, S. 5, 6; Born Erhöhter Stellenwert der Ehedauer im Unterhaltsrecht – Klarstellung oder „Reform der Reform“? = NJW 2013, 561. Trotz langer Ehedauer kann eine Befristung vorgenommen werden, wenn die Einkommensdifferenz nicht auf ehebedingten Nachteilen, sondern auf unterschiedlicher Lebensstellung (Ausbildung, beruflicher Status) der Beteiligten zum Zeitpunkt der Heirat beruht oder die Ehefrau vollschichtig im erlernten Beruf tätig ist. Je mehr die Bedürftigkeit dagegen auf einer gewachsenen wirtschaftlichen Abhängigkeit (mit der Ehedauer als Indiz) und auf ehebedingten Umständen beruht, desto weniger kommt eine Befristung in Betracht. Die Ehedauer führt für sich allein nicht zwangsläufig zu einer Einschränkung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit, entfaltet ihren Stellenwert aber in der Wechselwirkung mit der Aufgabenverteilung in der Ehe.Born Erhöhter Stellenwert der Ehedauer im Unterhaltsrecht – Klarstellung oder „Reform der Reform“? = NJW 2013, 561 m.w.N.

Der BGH hat wegen des in § 1569 geregelten Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit daran festgehalten, dass nacheheliche Einkommenssteigerungen des Unterhaltspflichtigen sich nur dann bedarfssteigernd auswirken, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde liegt, die aus der Sicht im Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Dagegen werden Einkommenssteigerungen nicht mehr als „durch die Ehe geprägt“ angesehen, wenn sie auf einem Karrieresprung beruhen. Auch wenn der BGH in seiner aktuellen Rechtsprechung nicht mehr an die Rechtskraft der Ehescheidung als maßgeblichem Stichtag zur Ermittlung der prägenden Einkommensverhältnisse anknüpft, so hat er gleichwohl die unverändert geltende Anknüpfung an § 1578 Abs. 1 S. 1 hervorgehoben. Der BGH macht lediglich die Qualifizierung einer unerwarteten oder überdurchschnittlichen Einkommensveränderung als Ergebnis eines Karrieresprungs nicht davon abhängig, ob sie noch vor oder erst nach Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten ist. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn sich eine nach der Trennung erstmalig aufgenommene oder ausgeweitete Erwerbstätigkeit als Surrogat für die während der Ehe vorgenommene Haushaltsführung oder Kinderbetreuung darstellt. Die insoweit zumutbar erzielten Einkünfte werden als durch die Ehe geprägt angesehen.

In der zwischenzeitlich aufgegebenen Rechtsprechung zu den „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen“ hat der BGH die Auffassung vertreten, dass nacheheliche Entwicklungen schon bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden müssten und hiervon auch das Hinzutreten vor- oder gleichrangiger Unterhaltsberechtigter erfasst sein könne. Diese Rechtsauffassung hatte der BGH in seiner weiteren Rechtsprechung bestätigt, d.h. bei der Bedarfsermittlung des geschiedenen Ehegatten auch den Unterhaltsbedarf von in zweiter Ehe des Unterhaltsschuldners geborenen Kindern berücksichtigt. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG hat der BGH diese Rechtsprechung allerdings korrigiert. Bedarfsprägend ist danach allein das vor Rechtskraft der Scheidung für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehende Einkommen des Unterhaltsschuldners unter Berücksichtigung der bis zu diesem Zeitpunkt hinzutretenden Unterhaltspflichten. Bedarfsprägend sind damit ausdrücklich nicht die Unterhaltspflichten für einen neuen Ehegatten, für nachehelich geborene Kinder sowie eine etwaig nach der Ehescheidung eingetretene Unterhaltspflicht gemäß § 1615l.

h) Unterhaltsbedürftigkeit

216

Gem. § 1577 Abs. 1 kann der geschiedene Ehegatte – vorbehaltlich der Ausnahme in § 1577 Abs. 2 S. 1 – keinen Unterhalt verlangen, solange und soweit er sich aus seinen Einkünften und aus seinem Vermögen selbst unterhalten kann. Der Ehegatte muss sich auf seinen Unterhaltsanspruch alle Einkünfte aus einer zumutbaren Tätigkeit anrechnen lassen. Unterlässt er eine solche Tätigkeit muss er sich auch fiktive Einkünfte, d.h. Einkommen, das er in zumutbarer Weise hätte erzielen können, anrechnen lassen.

