Baurecht Bayern

Einstweiliger Rechtsschutz des Bauherrn auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung

II. Einstweiliger Rechtsschutz des Bauherrn auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung

502

Soweit, wie im Regelfall, die Bauaufsichtsbehörde den Sofortvollzug der bauaufsichtlichen Maßnahmen angeordnet hat, kann der Bauherr Rechtsschutz über § 80 Abs. 4 und 5 VwGO erlangen. Denkbar ist dabei zunächst ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an die Bauaufsichtsbehörde nach § 80 Abs. 4 VwGO; da insoweit aber nochmals die Erlassbehörde entscheidet, ist es eher unwahrscheinlich, dass diese ihre Rechtsmeinung ändern wird.

Regelmäßig wird der Bauherr daher den gerichtlichen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO stellen.

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Einstweiliger Rechtsschutz des Bauherrn auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung

A.

Entscheidungskompetenz des Gerichts

 

 

I.

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO

 

 

II.

Sachliche und örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 S. 1 i.V.m. §§ 45, 52 Nr. 1 VwGO i.V.m. Art. 1 Abs. 2 AGVwGO.

 

B.

Zulässigkeit des Antrags

 

 

I.

Statthaftigkeit

 

 

II.

Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog

 

 

III.

Rechtsschutzbedürfnis

 

 

 

1.

Erfordernis eines vorherigen Hauptsacherechtsbehelfs?

 

 

 

2.

Erfordernis eines erfolglosen Vorantrags an die Behörden?

 

 

 

3.

Keine offensichtliche Erfolglosigkeit der Hauptsache

 

 

IV.

Beteiligten- und Handlungsfähigkeit und sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen

 

C.

Begründetheit des Antrags

 

 

I.

Richtiger Antragsgegner analog § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO

 

 

II.

Formelle Rechtmäßigkeit der Sofortvollzugsanordnung

 

 

 

1.

Zuständigkeit

 

 

 

2.

Verfahren

 

 

 

 

 

Erfordernis der vorherigen Anhörung vgl.

Rn. 515

 

 

3.

Form

 

 

 

 

 

Lediglich formelle Rechtswidrigkeit der Vollzugsanordnung vgl.

Rn. 517

 

III.

Interessenabwägung des Gerichts zwischen Aussetzungsinteresse des Adressaten gegen Vollzugsinteresse der Allgemeinheit

 

1. Entscheidungskompetenz des Gerichts

503

Vgl. zur Geltung der §§ 17, 17a GVG die Ausführungen unter Rn. 448.Der Verwaltungsrechtsweg muss entsprechend § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet sein. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ergibt sich nach § 80 Abs. 5 S. 1 i.V.m. §§ 45, 52 Nr. 1 VwGO i.V.m. Art. 1 Abs. 2 AGVwGO.

2. Zulässigkeit des Antrags

504

Der Antrag ist zulässig, wenn alle erforderlichen Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben sind.

a) Statthaftigkeit

505

Maßgeblich ist insoweit nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO das Begehren des Antragstellers. Nach § 123 Abs. 5 VwGO sind die §§ 80, 80a VwGO vorrangig. Da der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung begehrt und damit in der Hauptsache eine Anfechtungsklage einschlägig ist, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Die grundsätzlich gegebene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage entfällt nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.

b) Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog

506

Analog § 42 Abs. 2 VwGO ist der Antragsteller im Hinblick auf jeden belastenden Verwaltungsakt antragsbefugt, da als deren Adressat zumindest die Möglichkeit der Verletzung in Art. 2 Abs. 1 GG besteht.

c) Rechtsschutzbedürfnis

aa) Erfordernis eines vorherigen Hauptsacherechtsbehelfs?

507

Die vorherige Einlegung eines Hauptsacherechtsbehelfs ist nach § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO nicht erforderlich.

