BGB Allgemeiner Teil 2

Verbot des Insichgeschäfts, § 181

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III. Verbot des Insichgeschäfts, § 181

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In der Klausur haben Sie nach Bearbeitung der bisherigen Prüfungsschritte in einem Zwischenergebnis festgestellt, ob der Vertreter bei Vertragsschluss überhaupt gesetzliche Vertretungsmacht oder eine Vollmacht hatte und ob die sich daraus ergebende Vertretungsmacht das Geschäft grundsätzlich abdeckt.

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In der Prüfung ist nun an eine Beschränkung der Vertretungsmacht nach dem allgemeinen Verbot des Insichgeschäfts in § 181 zu denken. Das Verbot des § 181 schränkt sowohl die gesetzliche als auch die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des Vertreters ein, mit der Folge, dass dieser beim Insichgeschäft als Vertreter ohne Vertretungsmacht i.S.d. §§ 177, 180 gehandelt hat.

Palandt-Ellenberger § 181 Rn. 15; Faust BGB AT § 28 Rn. 31.

 

1. Insichgeschäft

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Ein Insichgeschäft liegt bei Vertragsschlüssen dann vor, wenn der Vertreter auf beiden Seiten tätig ist, indem er entweder selbst Vertragspartei ist und zugleich den anderen Vertragspartner vertritt (sog. „Selbstkontrahieren“) oder indem er auf beiden Seiten als Vertreter der Vertragsparteien (sog. „Mehrvertretung“) auftritt.

Beispiel

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„Selbstkontrahieren“: Der Vormund des M kauft dem M eine wertvolle Uhr ab, indem er den Vertrag im eigenen Namen als Käufer und gleichzeitig als Vertreter des M in der Rolle des Verkäufers schließt.

Beispiel

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„Mehrvertretung“: Der Geschäftsführer der X GmbH kauft der GmbH im Namen und mit Vollmacht seiner Frau ein Firmenfahrzeug ab, indem er den Vertrag im Namen seiner Frau als Käuferin und gleichzeitig als Geschäftsführer der X GmbH in deren Namen als Verkäuferin schließt.

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Der Vertrag als Insichgeschäft kommt durch die Erklärungen derselben Person zustande. Das ändert aber nichts daran, dass die Erklärungen – wie sonst auch – nach außen zutage getreten sein müssen. Das Insichgeschäft kann sich also nicht allein gedanklich im Kopf des Vertreters abspielen.

Palandt-Ellenberger § 181 Rn. 23; Faust BGB AT § 28 Rn. 43.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass grundsätzlich niemand die Interessen von zwei verschiedenen Personen gleichzeitig mit der gebotenen Sorgfalt und Umsicht wahrnehmen kann. Beim Insichgeschäft droht für eine Partei typischerweise ein wirtschaftlicher Nachteil, weshalb in § 181 ein generelles Verbot ausgesprochen wurde.

2. Analoge Anwendung bei Umgehungsgeschäften

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Ein Vertreter könnte auf die clevere Idee kommen, den Tatbestand des § 181 zu umgehen, indem er einen weiteren Vertreter einschaltet und damit das Geschäft nicht mehr alleine vornimmt.

Beispiel

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„Selbstkontrahieren“: Im Beispiel oben kauft der Vormund des M dessen wertvolle Uhr ab, indem er den M in der Rolle des Verkäufers vertritt und sich selbst als Käufer von einem eigens hierfür beauftragten Stellvertreter vertreten lässt.

Beispiel

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„Mehrvertretung“: Der Geschäftsführer der X GmbH kauft der GmbH im Namen und mit Vollmacht seiner Frau ein Firmenfahrzeug ab, indem er bei Vertragsschluss seine Frau als Käuferin vertritt. Außerdem bevollmächtigt er als Geschäftsführer der X GmbH einen Dritten, der im Namen der Gesellschaft auf Verkäuferseite handelt.

Da derartige Umgehungstatbestände den Vertretenen im Ergebnis denselben Gefahren aussetzen wie reine Insichgeschäfte, wendet man § 181 hier analog an.

Palandt-Ellenberger § 181 Rn. 12; Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 962; Faust BGB AT § 28 Rn. 38.

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Eine Umgehung liegt aber dann nicht vor, wenn der weitere Vertreter nicht eigens für dieses Geschäft eingeschaltet wurde und dem Vertretenen aufgrund eines besonderen Grundverhältnisses selbstständig verantwortlich ist.