BGH Urt. v. 24.10.1979 (Az. IV ZR 171/78) = LM Nr. 1 zu § 1573 BGB; BGH Urt. v. 8.7.1981 (Az. IVb ZR 593/80) = LM Nr. 14 zu § 1361 BGB; BGH Urt. v. 11.1.1995 (Az. XII ZR 122/93) = NJW 1995, 963; BGH Urt. v. 21.9.2011 (Az. XII ZR 121/09) = FamRZ 2011, 1851. Bei der Heranziehung fiktiver Einkünfte ist neben der Arbeitsmarktlage auch die persönliche Erwerbsbiographie des Unterhaltsgläubigers zu berücksichtigen. Die Anrechenbarkeit dieser Einkünfte kann allerdings unter dem Aspekt der Zumutbarkeit, bzw. nach Treu und Glauben oder aus Billigkeitsgesichtspunkten eine Einschränkung erfahren. Bei der Ermittlung der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten ist als Einkommen auch die ersparte Miete zu berücksichtigen, wenn er einen Wohnvorteil durch eine in seinem Eigentum stehende Immobilie hat.

i) Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners

217

Ist der Unterhaltsverpflichtete nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen und unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren. braucht der Verpflichtete nach § 1581 S. 1 nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und auf die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Dem Unterhaltspflichtigen ist hierbei ein Mindestselbstbehalt zur Deckung seines Eigenbedarfs zu belassen.

Der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen bemisst sich nach den gleichen Maßstäben wie der Unterhalt des Unterhaltsgläubigers gemäß § 1578.

BGH Urt. v. 18.10.1989 (Az. IV b ZR 89/88) = BGHZ 109, 72. Den Stamm des Vermögens braucht er gemäß § 1581 S. 2 nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Ist der Unterhaltsverpflichtete leistungsfähig, muss er 3/7 seines Einkommens an den unterhaltsbedürftigen Ehegatten als Ehegattenunterhalt zahlen. Der erwerbstätige Ehegatte erhält für die Erwerbstätigkeit einen Bonus in Höhe von 1/7.BGH Urt. v. 16.4.1997 (Az. XII ZR 233/95) = FamRZ 1997, 807. Arbeiten beide Ehegatten und verdient der eine Ehegatte erheblich mehr als der andere, kann der Unterhaltsberechtigte 3/7 der Differenz der Einkommen (Aufstockungsunterhalt) verlangen, wenn er insoweit unterhaltsbedürftig ist.

Der laufende Unterhalt ist nach § 1585 Abs. 1 S. 1 durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren. Die Rente ist monatlich im Voraus zu entrichten. Statt der Rente kann der Berechtigte nach § 1585 Abs. 2 auch eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und der Verpflichtete dadurch nicht unbillig belastet wird. Nach § 1585a Abs. 1 S. 1 hat der Verpflichtete auf Verlangen für den Unterhalt Sicherheit zu leisten. Diese Verpflichtung entfällt nach § 1585a Abs. 1 S. 2, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass die Unterhaltsleistung gefährdet ist oder wenn der Verpflichtete durch die Sicherheitsleistung unbillig belastet würde.

Nach § 1585b Abs. 1 kann Unterhalt für die Vergangenheit nur wegen eines Sonderbedarfs i.S.d. § 1613 Abs. 2 verlangt werden. Im Übrigen kann der Unterhaltsberechtigte gemäß § 1585b Abs. 2 für die Vergangenheit Erfüllung des Unterhalts oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur entsprechend § 1613 Abs. 1 S. 1 fordern. Nach dieser Vorschrift muss der Unterhaltsverpflichtete zur Auskunft über seine Einkünfte aufgefordert oder mit der Unterhaltszahlung in Verzug gesetzt worden sein oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig sein.

Hinweis

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Für den Eintritt des Verzugs hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs reicht eine Mahnung in Bezug auf den Trennungsunterhalt nicht aus, da Trennungs- und nachehelicher Unterhalt nicht identisch sind.

BGH Urt. v. 29.4.1992 (Az. XII ZR 105/91) = FamRZ 1992, 920.

Für eine mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit kann Erfüllung des Unterhalts oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 1585b Abs. 3 nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass der Verpflichtete sich der Leistung absichtlich entzogen hat.

