BGB Allgemeiner Teil 1

Die Abgabe einer Willenserklärung

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B. Die Abgabe einer Willenserklärung

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Wir beginnen die Prüfung der konkreten Willenserklärung nach den eben gewonnen Erkenntnissen gedanklich also mit ihrer Abgabe.

Eine Willenserklärung kommt mit ihrer Abgabe zustande.

Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 263. Vgl. § 130 BGB; Faust BGB AT § 2 Rn. 18. Ohne Abgabe ist die Willenserklärung „als solche noch nicht existent“.BGH Urteil vom 8. März 2006 (Az: IV ZR 145/05) unter Ziff. II 2 = NJW-RR 2006, 847 ff. Die Abgabe ist sozusagen die „Geburtsstunde“ einer Willenserklärung.

Wann und wie eine Willenserklärung abgegeben wird, ist im Gesetz allerdings nicht definiert. Auch der bereits angesprochene Tatbestand des § 130 Abs. 1 gibt uns darüber keine genauere Auskunft.

I. Abgabetatbestand

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Für die Bestimmung der Abgabevoraussetzungen wird allgemein danach unterschieden, ob es sich um eine empfangsbedürftige oder um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung handelt.

1. Empfangsbedürftige und nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen

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Definition

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Empfangsbedürftig

Empfangsbedürftig ist eine Willenserklärung, deren Wirksamkeit den Zugang beim Empfänger erfordert.

Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 259, 268; Palandt-Ellenberger § 130 Rn. 2; Petersen JURA 2006, 426 unter Ziff. II.

Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen werden hingegen – bei Fehlen von Wirksamkeitshindernissen – bereits mit ihrer Abgabe wirksam.

Medicus a.a.O. Rn. 293; Palandt-Ellenberger § 130 Rn. 1; Faust § 2 Rn. 18; Petersen a.a.O.

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Die Empfangsbedürftigkeit einer Willenserklärung ist der Regelfall, da die Wirkungen des mit ihr verfolgten Rechtsgeschäfts regelmäßig andere Personen betreffen, die darüber informiert werden müssen.

Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 259; Faust BGB AT § 2 Rn. 2.

Beispiel

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Angebot und Annahme (Ausnahme: § 151), Anfechtungserklärung (vgl. § 143), Vollmachtserteilung (§ 167 Abs. 1), Zustimmungserklärung (§ 182 Abs. 1), Rücktrittserklärung (§ 349), Aufrechnungserklärung (§ 388 S. 1).

Hinweis

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Das Gesetz kennzeichnet eine empfangsbedürftige Willenserklärung mit der Formulierung: „Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist“, vgl. §§ 116 S. 2, 117 Abs. 1, 123 Abs. 2, 130 Abs. 1 S. 1.

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Bei der Bestimmung des richtigen Empfängers einer empfangsbedürftigen Willenserklärung hilft Ihnen das Gesetz, indem es den Empfänger ausdrücklich bestimmt. Im Übrigen ergibt sich der richtige Empfänger aus der Logik des jeweiligen Rechtsgeschäfts.

Beispiel

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Angebot und Annahme (Ausnahme: § 151) müssen dem jeweils anderen Vertragspartner zugehen; der Empfänger der Anfechtungserklärung wird mit Hilfe des § 143 bestimmt; bei der Vollmachtserteilung hilft § 167 Abs. 1, bei der Zustimmungserklärung § 182 Abs. 1, bei der Rücktrittserklärung § 349 und bei der Aufrechnungserklärung § 388 S. 1.

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Entfaltet ein Rechtsgeschäft dagegen ausnahmsweise keine unmittelbaren Wirkungen gegenüber Dritten

Beispiel

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Aufgabeerklärung nach § 959, Testament (§§ 2229 ff.)

oder entfalten Dritte typischerweise kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Erklärung,

Beispiel

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Annahme nach § 151 (vgl. die Voraussetzungen in § 151 S. 1 Hs. 2) oder Auslobung (hier winkt auch dem Ahnungslosen eine Belohnung, § 657)

ist die Willenserklärung ausnahmsweise nicht empfangsbedürftig.

