Baurecht Nordrhein-Westfalen

Rechtsschutz gegen bauaufsichtliche Verfügungen

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D. Rechtsschutz gegen bauaufsichtliche Verfügungen

I. Überblick

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Bauaufsichtliche Verfügungen sind infolge des oftmaligen Fortfalls der Genehmigungspflichtigkeit von Anlagen in der Praxis relevant. Dementsprechend häufig kommt es in diesem Bereich zu rechtlichen Auseinandersetzungen über die Rechtmäßigkeit bauaufsichtlicher Verfügungen. Gegen bauaufsichtliche Verfügungen kann nicht nur der Bauherr als regelmäßiger Adressat, sondern auch ein Nachbar, der zwar nicht Adressat der Verfügung ist, aber gleichwohl durch die Verfügung in seinen Rechten betroffen sein kann, vorgehen.

 

II. Rechtsschutz des Bauherrn gegen bauaufsichtliche Verfügungen

1. Rechtsschutzziel: Aufhebung der bauaufsichtlichen Verfügung

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Erlässt die Bauaufsichtsbehörde gegenüber dem Bauherrn eine bauaufsichtliche Verfügung auf der Grundlage der Generalermächtigung des § 58 Abs. 2 S. 2 BauO NRW 2018 oder auf der Grundlage einer insoweit spezielleren Ermächtigungsgrundlage des §§ 81 Abs. 1, 82 Abs. 1 S. 2, 82 Abs. 1 S. 1 oder 82 Abs. 2 BauO NRW 2018 kann der Bauherr den Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG NRW, soweit dieser ihn belastet, unmittelbar mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO angreifen, nachdem das Widerspruchsverfahren in NRW insoweit weggefallen ist (s.o. Rn. 407).

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Ob die bauaufsichtliche Verfügung rechtmäßig ist, bestimmt sich nach h.M. grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.Vgl. BVerwG NVwZ 1993, 476. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich die Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des klagenden Bauherrn ändert. In diesem Falle ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der bauaufsichtlichen Verfügung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen.Vgl. zum Ganzen Kopp/Schenke VwGO § 113 Rn. 29 ff.

2. Rechtsschutzziel: Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage

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Anders als bei den Rechtsbehelfen gegen eine Baugenehmigung (s.o. Rn. 430) hat die Anfechtungsklage des Bauherrn gegen eine bauaufsichtliche Verfügung aufschiebende Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Hinweis

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§ 212a BauGB gilt hier nicht!

489

Bei einer Stilllegungsverfügung und einer Nutzungsuntersagung ordnet die Bauaufsichtsbehörde jedoch regelmäßig die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO an. Wegen der negativen Vorbildwirkung einer baurechtswidrig realisierten bzw. genutzten Anlage für die Umgebung kann die Behörde ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung geltend machen. Etwas anderes gilt jedoch für eine Abrissverfügung. Da ihr sofortiger Vollzug vollendete Tatsachen schaffen würde und irreversibel wäre, scheidet die Anordnung einer sofortigen Vollziehung in der Regel aus.Vgl. OVG Berlin BRS 62 Nr. 206.

490

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Wiederholen Sie Einzelheiten zum Verfahren nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO im Skript „Verwaltungsprozessrecht“!

Ordnet die Behörde die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO an, kann der Bauherr einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1 Hs. 2 VwGO beim zuständigen Verwaltungsgericht stellen. Der Bauherr kann auch bei der Bauaufsichtsbehörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO stellen.Vgl. Stollmann/Beaucamp Öffentliches Baurecht § 19 Rn. 68.

3. Rechtsschutzziel: Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme

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Will sich der Bauherr gegen eine Vollstreckungsmaßnahme der Bauaufsichtsbehörde wenden, richtet sich der statthafte Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach der Rechtsnatur der Vollstreckungsmaßnahme.

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Sofern es sich bei der Vollstreckungsmaßnahme um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG NRW handelt, kommen als Rechtsbehelfe – außergerichtlich – der Widerspruch (vgl. § 110 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 5 JustG NRW) sowie – gerichtlich – im Hauptsacheverfahren die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO oder ggf. die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Verfahren nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO in Betracht.