Beispiel

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Der Geschäftsführer der X GmbH kauft der GmbH im Namen und mit Vollmacht seiner Frau ein Firmenfahrzeug ab, indem er bei Vertragsschluss seine Frau als Käuferin vertritt, während die X GmbH durch den bei ihr angestellten Prokuristen P vertreten wird. Der Prokurist ist hier in eigener Verantwortung für die Gesellschaft als seiner Arbeitgeberin tätig, so dass im Hinblick auf die arbeitsvertraglichen Pflichten gerade nicht davon auszugehen ist, die Gesellschaft werde durch ihn unsachgemäß vertreten.

BGHZ 91, 334, 336; Palandt-Ellenberger § 181 Rn. 12; Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 962.

3. Ausnahmen

a) Gestattung durch Einwilligung

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Das Verbot des Insichgeschäfts setzt nach der Formulierung in § 181 voraus, dass dem Vertreter dieses Geschäft nicht gestattet ist.

Die Gestattung kann sich zunächst aus einer vorherigen Zustimmung (= Einwilligung gem. §§ 182, 183) des Vertretenen ergeben.

Palandt-Ellenberger § 181 Rn. 17 ff.; Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 957. Dies folgt aus dem Schutzzweck des § 181, der ja den Vertretenen vor einer unsachgemäßen Vertretung schützen will. Dem Vertretenen steht es frei, auf diesen Schutz freiwillig zu verzichten. Die Gestattung durch Einwilligung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das durch empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Vertreter vorgenommen wird, § 182 Abs. 1. Im Fall der Mehrvertretung ist nach § 182 Abs. 1 auch eine Erklärung gegenüber dem anderen Vertretenen möglich. Die Gestattung ist selbst bei Formbedürftigkeit des vom Vertreter geplanten Rechtsgeschäfts formfrei möglich, § 182 Abs. 2. Sie kann deshalb auch „konkludent“ erteilt oder mit der Vollmachtserteilung verbunden werden.

Beispiel

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A erteilt dem V Innenvollmacht „unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181“. Darin liegt einmal eine Bevollmächtigung nach § 167 Abs. 1 Var. 1 und eine Gestattung nach §§ 182 Abs. 1, 183, Insichgeschäfte vorzunehmen.

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Bis zur Vornahme des Insichgeschäfts ist die Gestattung grundsätzlich widerruflich, § 183 S. 1.

b) Gestattung durch Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag

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Die Mitglieder juristischer Personen oder rechtsfähiger Personengesellschaften können in ihren Satzungen bzw. Gesellschaftsverträgen bestimmen, dass ihre Organe von den Beschränkungen des § 181 befreit sind.

Palandt-Ellenberger § 181 Rn. 19 f. Dann gilt dies automatisch für jedes Organ und muss nicht eigens gegenüber jedem neuen Organmitglied erklärt werden. Möglich ist auch eine Regelung, dass die Befreiung im Einzelfall von dem für die Bestellung zuständigen Organ erteilt werden kann.Palandt-Ellenberger § 181 Rn. 19 f.

c) Gestattung kraft Gesetzes

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Auch durch das Gesetz werden bestimmte Insichgeschäfte gestattet. Dies geschieht zum einen außerhalb des § 181, etwa in § 1009 Abs. 2 oder in § 10 Abs. 3 BBiG.

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Viel wichtiger ist aber die Ausnahme in § 181 Hs. 2 für den Fall, dass das Rechtsgeschäft lediglich der Erfüllung einer Verbindlichkeit dient. Denn durch die Erfüllung droht dem Vertretenen in der Regel keine zusätzliche wirtschaftliche Gefahr mehr, da es lediglich um den Vollzug dessen geht, was bereits verbindlich geregelt ist. Dem Vertretenen bleibt ohnehin keine andere Wahl, als zu erfüllen. Es kann nicht mehr anders entschieden werden. Das setzt aber stets voraus, dass die Verbindlichkeit auch tatsächlich besteht.