2. Abgabe einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung

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Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen liegt Abgabe mit vollständigem Abschluss des Äußerungsvorganges durch den Erklärenden vor.

Definition

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Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung

Eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung ist abgegeben, wenn sich der Erklärende willentlich geäußert und seinen Äußerungsvorgang nach außen erkennbar abgeschlossen hat.

Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 264; Palandt-Ellenberger § 130 Rn. 4.

3. Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung

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Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen genügt der erkennbare Abschluss des Äußerungsvorganges nicht. Vielmehr muss die Erklärung noch mit Willen des Erklärenden in Richtung auf die Person „auf den Weg gebracht werden“, die nach dem konkret zu prüfenden Rechtsgeschäft der maßgebliche Empfänger ist.

Definition

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Empfangsbedürftige Willenserklärung

Eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist (erst) abgegeben, wenn die Erklärung mit Willen des Erklärenden in Richtung auf den maßgeblichen Empfänger so in den Verkehr gelangt ist, dass mit Zugang gerechnet werden kann.

BGH NJW 1989, 1671 unter Ziff. III 2; NJW 1979, 2032 f. unter Ziff. II 1; Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 265; Palandt-Ellenberger § 130 Rn. 4; Petersen JURA 2006, 426 unter Ziff. II 1.

Beispiel

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Persönliche Übergabe eines Schreibens; mündliche Erklärung in üblicher Lautstärke gegenüber Empfänger.

Beispiel

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Beauftragung eines Boten (Post, eigener Mitarbeiter etc.) mit Übermittlung der Erklärung an namentlich bezeichneten Empfänger (z.B. Brief in adressiertem Umschlag);

Eine fehlende oder unzureichende Frankierung steht der Abgabe nicht entgegen, da der Brief dem Empfänger ausgehändigt werden kann, wenn dieser das Entgelt zahlt. Beauftragung eines Boten, einem bestimmten Empfänger eine mündliche Erklärung auszurichten.

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Zwischen dem Vorbereiten der Erklärung und ihrer Absendung muss kein bestimmter Zeitraum liegen. Der Geschäftswille des Erklärenden kann weit vor dem Abgabezeitpunkt gebildet werden. Entscheidend ist allein, ob die spätere Versendung auf den Willen des Erklärenden zurückzuführen ist.

Petersen JURA 2006, 178 f. unter Ziff. I.

Beispiel

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Mieter M bringt sein an den Vermieter V gerichtetes Kündigungsschreiben erst nach Monaten zur Post;

auf eine aktuelle Bestellung des K im Internetshop des V verschickt ein Computersystem, das von V bereits vor einem Jahr dafür eingerichtet und programmiert worden war, automatisch eine Annahmeerklärung per E-Mail an den K. Nicht das Computersystem, sondern die Person (oder das Unternehmen), die es als Kommunikationsmittel nutzt, gibt die Erklärung ab.

BGH Urteil vom 16. Oktober 2012 (Az: X ZR 37/12) unter Tz. 17 = NJW 2013, 598 f. (wunderbarer Klausurfall – lesen!)

II. Abgabe bei zufälliger Kenntnisnahme?

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Eine zufällige Kenntnisnahme des richtigen Empfängers, mit der der Erklärende nicht rechnen konnte, ist keine Folge einer Abgabe „in seine Richtung“. Mangels ausreichender Abgabe liegt keine Willenserklärung ihm gegenüber vor, die dann durch Zugang wirksam werden könnte.

BGH NJW 1989, 1671, unter Ziff. III 2; NJW 1979, 2032 f. unter Ziff. II 1; Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 265; Palandt-Ellenberger § 130 Rn. 4.

Beispiel

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Mieter M hört zufällig durch geöffnete Fenster, wie der unter ihm wohnende Vermieter V zu seiner Frau sagt: „Da M seine Miete schon wieder nicht gezahlt hat, kündige ich ihm.“ Hier kann keine Kündigungserklärung des V vorliegen, weil die Erklärung nicht in Richtung auf den M als maßgeblichen Empfänger abgegeben wurde.

