BGB Allgemeiner Teil 2

Umdeutung (§ 140)

B. Umdeutung (§ 140)

I. Funktion

465

Sinn und Zweck der Umdeutung nach § 140 ist es, die Absicht der handelnden Personen, einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg zu erreichen, auch dann zu verwirklichen, wenn das von ihnen gewählte rechtliche Mittel unwirksam ist, ein anderes zulässiges Mittel jedoch, das ihrem hypothetischen Willen entspricht, den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg herbeizuführen vermag.

BGH NJW 1998, 896.

466

Die Umdeutung tritt kraft Gesetzes ein und muss vom Richter vom Amts wegen beachtet werden.

Palandt-Ellenberger § 140 Rn. 1.

Beispiel

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Mieter M kündigt dem Vermieter V den unbefristeten Wohnraummietvertrag fristlos. Es besteht jedoch kein wichtiger Grund i.S.d. §§ 543, 569, der den M zur fristlosen Kündigung berechtigt hätte. Darf die fristlose Kündigung in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden?

II. Objektive Voraussetzungen

1. Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts

467

Das – ausgelegte Rechtsgeschäft – muss nichtig, also endgültig unwirksam sein, wobei alle Unwirksamkeitsgründe in Betracht kommen. Wichtig ist, dass methodisch zunächst der Inhalt des Rechtsgeschäfts durch Auslegung ermittelt wird. Die Auslegung geht der Umdeutung also vor. Erst wenn durch Anwendung der Auslegungsregeln die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts festgestellt wird, kommt die Umdeutung als nächster Schritt in Betracht.

Palandt-Ellenberger § 140 Rn. 4.

Im Beispiel müsste also erst geprüft werden, ob V die Erklärung des M zumindest als hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung verstehen muss, §§ 133, 157. Dafür müssen aber Anhaltspunkte bestehen, die in der Beispielsschilderung nicht ersichtlich sind.

2. Erfüllung der Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Ersatzgeschäfts

468

Das nichtige Rechtsgeschäft muss sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen des Ersatzgeschäfts aufweisen. Fehlende Voraussetzungen können über § 140 nicht fingiert werden.

Palandt-Ellenberger § 140 Rn. 5.

Im Beispiel kommt eine Umdeutung nur in Betracht, wenn es sich um ein unbefristetes Mietverhältnis handelt (vgl. § 542) und dem V die Kündigungserklärung des M in Schriftform (§ 568) zugegangen ist (§ 130 Abs. 1 S. 1).

3. Keine weiterreichenden Wirkungen des Ersatzgeschäfts

469

Das Ersatzgeschäft darf keine Rechtsfolgen herbeiführen, die weiterreichen als diejenigen, die durch das nichtige Rechtsgeschäft im Falle seiner Wirksamkeit erzielt worden wären. Die Wirkungen des Ersatzgeschäfts sind durch die Wirkungen des ursprünglichen Rechtsgeschäfts begrenzt.

Palandt-Ellenberger § 140 Rn. 6. Das Ersatzgeschäft darf in die Positionen der beteiligten Personen nicht stärker eingreifen und sie nicht in stärkerem Maße verkürzen. Das Ersatzgeschäft muss dem nichtigen Rechtsgeschäft rechtlich allerdings nicht ähnlich oder gar als ,,Minus“ in ihm enthalten sein.Palandt-Ellenberger § 140 Rn. 5.

Im Beispiel würde die fristlose Kündigung zur sofortigen Beendigung des Mietverhältnisses führen (§ 542 Abs. 1), während die ordentliche Kündigung zwar auch zur Beendigung des Mietverhältnisses führt, aber eben erst nach Ablauf der Kündigungsfrist gem. § 573c Abs. 1 S. 1. Durch die Umdeutung würden also keine schäferen Rechtsfolgen begründet.

III. Subjektive Voraussetzungen

470

Da die Umdeutung helfen soll, dem privatautonomen Gestaltungswillen der handelnden Personen über das Vehikel eines Ersatzgeschäfts zumindest teilweise zum Erfolg zu verhelfen, muss das Ersatzgeschäft dem mutmaßlichen Willen der handelnden Personen entsprechen, § 140 Hs. 2.

Im Beispiel kommt es also darauf an, ob M den Mietvertrag in jedem Fall beenden wollte. Dies ist regelmäßig zu bejahen, da M den Mietvertrag ja sogar sofort beenden wollte und nicht ersichtlich ist warum er bei Nichtigkeit seiner fristlosen Kündigung doch wieder am Mietvertrag festhalten möchte.

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