Im Familienrecht finden sich keine Vorschriften über die Zahlung von Unterhalt für die Zukunft. Nach Auffassung des BGH

BGH Urt. v. 16.6.1993 (Az. XII ZR 6/92) = BGHZ 123, 49. braucht der Unterhaltsverpflichtete Vorauszahlungen auf einen monatlich fällig werdenden nachehelichen Unterhalt nur für einen Zeitraum von sechs Monaten vornehmen.

j) Versagung des Unterhalts

218

Ein Unterhaltsanspruch ist nach § 1579 zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil:

1. Die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann,

2. der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt,

3. der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat,

4. der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat,

5. der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat,

6. der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat,

7. dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder

8. ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.

Hinweis

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Die Vorschrift des § 1579 verdrängt § 242. In der Praxis ist die in § 1579 Nr. 2 geregelte verfestigte Lebensgemeinschaft der häufigste Verwirkungstatbestand.

Ein Unterhaltsanspruch besteht auch dann nicht, wenn die Ehegatten nach § 1585c S. 1 einen Unterhaltsverzicht vereinbart haben. Nach § 1585c S. 2 bedarf eine Vereinbarung, die vor Rechtskraft der Scheidung getroffen wird, der notariellen Beurkundung.

2. Versorgungsausgleich

219

Anrechte der Ehegatten, die sie während der Ehe aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge erworben haben, werden gemäß § 1587 nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes zwischen Ihnen ausgeglichen. Nach § 1408 Abs. 2 i.V.m. § 6 ff. VersAusglGnnen die Ehegatten eine abweichende Vereinbarung treffen.

3. Sorgerecht für gemeinsame Kinder

220

Expertentipp

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Siehe zum Sorgerecht auch ausführlich unter Rn. 275.

Nach § 1626 Abs. 1 S. 1 haben die Ehegatten als Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst nach § 1626 Abs. 1 S. 2 die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und für das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Die elterliche Sorge steht den Ehegatten nach Art. 6 Abs. 2 GG gemeinsam zu. Beantragen die Ehegatten bei der Scheidung keine Sorgerechtsregelung in Bezug auf die gemeinsamen Kinder, bleibt das gemeinsame Sorgerecht bestehen.

221

Bei einem Getrenntleben der Ehegatten kann jeder Elternteil gemäß § 1671 Abs. 1 beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 1 stattzugeben, soweit der andere Elternteil zugestimmt hat und kein Widerspruch eines Kindes vorliegt, das das 14. Lebensjahr vollendet hat. Fehlt es an einer Zustimmung des anderen Elternteils, hat das Familiengericht gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 zu prüfen, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Da nach Art. 6 Abs. 2 GG das Sorgerecht für ein gemeinsames Kind beiden Elternteilen zusteht, müssen sich die Gerichte bei der Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit Teilentscheidungen – als milderes Mittel – zu begnügen, wo immer dies dem Kindeswohl Genüge tut.

BVerfG Beschl. v. 1.3.2004 (Az. 1 BvR 738/01) = FamRZ 2004, 1015. Vor der Entscheidung über eine Sorgerechtsübertragung ist das Kind nach § 159 FamFG persönlich zu hören. Ist das Kind über 14 Jahre als, kann es einer beantragten Sorgerechtsregelung widersprechen, § 1671 Abs. 2 Nr. 1. Nach §§ 160, 162 FamFG sind auch die Eltern und das Jugendamt anzuhören. Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht gemäß § 1628 S. 1 auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. In einem solchen Fall ergeht keine Sorgerechtsübertragung auf einen Elternteil.

Beispiel

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Die Eltern können sich nicht darüber einigen, welche Schule das Kind besuchen soll.

222

Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen nach § 1687 Abs. 1 S. 1 erforderlich. Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat nach § 1687 Abs. 1 S. 2 die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Das sind nach § 1687 Abs. 1 S. 3 in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Weiter hat dieser Elternteil nach § 1687 Abs. 1 S. 3 die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung (Ernährung, Kleidung etc.). Die elterliche Sorge umfasst auch das Vertretungsrecht für das Kind in den Angelegenheiten des täglichen Lebens, § 1629 Abs. 1 S. 1. Bei Grundsatzentscheidungen, d.h. in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ist nach § 1687 Abs. 1 S. 1 das gegenseitige Einvernehmen der Eltern erforderlich. Bei Notmaßnahmen und bei Gefahr im Verzug steht dem sorgeberechtigtem Elternteil gemäß § 1629 Abs. 1 S. 4 ein alleiniges Vertretungsrecht zu. Solange sich das Kind mit Einwilligung des sorgeberechtigten Elternteils oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die alleinige Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung, § 1687 Abs. 1 S. 4.