Beispiel

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K will vom notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag mit V zurücktreten. Irrtümlich hält er den beurkundenden Notar für den richtigen Rücktrittsgegner (vgl. aber § 349) und erklärt in einem an den Notar gerichteten Schreiben den Rücktritt vom Kaufvertrag. Dieser bemerkt den Rechtsirrtum und leitet das Schreiben kurz entschlossen an den V weiter.

Nach BGH NJW 1979, 2032 f. Hier kann keine Rücktrittserklärung des K vorliegen, weil die Erklärung nicht in Richtung auf den V als maßgeblichen Empfänger abgegeben wurde. Auf den Zugang des Schreibens bei V durch Weiterleiten des Notars kommt es somit nicht an.

III. Auswirkungen fehlenden Handlungswillens

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Aus den genannten Abgabedefinitionen folgt, dass fehlender Handlungswille einer Abgabe entgegensteht. Denn die betreffende Person will in diesen Fällen ja gar nicht handeln – sie will sich nicht äußern. Fehlt der Handlungswille, liegt mangels Abgabe keine Willenserklärung vor.

Palandt-Ellenberger Einf. v. § 116 Rn. 16; Faust BGB AT § 21 Rn. 27; Petersen JURA 2006, 178 f. unter Ziff. II 2a.

Beispiel

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Reflexhandlungen, gewaltsames Heben der Hand durch den Sitznachbarn bei einer Versteigerung.

Auf das Verständnis eines etwaigen Empfängers kommt es dabei nicht an. Es liegt tatbestandlich gar keine rechtlich relevante Äußerung vor, die Gegenstand einer Inhaltsbestimmung durch Auslegung sein könnte.

Wie zuvor; a.A. Leenen BGB AT § 5 Rn. 35, der die Willenserklärung in diesen Fällen nicht bereits an der Abgabe scheitern lässt, sondern über die allgemeinen Auslegungsregeln zu dem Ergebnis kommt, die Äußerung könne keine Willenserklärung sein. Bei bestimmten Reflexhandlungen (z.B. versehentlicher Mausklick) soll hingegen die Auslegung eine Willenserklärung ergeben können, die dann aber nach § 119 Abs. 1 Var. 2 anfechtbar sein soll.

Hinweis

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Das Verhalten muss trotz Handlungswillens nicht unbedingt freiwillig sein. Wer eine Erklärung aufgrund einer Drohung abgibt, z.B. einen Scheck ausstellt, weil ihm der Erpresser eine Pistole vorhält, handelt willentlich. Denn die Erklärung wird ja gerade absichtlich abgegeben, um die bestehende Drohsituation zu beenden. Das Gesetz gibt dem Erklärenden dafür aber ein Anfechtungsrecht nach § 123 Abs. 1 Var. 2

Merke: Was Anfechtungsgrund ist, hindert die Entstehung einer wirksamen Willenserklärung nicht. Denn die (spätere) Anfechtung setzt ja zunächst eine wirksame Willenserklärung voraus.

IV. Sonderfall: „Abhandengekommene“ Willenserklärung

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Der Ausgangspunkt, dass eine Willenserklärung ohne Handlungswillen nicht existieren kann, wird ganz überwiegend vertreten. Jedoch besteht Streit über die Lösung derjenigen Fälle, in denen der Erklärende eine empfangsbedürftige Willenserklärung willentlich verfasst hat, diese aber ohne seinen Willen in den Verkehr gelangt ist. Der Handlungswille fehlt hier beim zweiten Element der Abgabe, nämlich dem Inverkehrbringen (vgl. oben unter Rn. 115 ff.).