Hinweis

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Hinweis für Referendare

Sollte dieser Fall tatsächlich einmal auftreten, müssten Sie im gerichtlichen Beschluss tenorieren: „Die aufschiebende Wirkung der noch einzulegenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid . . . wird hinsichtlich Ziffer/Nr. . . . wiederhergestellt und hinsichtlich Ziffer/Nr. . . . angeordnet.“

bb) Erfordernis eines erfolglosen Vorantrags an die Behörden?

508

Ein erfolgloser Vorantrag an die Behörden nach § 80 Abs. 4 VwGO ist nach § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO nur in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erforderlich. In sonstigen Fällen ist ein behördlicher Vorantrag damit nicht erforderlich.

cc) Keine offensichtliche Erfolglosigkeit der Hauptsache

509

Da der einstweilige Rechtsschutz der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage dient, besteht für seine Geltendmachung nur dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn diese Anfechtungsklage auch (noch) erhoben werden kann bzw. zulässig erhoben wurde. Insbesondere darf eine erhobene oder noch zu erhebende Anfechtungsklage noch nicht verfristet sein.

Expertentipp

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Insoweit besteht also eine gewisse Verknüpfung mit der Hauptsacheklage in Abweichung von § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO!

d) Beteiligten- und Handlungsfähigkeit und sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen

510

Die Beteiligten- und Handlungsfähigkeit beurteilt sich entsprechend §§ 61 f. VwGO.

vgl. dazu die Ausführungen unter Rn. 497.

3. Begründetheit des Antrags

511

Der Antrag ist begründet, wenn er gegen den gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog richtigen Antragsgegner gerichtet ist, die Anordnung des Sofortvollzugs formell rechtswidrig ist und/oder die Interessenabwägung des Gerichts ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Bauherrn ergibt.

a) Richtiger Antragsgegner analog § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO

512

Richtiger Antragsgegner ist der Freistaat Bayern als Rechtsträger eines handelnden Landratsamts bzw. die Gemeinde als ihr eigener Rechtsträger, sofern eine solche gehandelt hat.

b) Formelle Rechtmäßigkeit der Sofortvollzugsanordnung

513

Die Sofortvollzugsanordnung ist formell rechtmäßig, wenn sie von der zuständigen Behörde erlassen wurde und die Anforderungen an Verfahren und Form eingehalten wurden.

aa) Zuständigkeit

514

Zuständig ist nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, also die Bauaufsichtsbehörde.

Die zweite Alternative der Widerspruchsbehörde hat in Bayern dagegen aufgrund des § 68 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 1, 2 AGVwGO keine Bedeutung mehr. Maßgeblich ist dabei stets die Behörde, die den Verwaltungsakt tatsächlich erlassen hat, unabhängig von der Tatsache, ob diese auch zur Entscheidung zuständig war.

bb) Verfahren

515

Erfordernis der vorherigen Anhörung. Eine Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG direkt vor Anordnung des Sofortvollzugs ist unstreitig nicht erforderlich, da die Anordnung keinen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG darstellt, sondern lediglich einen Annex zu einem solchen. Überwiegend wird deshalb auch ein Anhörungserfordernis entsprechend Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG abgelehnt. Sofern dieses teilweise bejaht wird, kann der Streit in der Regel dahinstehen, da in diesem Fall dann auch Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG entsprechend anwendbar sein müsste; Heilung würde danach im laufenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eintreten.

zu allem sehr ausführlich W.-R. Schenke in Kopp/Schenke Verwaltungsgerichtsordnung § 80 Rn. 82.

cc) Form

516

Nach § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO ist das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs durch die Bauaufsichtsbehörde schriftlich zu begründen, sofern kein Ausnahmefall nach § 80 Abs. 3 S. 2 VwGO vorliegt. Erforderlich ist dabei eine auf den Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses, welche erkennen lässt, dass sich die Bauaufsichtsbehörde bewusst war, von der Grundregel der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO abzuweichen. Diesen Anforderungen genügen insbesondere nicht formelhafte schematische Begründungen wie beispielsweise „Die Anordnung des Sofortvollzugs liegt im besonderen öffentlichen Interesse“.

