Baurecht Bayern

Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im Innenbereich, § 34 BauGB

E. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im Innenbereich, § 34 BauGB

I. Abgrenzung Innenbereich von Plan- und Außenbereich

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§ 34 BauGB bildet selbstständig oder unter Ergänzung eines einfachen Bebauungsplans nach § 30 Abs. 3 BauGB den planungsrechtlichen Maßstab für die Zulässigkeit von Bauvorhaben in im Zusammenhang bebauten Ortsteilen. Soweit ein qualifizierter, § 30 Abs. 1 BauGB, oder vorhabenbezogener Bebauungsplan, §§ 30 Abs. 2, 12 BauGB, existiert und dieser wirksam ist, ist für die Anwendung von § 34 BauGB kein Raum. Daneben gilt es den Innenbereich des § 34 BauGB vom Außenbereich nach § 35 BauGB abzugrenzen. Die Abgrenzung erfolgt hier nach der tatsächlich vorhandenen Bebauung.

Definition

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Definition: im Zusammenhang bebauter Ortsteil

Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil im Sinne von § 34 BauGB ist jede Bebauung im Gebiet einer Gemeinde, die trotz eventuell vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erweckt, nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses städtebauliches Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur r ist.

BVerwGE 31, 20 ff.; Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 34 Rn. 2 ff.; BVerwG BayVBl. 1969, 134 ff.

Regelmäßig ist ein Grundstück oder Grundstücksteil dann dem Innenbereich zuzuordnen, wenn sie mindestens an drei Seiten von Bebauung umgeben sind

BayVGH, Urteil vom 16.2.2009, Az. 1 B 08.340 – juris; VG Augsburg, Urteil vom 31.5.2012, Az. Au 5 K 11.1445 – juris..

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Dabei ist in Abgrenzung von § 34 BauGB und § 35 BauGB ausschließlich von der tatsächlich vorhandenen Bebauung auszugehen.

Dürr/König Baurecht Bayern S. 115 Rn. 166. Ob diese genehmigt oder lediglich geduldet wird, ist für die Frage der Zulässigkeit eines Bauvorhabens nach § 34 BauGB irrelevant.BVerwG BauR 1999, 233 ff.

Expertentipp

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Prägen Sie sich an dieser Stelle gut ein, dass § 34 BauGB ausschließlich eine Beurteilung eines Bauvorhabens am Maßstab des tatsächlich Vorhandenen darstellt. Ob die sich in der näheren Umgebung zu findende Bebauung genehmigt ist oder lediglich von Seiten der Bauaufsichtsbehörden toleriert wird, ist für die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens ohne Bedeutung. Ihre Aufgabe besteht in Klausuren nun darin, festzustellen, ob sich das zu beurteilende Bauvorhaben in seine nähere Umgebung einfügt.

Eine frühere, zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Bauantrag beseitigte bauliche Anlage wirkt bei der Beurteilung nach § 34 BauGB noch so lange nach, wie realistisch mit einem Ersatzbau gerechnet werden kann. Nach spätestens zwei Jahren dürfte sich allerdings die Umgebung auf die vorhandene Lücke dauerhaft eingestellt haben.

Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 34 Rn. 5.

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Seine Begrenzung findet der Bebauungszusammenhang in zweierlei Hinsicht. Zum einen endet die tatsächlich zusammenhängende Bebauung am Ortsrand der jeweiligen Gemeinde. Dies gilt selbst dann, wenn sich unmittelbar angrenzend nahtlos eine weitere Bebauung der Nachbargemeinde anschließt. Dies ergibt sich im Wesentlichen daraus, dass § 34 BauGB (wie § 35 BauGB ebenso) in Fällen des Fehlens einer gemeindlichen Satzung zur Steuerung der baulichen Tätigkeit im Gemeindegebiet als „Ersatzplan“ fungiert. § 34 BauGB weist damit einen sachlichen Zusammenhang zur gemeindlichen Bauleitplanung auf. Die gemeindliche Bauleitplanung findet aber ebenfalls ihre natürliche Grenze an der Gemeindegrenze, so dass auch § 34 BauGB als planersetzende Norm nicht weiter reichen kann.

Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 34 Rn. 7 ff.; BVerwG NVwZ 1999, 249 ff.

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Daneben endet der Bebauungszusammenhang unabhängig vom Verlauf der Grundstücksgrenzen grundsätzlich hinter dem letzten tatsächlich vorhandenen Gebäude. Im Anschluss befindet sich der Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB. Die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich verläuft dabei nicht geradlinig und lässt sich auch nicht unter mathematisch-geographischen Maßstäben exakt bestimmen.