Beispiel

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Der nach dem Gesellschaftsvertrag nicht allgemein von den Beschränkungen des § 181 befreite Geschäftsführer G der X GmbH kauft der GmbH im Namen und mit Vollmacht seiner Frau F ein Firmenfahrzeug ab, indem er den Vertrag im Namen der F als Käuferin und gleichzeitig als Geschäftsführer der X GmbH in deren Namen als Verkäuferin schließt. Wenn der G den Pkw an F im Wege des Insichgeschäfts zur Erfüllung des Kaufvertrages nach § 929 übereignet, ist auch die Einigung i.S.d. § 929 S. 1 nach §§ 177 Abs. 1, 181 schwebend unwirksam. Da der Kaufvertrag wegen §§ 177 Abs. 1, 181 noch nicht wirksam ist, besteht auch noch kein vertraglicher Anspruch der F auf Übereignung. Die Übereignung des Pkw fällt dann nicht in den Anwendungsbereich der Ausnahme nach § 181 Hs. 2, so dass es beim Vertretungsverbot bleibt.

Beispiel

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Wäre die F bei der Übereignung hingegen selbst im eigenen Namen aufgetreten und hätte G nur für die GmbH gehandelt, läge insoweit kein Insichgeschäft vor. Die Übereignung wäre wirksam, sofern kein sonstiger Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht vorliegt (dazu sogleich unter Ziff. IV). Genehmigen die Gesellschafter den nach §§ 177, 181 schwebend unwirksamen Kaufvertrag über den Pkw nicht, müsste F Eigentum und Besitz am Pkw wieder an die Gesellschaft zurückgeben (§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1). Die Rückübereignung nach § 929 S. 1 könnte G nun im Wege des Insichgeschäfts nach § 181 Hs. 2 vornehmen, da damit die Verbindlichkeit der F gegenüber der Gesellschaft aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 erfüllt wird.

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Allerdings kann es Fälle geben, in denen allein mit dem Erfüllungsgeschäft Gefahren für den Vertretenen verbunden sind. Hier findet der Ausnahmetatbestand des § 181 Hs. 2 keine Anwendung.

Siehe dazu im Skript „BGB AT I“ unter Rn. 357 f. im Übungsfall „Fürsorgliche Schenkung“.

d) Ungeschriebene Ausnahme

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Schließlich findet § 181 dann keine Anwendung, wenn das Rechtsgeschäft für den Vertretenen rechtlich lediglich vorteilhaft.

Palandt-Ellenberger § 181 Rn. 9; Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 959 ff. Nach seinem Sinn und Zweck ist in diesen Fällen keine Beschränkung gerechtfertigt, da dem Vertretenen kein Nachteil droht.

Hinweis

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Man nennt diese Vorgehensweise methodisch eine „teleologische Reduktion“ des Tatbestandes. Sie ist das Gegenstück zur analogen Anwendung.

Beispiel

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Die verheirateten Eltern der 4 Jahre alten T schenken ihr zum Geburtstag eine Puppe. Da T nach §§ 104 Nr. 1, 105 Abs. 1 den Schenkungsvertrag mit ihren Eltern nicht abschließen kann, muss sie von ihren Eltern vertreten werden. Gleiches gilt für die Übereignung der Puppe nach § 929 S. 1, da eine Einigung mit T nicht zustande kommen kann. Dem Wortlaut des § 181 folgend würde das Geschenk aber „platzen“: Die Eltern könnten ihre Tochter bei der Übereignung nicht vertreten, da ein Insichgeschäft (Fall des Selbstkontrahierens) vorliegt und die Ausnahme nach § 181 Hs. 2 nicht greifen kann. Der Schenkungsvertrag wäre wegen §§ 177, 181 und – wenn man § 518 Abs. 1 auch auf die vorliegende Handschenkung i.S.d. § 516 Abs. 1 bezieht

Anders die h.M. vgl. Palandt-Weidenkaff § 518 Rn. 1, 4 und Leenen BGB AT § 4 Rn. 49. – auch nach §§ 125 S. 1, 518 Abs. 1 unwirksam, so dass keine Verbindlichkeit besteht, die durch die Übereignung erfüllt werden könnte! Diesen juristischen Unsinn löst man nun wie folgt auf:

Aufgrund teleologischer Reduktion des § 181 sind die Eltern bei Abschluss des Schenkungsvertrages und bei der Einigung nach § 929 S. 1 von den Beschränkungen des § 181 befreit und können beide Verträge durch Insichgeschäft mit T schließen. Der Schenkungsvertrag wäre – sofern man eine Formbedürftigkeit nach § 518 Abs. 1 bejaht – auch nicht nach §§ 125 S. 1, 518 Abs. 1 unwirksam, da der Formmangel durch Vollzug nach § 518 Abs. 2 geheilt worden ist.

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