4. Umgangsrecht

223

Nach § 1684 Abs. 1 hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, unabhängig davon, welches Elternteil das Sorgerecht hat. Umgekehrt ist auch jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Die Eltern haben gemäß § 1684 Abs. 2 S. 1 alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und dessen Ausübung auch gegenüber Dritten näher regeln, § 1684 Abs. 3 S. 1.

Hinweis

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Die angemessenen Kosten des Umgangs eines barunterhaltspflichtigen Elternteils mit seinem Kind können dann zu einer maßvollen Erhöhung des Selbstbehalts oder einer entsprechenden Minderung des unterhaltsrelevanten Einkommens führen, wenn dem Unterhaltspflichtigen das anteilige Kindergeld gem. § 1612b Abs. 5 ganz oder teilweise nicht zu Gute kommt und er die Kosten nicht aus den Mitteln bestreiten kann, die ihm über den notwendigen Selbstbehalt hinaus verbleiben.

BGH Urt. v. 23.2.2005 (Az. XII ZR 56/02) = FamRZ 2005, 706; BGH Urt. v. 29.1.2003 (Az. XII ZR 289/01) = FamRZ 2003, 445 ff.; Aufgabe von BGH Urt. v. 19.6.2002 (Az. XII ZR 173/00) = BGHZ 151, 155.

224

Nach Ansicht des BGH

BGH Beschl. v. 1.2.2017 (Az. XII ZB 601/15) = BGHZ 214, 31. wird eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, vom Gesetz nicht ausgeschlossen. Auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil hindert eine solche Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender Maßstab der Regelung ist vielmehr das im konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl.

Die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung setzt eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus. Dem Kindeswohl entspricht es daher nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit erst herbeizuführen.

Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes. Das Familiengericht ist im Umgangsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht.

Das BVerfG

BVerfG Nichtannahmebeschl. v. 22.1.2018 (Az. 1 BvR 2616/17) = FamRZ 2018, 593. hat eine paritätische Betreuung eines Kindes durch seine getrenntlebenden Eltern als einen vom Gesetzgeber ausgestaltenden Regelfall verneint.

225

Der EGMR

EGMR Urt. v. 28.4.2016 (Az. 20106/13) = FamRZ 2017, 734. hat entschieden, dass der dauerhafte Ausschluss des Umgangsrechtes eines Vaters zu seinem nichtehelichen Kind aus Gründen des Kindeswohls gerechtfertigt sein kann. Allerdings muss ein nationales Gericht das Erfordernis der unbefristeten Verweigerung des Umgangs ausdrücklich begründen. Fehlt es daran, führt dieser Mangel nicht zu einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, da deutsche Gerichte ohnehin gemäß § 1696 Abs. 2 i.V.m. § 166 Abs. 2 FamFG verpflichtet sind, die Situation von Amts wegen regelmäßig zu prüfen. Daraus ergibt sich eine gewisse zeitliche Beschränkung der Entscheidung, das Umgangsrecht zu verweigern. Dies genügt den Anforderungen von Artikel 8 EMRK, so dass keine Verletzung der Konvention vorliegt. Der Vater hat jederzeit das Recht, eine Änderung der Umgangsregeln bzw. eine erneute Gewährung des Umgangsrechts zu beantragen.

226

Jeder Elternteil kann nach § 1686 vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Der Auskunftsanspruch setzt nicht voraus, dass der Auskunftsverpflichtete die Obhut über das Kind ausübt. Grundsätzlich kommt daher auch ein auf Umgangskontakte beschränkter Elternteil als Anspruchsgegner in Betracht. § 1686 kann in entsprechender Anwendung einem Elternteil auch einen Auskunftsanspruch gegenüber Anspruchsgegnern gewähren, die nicht Elternteil, aber in ihrer rechtlichen oder tatsächlichen Stellung einem solchen vergleichbar sind (z.B. Jugendamt).

Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 1686 besteht dann, wenn der Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu unterrichten. Eine solche anderweitige Möglichkeit kann gegebenenfalls der Umgang mit dem Kind darstellen, aber auch in sonstigen Informationsquellen bestehen, wenn diese eine ausreichende Kenntnis von den persönlichen Verhältnissen des Kindes vermitteln.

BGH Beschl. v. 14.12.2016 (Az. XII ZB 345/16) = BGHZ 213, 168.

5. Kindesunterhalt

227

Nach § 1602 Abs. 2 kann ein minderjähriges unverheiratetes Kind von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung von Unterhalt insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen. Der Unterhalt ist gemäß § 1612 Abs. 1 S. 1 durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren, die nach § 1612 Abs. 3 S. 1 monatlich im Voraus zu gewähren ist (Barunterhalt). Nach § 1606 Abs. 3 S. 1 haften Mutter und Vater gleichrangig für den Unterhalt. Der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes (Betreuungsunterhalt), § 1606 Abs. 3 S. 2. Für den anderen Ehegatten bedeutet dies, dass er barunterhaltspflichtig ist und für die Zahlung des Unterhalts auch erwerbstätig sein muss.

228

Sind die Eltern des Kindes noch miteinander verheiratet, so kann ein Elternteil, solange die Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil gemäß § 1629 Abs. 3 S. 1 im eigenen Namen geltend machen (gesetzliche Prozessstandschaft). Die Prozessstandschaft dauert über die Scheidung der Ehe hinaus bis zum Abschluss des Unterhaltsprozesses, wenn die elterliche Sorge für das Kind ihm übertragen worden ist.

BGH Urt. v. 15.11.1989 (Az. IVb ZR 3/89) = FamRZ 1990, 283. Hat ein Ehegatte im Verbundverfahren den Unterhaltsanspruch eines minderjährigen ehelichen Kind geltend gemacht, dann tritt das Kind selbst als Partei in das Verfahren (Parteiwechsel) ein, wenn es volljährig geworden ist und infolgedessen sein Elternteil die Befugnis verloren hat, im eigenen Namen Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend zu machen.BGH Urt. v. 30.1.1985 (Az. IVb ZR 70/83) = FamRZ 1985, 478.

229

Hat ein Elternteil die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind allein erfüllt, so hat er nach der Rechtsprechung des BGH

BGH Urt. v. 26.4.1989 (Az. IVb ZR 42/88) = FamRZ 1989, 850; BGH Urt. v. 25.5.1994 (Az. XII ZR 78/93) = NJW 1994, 2234.einen auf § 242 gestützten familienrechtlichen Ausgleichsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil. Dieser Ausgleichsanspruch beruht auf der Unterhaltspflicht beider Eltern gegenüber ihrem Kind und ergibt sich aus der Notwendigkeit, die Unterhaltslast entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen.BGH Urt. v. 26.4.1989 (Az. IVb ZR 42/88) = FamRZ 1989, 850. Der BGH hat den Anspruch an die Voraussetzung geknüpft, dass der Elternteil, der den Unterhalt geleistet hat, mit seiner Leistung eine – im Innenverhältnis der Ehegatten zueinander – dem anderen Elternteil obliegende Verpflichtung gegenüber dem Kind erfüllt hat. Für die Vergangenheit kann der familienrechtliche Ausgleichsanspruch nur unter den Voraussetzungen des § 1613 geltend gemacht werden.

Im Scheidungsbeschluss kann auch der Kindesunterhalt für gemeinsame Kinder der Ehegatten geregelt werden, §§ 111 Nr. 8, 137 Abs. 2 Nr. 2 FamFG.

6. Namensrecht

230

Der geschiedene Ehegatte behält nach § 1355 Abs. 5 S. 1 den Ehenamen. Er kann gemäß § 1355 Abs. 5 S. 2 durch Erklärung gegenüber dem Standesamt seinen Geburtsnamen oder den Namen wieder annehmen, den er bis zur Bestimmung des Ehenamens geführt hat, oder dem Ehenamen seinen Geburtsnamen oder den zur Zeit der Bestimmung des Ehenamens geführten Namen voranstellen oder anfügen. Der Ehegatte kann den Ehenamen auch zum Ehenamen in einer neuen Ehe bestimmen.

BVerfG Urt. v. 18.2.2004 (Az. 1 BvR 193/97) = NJW 2004, 1155.

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