BVerwG DVBl. 1974, 238 ff.; Dürr/König Baurecht Bayern S. 116 Rn. 168.

Hinweis

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In der Praxis wirken oftmals Straßenzüge, Flussläufe, Eisenbahntrassen als trennendes Element zwischen Innen- und Außenbereich.

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Für den Zusammenhang einer Bebauung und deren Eindruck der Geschlossenheit ist ohne Bedeutung, wie sich diese Bebauung zusammensetzt. Dies ist letztlich Folge der rein tatsächlichen Beurteilung in § 34 Abs. 1 BauGB, ob sich das Bauvorhaben in seine nähere Umgebung einfügt. Lediglich bei § 34 Abs. 2 BauGB wird im Hinblick auf die Umgebungsbebauung ein weitgehend einheitlicher Maßstab gefordert (Näheres dazu gleich).

Erforderlich ist lediglich eine Bebauung, die optisch in Erscheinung trittBVerwG NVwZ 1993, 985 ff. (Gebäudekomplex von einigem Gewicht) und die ein gewisses städtebauliches Gewicht aufweist. Eine unbebaute Fläche unterbricht den Bebauungszusammenhang dann, wenn die auf ihr vorgesehene Bebauung nicht mehr als Fortsetzung der die Fläche umgebenden vorhandenen Bebauung angesehen werden kann. Man spricht in diesen Fällen von einer „Außenbereichsinsel“ bzw. einem „Außenbereich im Innenbereich“.Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 34 Rn. 9.

Die weitere städtebauliche Beurteilung hat insoweit am Maßstab des § 35 BauGB zu erfolgen. Anders ist dies bei Flächen, die nach ihrer Zweckbestimmung (z.B. Sportplätze, Lagerplätze) gar nicht für eine Bebauung mit Gebäuden vorgesehen sind. Hier ist zu fragen, ob die Fläche noch der vorhandenen Bebauung zuzurechnen ist.

Wie viele Gebäude für einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil erforderlich sind, lässt sich nicht pauschal beantworten. Letztlich ist dies immer einzelfallabhängig von der Gemeindegröße und Gemeindestruktur. Auch verlangt eine organische Siedlungsstruktur keine einheitliche, einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entsprechende Bebauung. Abzugrenzen ist der Innenbereich insoweit von der völlig regellosen Splitterbebauung,Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 34 Rn. 14. die keinen Ansatz für eine Weiterentwicklung nach § 34 BauGB bietet. Bietet der Siedlungsansatz auch im Verhältnis zur vorhandenen Siedlungsstruktur der jeweiligen Gemeinde keine ausreichende Beurteilungsgrundlage für § 34 BauGB, so liegt kein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vor. Die Beurteilung hat in diesen Fällen zwingend am Maßstab von § 35 BauGB zu erfolgen.

Beispiel

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Führt die Klausur im Sachverhalt aus, dass bei der Gemeinde X vom Ortskern ausgehend sich eine 400 Meter lange Straße über unbebaute Flächen stadtauswärts erstreckt, diese Straße in einem Wendehammer mündet, um den in loser, einzeiliger Bebauung neun Wohnhäuser entstanden sind, so liegt hier im Hinblick auf die Situierung der Grundstücke (Straße wegführend vom Ortszentrum, Zahl der Wohnhäuser, Anordnung einzeilig) kein Innenbereich nach § 34 BauGB vor. Die weitere bauplanungsrechtliche Beurteilung hat am Maßstab des § 35 BauGB zu erfolgen.

II. Zulässigkeit von Vorhaben nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB

1. Allgemeines

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Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Bauvorhaben in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil zulässig, wenn es sich nach Art, Maß, Bauweise und hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen in die nähere Umgebung einfügt. Maßgeblich ist damit zum einen die Bestimmung der näheren Umgebung des Bauvorhabens, in welche sich dieses einfügen muss. Zum anderen hat sich diese Beurteilung auf vier bauplanungsrechtliche Kriterien zu erstrecken. Für die Kriterien des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksflächen ist ausschließlich § 34 Abs. 1 BauGB Beurteilungsgrundlage. Anhand der vorhandenen Bauten in der näheren Umgebung ist zu fragen, ob sich das Bauvorhaben in diesem tatsächlich vorgefundenen Rahmen hält. Die BauNVO kann für diese Kriterien niemals unmittelbar/direkt herangezogen werden. Die BauNVO kann außerhalb von § 34 Abs. 2 BauGB allenfalls eine Auslegungshilfe für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit darstellen.