Die Baueinstellung kann nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt werden; bei der besonderen schriftlichen Begründung des Vollzugsinteresses nach § 80 Abs. 3 VwGO ist ein abweichendes Regel-Ausnahme-Verhältnisvgl. zu den Anforderungen im Grundsatz W.-R. Schenke in Kopp/Schenke Verwaltungsgerichtsordnung § 80 Rn. 85, wo klar wird, dass der Sofortvollzug grundsätzlich die Ausnahme ist und die Begründung ergeben muss, dass sich die Behörde dieser Ausnahmestellung bewusst ist. zu beachten. Die Baueinstellung wegen formeller Illegalität verhindert die Schaffung vollendeter Tatsachen, verfolgt also einen präventiven Zweck; daher ist der Sofortvollzug notwendig und deshalb dessen Anordnung die Regel. An die Begründung sind deshalb in der Folge geringere Anforderungen zu stellen wie im Normalfall.

Auch die Nutzungsuntersagung kann nach diesen Grundsätzen gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt werden.

Dagegen stellt die Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bei der Baubeseitigung den absoluten Ausnahmefall dar. Dies liegt daran, dass mit der Baubeseitigung regelmäßig ein irreversibler Eingriff in die Bausubstanz erfolgt; deshalb muss aus der Begründung eindeutig erkennbar sein, aus welchen Gründen ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht möglich ist (beispielsweise erhebliche Nachahmungswirkung oder erhebliche Gefahr für Leib und Leben). Die Rechtsprechung lässt eine Sofortvollzugsanordnung einer Baubeseitigung ausnahmsweise bei kleineren, leicht zu beseitigenden baulichen Anlagen zu.

517

Lediglich formelle Rechtswidrigkeit der Vollzugsanordnung. Sofern lediglich die formelle Rechtswidrigkeit der Vollzugsanordnung gegeben ist, die nachfolgende Interessenabwägung aber zuungunsten des Antragstellers ausfällt, ist strittig, ob das Gericht in seinem Beschluss nur die Vollzugsanordnung aufhebt oder aber die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung anordnet. Zwar entspricht es teilweise gerichtlicher Praxis, lediglich die Sofortvollzugsanordnung aufzuheben; dafür findet sich aber keinerlei Anhaltspunkt im Gesetz. Auch bei einer „bloß“ formellen Rechtswidrigkeit der Vollzugsanordnung ist daher die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung anzuordnen.

so zutreffend W.-R. Schenke in Kopp/Schenke Verwaltungsgerichtsordnung § 80 Rn. 148.

Hinweis

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Sofern Sie im zweiten Staatsexamen einen Beschluss zu fertigen haben, müssen Sie dem Antrag schon alleine aufgrund der formellen Rechtswidrigkeit der Vollzugsanordnung stattgeben; die Interessenabwägung behandeln Sie in diesem Fall im Hilfsgutachten.

c) Interessenabwägung des Gerichts

518

Letztlich trifft das Gericht eine eigene originäre Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse der Allgemeinheit. Dabei ist nach dem Rechtsgedanken des § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes zu berücksichtigen. Maßgebliches Indiz im Rahmen der Interessensabwägung sind daher die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, welche das Gericht summarisch prüft.

In der Folge prüfen Sie nun die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, also die Zulässigkeit und Begründetheit der Anfechtungsklage; hinsichtlich der Zulässigkeit der Anfechtungsklage und der Passivlegitimation können Sie auf die bisherigen Ausführungen verweisen.vgl. dazu die Erläuterungen bei Rn. 503–512. Danach prüfen Sie die Rechtmäßigkeit der bauaufsichtlichen Maßnahme und die Rechtsverletzung des Klägers. Für den entscheidungsrelevanten Zeitpunkt gelten (natürlich) dieselben Grundsätze wie im Rahmen der Anfechtungsklage des Bauherrn gegen bauaufsichtliche Maßnahmen.

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