Expertentipp

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Lesen Sie § 112 JustG NRW!

Letzteres Verfahren kommt auch deshalb in Betracht, weil Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden und der Vollzugsbehörden keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. § 112 S. 1 JustG NRW). Unabhängig vom Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO kann der Bauherr außerdem bei der Bauaufsichtsbehörde die Aussetzung der Vollziehung beantragen (vgl. § 112 S. 2 JustG NRW i.V.m. § 80 Abs. 4 VwGO).

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Sofern es sich bei der Vollstreckungsmaßnahme um einen Realakt handelt, kommt als Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren die allgemeine Leistungsklage und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes das Verfahren nach § 123 VwGO in Betracht.

III. Rechtsschutz des Nachbarn gegen bauaufsichtliche Verfügungen

1. Rechtsschutzziel: Erlass einer bauaufsichtlichen Verfügung

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Zahlreiche Anlagen sind nach geltendem Recht nicht mehr genehmigungspflichtig. Daher ist das Bedürfnis von Nachbarn, die Bauaufsichtsbehörde zu einem repressiven Vorgehen gegen baurechtswidrige Anlagen zu veranlassen, gestiegen. Die Entscheidung über ein repressives Vorgehen gegen baurechtswidrige Anlagen steht im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde (s.o. Rn. 471). Möchte der Nachbar daher die Behörde zu einem repressiven Einschreiten gegen eine baurechtswidrige Anlage veranlassen, kann er zunächst einen entsprechenden Antrag bei der Behörde stellen und im Falle der Ablehnung oder Nichtbescheidung seines Antrags unmittelbar Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO oder Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erheben (s. zum Fortfall des Widerspruchsverfahrens in NRW oben Rn. 407 und Rn. 486).

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Um mit seiner Klage Erfolg zu haben, muss der Nachbar u.a. klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO sein. Sein möglicher Anspruch auf ein repressives Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde ist gegeben, wenn er geltend machen kann, durch die ablehnende oder unterbliebene Bescheidung durch die Behörde möglicherweise in nachbarschützenden Vorschriften verletzt zu sein.

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Das Rechtsschutzbegehren des Nachbarn ist begründet, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass die ablehnende oder unterbliebene Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde den Nachbarn in seinen Rechten verletzt (vgl. insoweit § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Da die Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über ihr repressives Einschreiten gegen eine baurechtswidrige Anlage jedoch in ihrem Ermessen steht, hat der Nachbar grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung mit der Folge, dass das Gericht grundsätzlich nur ein Bescheidungsurteil erlassen kann (vgl. § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).Für ein intendiertes Ermessen der Bauaufsichtsbehörde aber OVG Sachsen BauR 2014, 978. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn das Ermessen der Behörde auf Null reduziert ist. In diesem Falle ergeht ein Verpflichtungsurteil (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Eine Ermessensreduzierung auf Null kommt vor allem dann in Betracht, wenn ohne den Erlass der bauaufsichtlichen Maßnahme erhebliche Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften vorliegen oder schwere Gefahren für ein wichtiges Rechtsgut des Nachbarn (Leben oder Gesundheit) zu befürchten sind,Vgl. BVerwGE 11, 95; OVG S-A BauR 2015, 1129. nicht dagegen bei genehmigungs- und verfahrensfreien Anlagen, denn auch bei ihnen ist das Entschließungsermessen der Bauaufsichtsbehörde nicht per se auf eine für den betroffenen Nachbarn günstige Entscheidung reduziert.Vgl. OVG Nds. DVBl 2014, 655.

2. Rechtsschutzziel: Erlass einer einstweiligen Anordnung

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Hat ein Nachbar bei der Bauaufsichtsbehörde den Erlass einer bauaufsichtlichen Maßnahme beantragt und möchte er zwecks Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes schon vor Erlass der behördlichen Maßnahme gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen, kann er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO stellen.

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