BVerwG NVwZ 1994, 1006 ff. Hinsichtlich des Kriteriums des Maßes der baulichen Nutzung hat das Bundesverwaltungsgericht aber mehrfach betont, dass das tatsächliche Ausmaß/Volumen der sich in der Umgebung befindlichen Baukörpers entscheidend sei.BVerwG DVBl. 1994, 702 ff.

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Hinsichtlich des Kriteriums des Einfügens in die Art der baulichen Nutzung gilt es § 34 Abs. 2 BauGB zu beachten, wonach sich in Fällen, in denen die nähere Umgebung einem Baugebiet nach der BauNVO entspricht, die weitere bauplanungsrechtliche Prüfung der Zulässigkeit am Maßstab der BauNVO zu vollziehen hat. Man spricht hier von einem so genannten faktischen Baugebiet.

Spieß in Jäde/Dirnberger BauGB, BauNVO § 34 Rn. 119 ff. Es kommt in diesen Fällen eines faktischen Baugebiets zur Direktanwendung der BauNVO, d.h. es ist die Frage aufzuwerfen, ob das zu beurteilende Bauvorhaben nach der BauNVO allgemein zulässig (im Regelfall die Absätze 2 der §§ 2–9 BauNVO) bzw. ausnahmsweise zulässig ist (regelmäßig die Absätze 3 der §§ 2–9 BauNVO). Im Rahmen dieser Direktanwendung der BauNVO bleibt auch Raum für ein direktes Heranziehen von § 15 Abs. 1 BauNVO, d.h. es ist ergänzend zu fragen, ob ein nach der BauNVO allgemein oder ausnahmsweise zulässiges Bauvorhaben im Einzelfall das städtebauliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Im faktischen Baugebiet entspricht die Prüfung letztlich der Zulässigkeit eines Bauvorhabens im Bereich eines rechtsgültigen Bebauungsplans. Dies zeigt sich auch an § 34 Abs. 2 Hs. 2 BauGB, der bestimmt, dass im Übrigen § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden ist.

Expertentipp

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Merken Sie sich aber bereits an dieser Stelle, dass Sie nur hinsichtlich des Kriteriums des Einfügens in die Art der baulichen Nutzung der näheren Umgebung zur Direktanwendung der BauNVO gelangen können. Nur wenn die nähere Umgebung des Baugrundstücks ein faktisches Baugebiet nach der BauNVO darstellt, d.h. ein Baugebiet nach der BauNVO tatsächlich abbildet, dürfen Sie die weitere Beurteilung am Maßstab der BauNVO vornehmen. Entspricht die nähere Umgebung keinem Baugebiet nach der BauNVO, verbleibt es bei der Prüfung des § 34 Abs. 1 BauGB, d.h. es ist zu fragen, ob sich das beabsichtigte Bauvorhaben im Rahmen des tatsächlich Vorhandenen der näheren Umgebung hält. Für die übrigen Kriterien in § 34 Abs. 1 BauGB (Maß, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche) ist die Beurteilung stets am Maßstab des § 34 Abs. 1 BauGB vorzunehmen. § 34 Abs. 2 BauGB beansprucht insoweit keine Geltung.

 

2. Prüfung des Einfügens in die nähere Umgebung im Sinne von § 34 BauGB

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Für die Prüfung des Einfügens nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB hat das Bundesverwaltungsgericht eine bestimmte Prüfungsreihenfolge entwickelt.

BVerwG DVBl. 1978, 815 ff.

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1.

In einem ersten Schritt muss zunächst die Umgebung festgestellt werden, d.h. der Bereich, auf den sich das Vorhaben auswirken kann und der andererseits selbst das Baugrundstück prägt.

Spieß in Jäde/Dirnberger BauGB, BauNVO § 34 Rn. 67. Wie weit dieser Kreis zu ziehen ist, d.h. wie weit diese Wechselwirkung reicht, hängt von der Größe des Vorhabens und den sich in seiner Umgebung befindlichen Objekten ab. In der Praxis wird hier auf das umgebende Straßengeviertvgl. BayVGH, B.v. 1.12.2011, Az. 14 CS 11.2577 – juris Rn. 26. und die diesem gegenüber liegende Bebauung abgestellt.