Beispiel

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Die Mobilfunkanbieterin A AG hat eine Aktionswoche mit besonders günstigen Konditionen für Neukunden gestartet. Der B hat Interesse an einem Mobilfunkvertrag mit der A gefunden. Aus einer Filiale der A hat B umfangreiches Prospektmaterial und einen Formularantrag mitgenommen. In einer ersten Begeisterung füllt B den Antrag aus und unterschreibt ihn. Nach einem Anruf seines besten Freundes kommen ihm Zweifel, da dieser ihn auf schlechte Erfahrungen mit dem Funknetz der A und viele Funklöcher aufmerksam gemacht hat. B lässt den Antrag daher erst einmal auf seinem Schreibtisch liegen und vertagt seine Entscheidung. Seine Freundin F kommt später in ihre gemeinsame Wohnung und bemerkt den Antrag auf dem Schreibtisch des B. Da die Frist für die besonderen „Spezialtarife“ der Aktionswoche um 24 Uhr desselben Tages abläuft und B unterwegs ist, will F dem B einen Gefallen tun und gibt das von B unterschriebene Formular noch schnell in der Filiale von A ab. Liegt ein Angebot des B auf Abschluss eines Mobilfunkvertrages mit A vor?

 

120

Geht man von der Abgabedefinition über empfangsbedürftige Willenserklärungen unter Rn. 115 aus, ist eine Willenserklärung erst abgeben, wenn die Erklärung mit Willen des Erklärenden in Richtung auf den maßgeblichen Empfänger so in den Verkehr gelangt ist, dass mit Zugang gerechnet werden kann. Im Beispiel hat B demnach kein Angebot abgegeben. Denn B hat seine Erklärung nicht willentlich in Richtung auf die A in den Verkehr gebracht. Insbesondere hatte er die F nicht beauftragt, den Antrag bei A abzugeben.

Für die Abgabe einer gültigen Willenserklärung könnte in diesen Fällen aber sprechen, dass § 119 Abs. 1 Hs. 1 Var. 2 demjenigen ein Anfechtungsrecht gibt, „der eine Erklärung diesen Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte“. Wenn § 119 Abs. 1 in diesen Fällen ein Anfechtungsrecht gewährt, muss eine Willenserklärung zustande gekommen sein. Denn bei bloßer Anfechtbarkeit soll ja erst eine fristgerechte (vgl. § 121) Anfechtung über § 142 Abs. 1 die Wirkungen des nicht gewollten Rechtsgeschäfts beseitigen.

Es ergeben sich aber Zweifel, ob § 119 Abs. 1 Hs. 1 Var. 2 diese Fälle wirklich erfasst. Schließlich heißt es dort: „eine Erklärung diesen Inhalts“ und nicht bloß „eine Erklärung“. Der Bezugspunkt des zum Anfechtungsrecht führenden Versehens liegt damit offenbar ebenso wie bei § 119 Abs. 1 Hs. 1 Var. 1 („über deren Bedeutung im Irrtum war“) nicht im Abgabeakt als solchem, sondern in der inhaltlichen Bedeutung der abgegebenen Erklärung.

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In den Fällen willenloser Absendung ist nach Auffassung der Rechtsprechung

Z.B. Urteil des BGH vom 8. März 2006 (Az: IV ZR 145/05) unter Ziff. II 2 und IV 1 = NJW-RR 2006, 847 ff. und einem Teil der LehreZ.B. Bork Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs Rn. 615; Nachweise zu den Motiven des Gesetzgebers bei Leenen BGB AT § 6 Rn. 72 f.; Leenen a.a.O. verneint in den Fällen abhanden gekommener Willenserklärungen den Tatbestand einer Willenserklärung mit Hilfe der Wertung des § 935. die Abgabe und damit die Existenz einer Willenserklärung zu verneinen. Im Beispiel Rn. 119 liegt dann kein Antrag des B auf Abschluss eines Mobilfunkvertrages vor.

Hinweis

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Sind dem Empfänger im Vertrauen auf eine wirksame Willenserklärung Nachteile entstanden (z.B. Kosten für den Transport von vermeintlich wirksam gekauften Waren), kommt ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 wegen zu vertretender Rücksichtspflichtverletzung in Betracht.