Expertentipp

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In der Klausur wird von Ihnen die Beurteilung dieser Wechselwirkung zwischen Baugrundstück und Umgebung nicht verlangt. Die Klausurangabe gibt vor, welche Objekte sich in welcher Art und Größe in der näheren Umgebung befinden. Da die Klausur von Ihnen die Kenntnis des § 34 Abs. 2 BauGB erwartet, ist es regelmäßig so, dass hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein faktisches Baugebiet nach der BauNVO (§§ 2 ff.) gegeben sein dürfte. Ihre Aufgabe besteht dann darin, die Sachverhaltsangaben in den Katalog der Baugebiete der BauNVO zu transformieren und festzustellen, welches faktische Baugebiet im Einzelfall einschlägig ist.

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2.

Im zweiten Schritt muss die dortige Bebauung festgestellt werden, und zwar anhand der Kriterien Art der baulichen Nutzung, Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche. Bezüglich der Kriterien Maß, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche ist die BauNVO als Auslegungshilfe heranzuziehen.

Spieß in Jäde/Dirnberger BauGB, BauNVO § 34 Rn. 78. Als Kriterien des Maßes der baulichen Nutzung kommen beispielsweise ergänzend zu den tatsächlichen Verhältnissen die in § 16 Abs. 2 BauNVO genannten Kriterien in Betracht.

Bei der Art der baulichen Nutzung ist zu beachten, dass u. U. ein sog. faktisches Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB vorliegt. Dann finden die Vorschriften der BauNVO insoweit direkte Anwendung. Fremdkörper in der Umgebung bleiben bei dieser Beurteilung außer Betracht.

Spieß in Jäde/Dirnberger BauGB, BauNVO § 34 Rn. 70, 71. Fremdkörper sind dabei gegenüber einer weitgehend einheitlichen Bebauung auffällig in Kontrast stehende einzelne Anlagen.

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3.

In einem dritten Schritt ist zu prüfen, ob das geplante Vorhaben den vorgegebenen Rahmen einhält. Bei § 34 Abs. 2 BauGB ist unter direkter Heranziehung der BauNVO zu fragen, ob das Bauvorhaben im gegebenen faktischen Baugebiet allgemein oder zumindest ausnahmsweise zulässig ist. Die Prüfung ist auch auf eine ausnahmsweise Zulässigkeit zu erstrecken, wie § 34 Abs. 2 Hs. 2 BauGB mit der entsprechenden Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB indiziert.

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4.

Schließlich ist in einem vierten Schritt zu prüfen, ob das Gebot der Rücksichtnahme eingehalten ist.

Das in § 34 Abs. 1 BauGB („einfügen“, bzw. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO) enthaltene Gebot der Rücksichtnahme trägt als Korrektiv der Tatsache Rechnung, dass die alleinige Orientierung an dem durch die Umgebung vorgegebenen Rahmen nicht immer zu befriedigenden Ergebnissen führt. So kann es sein, dass sich ein zwar grundsätzlich im vorgefundenen Rahmen bewegendes Vorhaben nicht einfügt, wenn es rücksichtslos ist.

Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 34 Rn. 32. Dies ist bei Vorliegen eines faktischen Baugebiets im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB am Maßstab der Norm des § 15 Abs. 1 BauNVO zu würdigen. Liegt ein Fall des § 34 Abs. 1 BauGB vor, so verletzt ein Bauvorhaben das Gebot der Rücksichtnahme, wenn es in unzumutbarer Weise bodenrechtliche Spannungen hervorruft bzw. bereits vorhandene Spannungspotentiale unzumutbar verschärft.Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 34 Rn. 32.

Zum anderen kann es sich im Einzelfall auch dann einfügen, wenn es sich zwar nicht in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, aber weder selbst noch in Folge seiner evtl. Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen noch vorhandene Spannungen zu erhöhen.

Spieß in Jäde/Dirnberger BauGB, BauNVO § 34 Rn. 90 ff. Bei einem Vorhaben im faktischen Baugebiet ist dies gleichbedeutend mit der in § 34 Abs. 2 Hs. 2 BauGB eröffneten entsprechenden Prüfung von § 31 Abs. 2 BauGB.