BGH a.a.O.; Bork a.a.O.

Diesen Schutz halten manche für unzureichend und wollen dem gutgläubigen Empfänger darüber hinaus mit einer verschuldensunabhängigen Haftung in analoger Anwendung des § 122 helfen.

Siehe Nachweise im Urteil des BGH vom 8. März 2006 (Az: IV ZR 145/05) unter Ziff. IV 2 = NJW-RR 2006, 847 ff.; der BGH (a.a.O.) hat dies offen gelassen, steht diesem Ansatz aber tendenziell ablehnend gegenüber. Dem ist aber nicht zuzustimmen. Die verschuldensunabhängige Einstandspflicht aus § 122 lässt sich damit rechtfertigen, dass der Erklärende in den dort genannten Fällen der §§ 118–120 seine Willenserklärung willentlich in den Verkehr gesetzt und damit einen Vertrauenstatbestand für den gutgläubigen Empfänger geschaffen hat. Enttäuscht er das von ihm veranlasste Vertrauen, ist in der Abwägung eine Haftung für Vertrauensschäden auch ohne konkretes Verschulden gerechtfertigt. In den Fällen einer abhanden gekommenen Erklärung fehlt es aber gerade an einer willentlichen Herbeiführung eines solches Vertrauens.

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Nach anderer Auffassung besteht eine Ähnlichkeit zu den Fällen des fehlenden Erklärungsbewusstseins (siehe Rn. 228 ff.).

Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 266; Brox/Walker Allgemeiner Teil des BGB § 7 Rn. 147; Palandt-Ellenberger § 130 Rn. 4 (das dortige Zitat auf BGH NJW-RR 2006, 847 ff. ist nur in Bezug auf die c.i.c. richtig!); MüKo-Einsele § 130 Rn. 14. Danach ist von einer verbindlichen Abgabe der Willenserklärung auszugehen, wenn der Erklärende fahrlässig handelte und damit rechnen musste, der Empfänger werde die Erklärung als verbindlich ihm gegenüber abgegeben ansehen.Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 266; Brox/Walker Allgemeiner Teil des BGB § 7 Rn. 147; Palandt-Ellenberger § 130 Rn. 4 (das dortige Zitat auf BGH NJW-RR 2006, 847 ff. ist nur in Bezug auf die c.i.c. richtig!); MüKo-Einsele § 130 Rn. 14. Der Erklärende hat dann aber die Möglichkeit einer Anfechtung gem. § 119 Abs. 1 Hs. 1 Var. 2 BGB analog mit der sich daran anschließenden Schadensersatzpflicht direkt aus § 122 sowie – bei (vermutetem) Vertretenmüssen des Erklärenden – aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2. Bei fehlender Fahrlässigkeit des Erklärenden liegt dagegen keine Abgabe vor.

Diese Ansicht betont den Schutz des redlichen Empfängers, der von der fehlerhaften Abgabe keine Kenntnis haben konnte. Sie kann außerdem für sich in Anspruch nehmen, dem Erklärenden über die Anfechtung ein Wahlrecht zu verschaffen, das sich bei für ihn günstigen Erklärungen als vorteilhaft erweisen kann. Der Erklärende kann die aufgrund seiner Fahrlässigkeit in den Verkehr gelangte Erklärung als wirksame Erklärung „stehen lassen“ und auf eine Anfechtung verzichten.

Im Beispiel läge nach dieser Auffassung eine Willenserklärung des B vor, wenn dieser Anhaltspunkte dafür haben musste, F werde den Antrag an A weiterleiten. Dafür fehlen aber ausreichende Tatsachen. Auch nach dieser Ansicht ist damit kein Antrag (Angebot) i.S.d. § 145 gegeben.

Expertentipp

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Beide Ansichten sind vertretbar. Prüfen Sie vor einer Streitentscheidung aber immer, ob die Ansichten überhaupt zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Ist dies nicht der Fall, sind Diskussion und Entscheidung über den Vorzug einer Ansicht überflüssig.

 

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