Hinweis

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Hinsichtlich des Einfügens eines Vorhabens in die Art der baulichen Nutzung gilt es bei gewerblichen Betrieben oder Handwerksbetrieben (Nr. 1a), der Erweiterung, Änderung Erneuerung oder Nutzungsänderung von zulässigerweise errichteten Wohnzwecken dienenden Gebäuden (Nr. 1b, c) die Erleichterung in § 34 Abs. 3a BauGB zu beachten. § 34 Abs. 3a sieht insoweit eine Abweichung im Einzelfall vor. Diese Erleichterung wurde in § 246 Abs. 8 BauGB auf die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung von Asylbewerberunterkünften erstreckt. Für Einzelhandelsbetriebe gilt es die Einschränkungen in § 34 Abs. 3a S. 2 BauGB zu beachten. Für die Fälle in Abs. 3a Nr. 1b, c schafft § 34 Abs. 3a S. 3 BauGB eine weitergehende Abweichungsmöglichkeit bei mehreren Vergleichsfällen.

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Einfügen im Sinne von § 34 Abs. 1, 2 BauGB

I.

Bestimmung der näheren Umgebung

 

 

Wechselwirkung von Baugrundstück und Umgebung

II.

Bewertung der vorgefundenen näheren Umgebung

 

 

Bei Art der baulichen Nutzung Prüfung, ob faktisches Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB vorliegt; falls ja: Direktanwendung der BauNVO für weitere Prüfung; bei Kriterien Maß, Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche BauNVO als Auslegungshilfe; Beurteilung im Weiteren am vorgefundenen tatsächlichen Rahmen

III.

Prüfen, ob Vorhaben Rahmen einhält oder nicht

 

 

Bei § 34 Abs. 2 BauGB Prüfung, ob Bauvorhaben nach der BauNVO allgemein oder zumindest ausnahmsweise zulässig ist

IV.

Prüfung von Ausnahmen (Gebot der Rücksichtnahme)

 

 

Bei Anwendung von § 34 Abs. 2 BauGB Prüfung von § 15 Abs. 1 BauNVO bei bislang zulässigem Vorhaben; bei bis dato unzulässigem Vorhaben Heranziehung von § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend; bei § 34 Abs. 1 BauGB Prüfung, ob unzumutbare bodenrechtliche Spannungen entstehen bzw. verschärft werden

3. Weitere Zulässigkeitskriterien in § 34 BauGB

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Neben dem Einfügen in die nähere Umgebung verlangt § 34 Abs. 1 S. 2 BauGB als weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Vorhabens im Innenbereich, dass die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben und dass das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden darf. Gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse wären nicht mehr gewahrt, wenn die Gebäude Immissionen ausgesetzt wären, bei denen eine Gesundheitsbeeinträchtigung naheliegend wäre, z.B. durch dauerhafte Überschreitung der maßgeblichen Lärmgrenzwerte. Daneben muss die Erschließung gesichert sein.

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Weitere Zulassungskriterien normiert § 34 BauGB nicht. Kein Beurteilungsmaßstab im Innenbereich sind insbesondere die Darstellungen des Flächennutzungsplans.

BVerwG NJW 1981, 2770 ff.; Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 34 Rn. 1. Bei der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 34 BauGB ist ausschließlich entscheidend, ob sich das Bauvorhaben in die nähere Umgebung des Baugrundstücks einfügt.

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Gleiches gilt für einen sich in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan. Dies gilt selbst dann, wenn dieser die formelle Planreife in § 33 Abs. 1 Nr. 1 BauGB aufweisen sollte. § 33 BauGB ist kein Versagungsgrund für ein Bauvorhaben im Innenbereich. Will die Gemeinde ihre planerischen Vorstellungen sichern, muss sie auf das Regelungsinstrumentarium in §§ 14, 15 BauGB zurückgreifen.

Vgl. Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 33 Rn. 2.

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Schließlich bedarf das Bauvorhaben im Innenbereich des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB. Wird dieses rechtswidrig von Seiten der Gemeinde verweigert, d.h. ist das Bauvorhaben nach § 34 BauGB planungsrechtlich zulässig, kann das Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB, Art. 67 Abs. 1 S.1 Hs. 2 BayBO von der Bauaufsichtsbehörde ersetzt werden.

Expertentipp

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Die Darstellungen des Flächennutzungsplanes, die einem Vorhaben im Innenbereich zuwiderlaufen, sind eine beliebte Klausurfalle. Beachten Sie, dass der Flächennutzungsplan im Innenbereich anders als im Außenbereich (§ 35 Abs. 3 Nr. 1, § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB) kein Beurteilungskriterium für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens ist.

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Prüfung des § 34 BauGB

I.

Feststellung eines Innenbereichs; im Zusammenhang bebauter Ortsteil

 

 

Abgrenzung von der regellosen Splitterbebauung und vom Außenbereich; räumliche Grenzen des Innenbereichs

II.

Einfügen des Vorhabens nach Art, Maß, Bauweise und überbaubarer Grundstücksflächen in die nähere Umgebung; Beachtung von eventuellen Abweichungsmöglichkeiten in § 34 Abs. 3a BauGB

 

 

Beachtung von § 34 Abs. 2 BauGB hinsichtlich des Einfügens in die Art der näheren Umgebung; siehe gesondertes Prüfungsschema

III.

Wahrung von gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen

IV.

Keine Beeinträchtigung des Ortsbildes

V.

Gesicherte Erschließung

VI.

Gemeindliches Einvernehmen nach § 36 BauGB

 

 

Bei rechtswidriger Verweigerung Ersetzungsmöglichkeit nach § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB, Art. 67 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BayBO

III. Innenbereichssatzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB

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§ 34 Abs. 4 S. 1 BauGB sieht die Möglichkeiten der nachfolgenden Satzungen vor. Die Satzungen in § 34 Abs. 4 S. 1 BauGB sind sämtlich weder genehmigungs- noch anzeigepflichtig. Nach § 34 Abs. 4 S. 2 BauGB können die verschiedenen Innenbereichssatzungen auch miteinander verbunden werden.

1. Abgrenzungssatzung nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB

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§ 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB ermächtigt die Gemeinde durch Satzung, die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Grundstücke festzulegen. Diese Satzung hat rein deklaratorischen Charakter und dient der exakten Grenzziehung zwischen vorhandener Bebauung und dem Außenbereich nach § 35 BauGB.

Spieß in Jäde/Dirnberger BauGB, BauNVO § 34 Rn. 39. Weitere Anforderungen als einen tatsächlich im Zusammenhang bebauten Ortsteil stellt § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB nicht auf.

2. Festlegungssatzung bzw. Entwicklungssatzung nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB

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§ 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB ermächtigt die Gemeinde durch Satzung, bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festzulegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Bauflächen dargestellt sind. Diese Satzungsmöglichkeit in § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB wirkt konstitutiv

Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 34 Rn. 84. dahingehend, dass unter den dort genannten Voraussetzungen ein Außenbereichsgrundstück zu einem Innenbereich nach § 34 BauGB „aufgewertet“ und umgewidmet wird. Weitere Voraussetzung einer Festlegungssatzung nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB ist nach § 34 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, dass sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der im Außenbereich vorhandene Siedlungsansatz so heterogen ist, dass seine künftige bauliche Entwicklung nur über einen ordnenden Bebauungsplan, nicht aber am Maßstab des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB erreicht werden kann.vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 34 Rn. 85. Daneben darf es durch die Satzung nicht zur Zulassung UVP-pflichtiger Bauvorhaben kommen (§ 34 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BauGB). Hinzuweisen ist ergänzend darauf, dass auch die Innenbereichssatzung nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB das Ergebnis einer ordnungsgemäßen Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange sein muss, um rechtlichen Bestand zu haben.Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 34 Rn. 79.

3. Einbeziehungssatzung bzw. Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB

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§ 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB ermächtigt die Gemeinde dazu, einzelne Außenbereichsgrundstücke in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einzubeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind. Diese konstitutiv wirkende Satzung

Spieß in Jäde/Dirnberger BauGB, BauNVO § 34 Rn. 45. dient der Abrundung einer bereits vorhandenen Bebauung. Es ist mit § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB nur möglich, Außenbereichsflächen an einen bereits vorhandenen Innenbereich anzugliedern und dergestalt die Außenbereichsgrundstücke „aufzuwerten“. Nicht möglich ist hingegen die isolierte Begründung eines Innenbereichs. Auch die Einbeziehungssatzung muss nach § 34 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BauGB mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sein, darf keine UVP-pflichtigen Bauvorhaben zulassen (§ 34 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BauGB) und muss Ergebnis einer ordnungsgemäßen Abwägung sein. Da sich die Regelung auf „einzelne“ Außenbereichsflächen beschränkt, die überdies durch die bereits vorhandene Bebauung geprägt werden, ist es mit § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB nicht möglich, bebaute Bereiche beliebig in den Außenbereich zu erweitern und dergestalt das Planungsinstrumentarium in den §§ 2 ff. BauGB zu umgehen. Der Anwendungsbereich der Einbeziehungssatzung beschränkt sich damit wesensgemäß auf eine Abrundung bereits vorhandener bebauter Bereiche durch angrenzende unbebaute Flächen.Spieß in Jäde/Dirnberger BauGB, BauNVO § 34 Rn. 50.
 

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