Baurecht Baden-Württemberg

Rechtsschutz des Bauherrn

I. Rechtsschutz des Bauherrn

1. Rechtsschutzbegehren: Erteilung einer Baugenehmigung

599

Eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO können Sie – nicht nur im Rahmen einer Klage auf Erteilung einer begehrten Baugenehmigung – wie folgt prüfen:

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Verpflichtungsklage

A.

Zulässigkeit

 

I.

Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges

 

 

 

Allgemein:

 

 

1.

Keine aufdrängende Sonderzuweisung

 

 

2.

Generalklausel, § 40 Abs. 1 VwGO

 

 

  

In der vorliegenden Konstellation:

 

 

  

§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO (+), da sich die Hauptfrage des Streits nach der öffentlich-rechtlichen Norm des § 58 Abs. 1 S. 1 LBO richtet.

 

 

3.

Keine abdrängende Sonderzuweisung

 

II.

Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO

 

 

Allgemein:
Der Kläger begehrt, dass der Beklagte zum Erlass eines von der Behörde abgelehnten (= Versagungsgegenklage) oder unterlassenen Verwaltungsakts (= Untätigkeitsklage) verpflichtet wird.

 

 

In den vorliegenden Konstellationen:

 

 

Konstellation 1 (ganz oder teilweise abgelehnter Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung):
Der Kläger begehrt den Erlass eines (ganz oder teilweise) abgelehnten Verwaltungsaktes in Form einer Baugenehmigung, so dass die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 2 Unteralt. 1 VwGO die statthafte Klage ist.

 

 

Konstellation 2 (Baurechtsbehörde hat über den Bauantrag nicht entschieden):
Der Kläger begehrt den Erlass einen Verwaltungsaktes in Form einer Baugenehmigung, da die Baurechtsbehörde über den Bauantrag nicht entschieden hat, so dass die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 2 Unteralt. 2 VwGO die statthafte Klageart ist.

 

III.

Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO

 

 

Allgemein:
Möglichkeit der Verletzung in einem subjektiven-öffentlichen Recht = Subjektives öffentliches Recht des Klägers auf Erlass des Verwaltungsakts.

 

 

In der vorliegenden Konstellation:
Möglichkeit der Verletzung im subjektiven öffentlichen Recht des Klägers auf Erlass der begehrten Baugenehmigung aus § 58 Abs. 1 S. 1 LBO.

 

IV.

Ordnungsgemäße und erfolglose Durchführung eines Vorverfahrens, § 68 VwGO

 

 

 

Ausnahme: Untätigkeitsklage, § 75 VwGO

 

V.

Klagefrist, § 74 VwGO

 

 

1.

Versagungsgegenklage, § 74 VwGO: grundsätzlich ein Monat; außer im Fall einer unvollständigen oder unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung, dann ein Jahr

 

 

2.

Untätigkeitsklage, § 75 VwGO: Mindestwartefrist von drei Monaten

 

 

3.

bei Verfristung: Wiedereinsetzung gemäß § 60 VwGO möglich

 

VI.

Partei- und Prozessfähigkeit, § 61 f. VwGO

 

VII.

Postulationsfähigkeit, § 67 VwGO

 

VIII.

Beiladung, § 65 VwGO

 

IX.

Keine anderweitige Rechtshängigkeit, § 173 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 S. 2 GVG

 

X.

Keine entgegenstehende Rechtskraft, § 121 VwGO

 

XI.

Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

 

XII.

Zuständigkeit des Gerichts, §§ 45 ff. VwGO

B.

Begründetheit
Die Klage ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Klagegegner i.S.d. § 78 VwGO richtet, die Ablehnung der Baugenehmigung oder die Unterlassung deren Erteilung rechtswidrig ist, der Kläger hierdurch in seinen Rechten verletzt ist und die Sache spruchreif ist, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.

 

I.

Richtiger Klagegegner, § 78 VwGO.

 

II.

Anspruch des Klägers auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts

 

 

1.

Anspruchsgrundlage, hier: § 58 Abs. 1 S. 1 VwGO

 

 

2.

Formelle Mängel des erlassenen Verwaltungsakt, d.h. einer ablehnenden Entscheidung der Baurechtsbehörde, sind ohne Bedeutung

 

 

3.

Materielle Anspruchsvoraussetzungen, d.h. Prüfung des § 58 Abs. 1 S. 1 LBO

 

 

4.

Rechtsfolge:

 

 

 

a)

bei einem gebundenen Verwaltungsakt, grundsätzlich im Fall des § 58 Abs. 1 S. 1 LBO:

 

 

 

 

aa)

Bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen: Stattgabe, d.h. Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts

 

 

 

 

bb)

Bei Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen: Klageabweisung

 

 

 

b)

bei einem Ermessensverwaltungsakt, im Fall des § 58 Abs. 1 S. 1 LBO liegt eine solche vor, wenn die Erteilung von Ausnahmen oder Befreiungen im Ermessen der Baurechtsbehörde steht

 

 

 

 

aa)

bei Spruchreife, d.h. im Falle einer Ermessensreduktion auf Null: Stattgabe, d.h. Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts

 

 

 

 

bb)

ohne Spruchreife aber bei Vorliegen von Ermessensfehlern: Bescheidungsurteil, § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO

 

III.

Rechtsverletzung des Klägers

 

 

 

Allgemein: in einem seiner subjektiven öffentlichen Rechte
In der hier vorliegenden Konstellation: Verletzung im subjektiv-öffentlichen Recht auf Erteilung einer Baugenehmigung aus § 58 Abs. 1 S. 1 LBO

Eine typische Fallkonstellation in einer baurechtlichen Klausur besteht darin, dass die Baurechtsbehörde einen Bauantrag des Bauherrn (ganz oder teilweise) ablehnt oder dass sie über einen Bauantrag nicht entschieden hat.

a) Zulässigkeit

aa) Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO

600

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs richtet sich im Baurecht mangels aufdrängender Sonderzuweisung

Aufdrängende Sonderzuweisungen sind z.B. für Klagen aus dem öffentlichen Dienstrecht gegeben: für Beamte § 54 Abs. 1 BeamtStG und der fortgeltende, vgl. § 63 Abs. 3 S. 2 BeamtStG, § 126 Abs. 1 BRRG, für Richter § 46 DRiG i.V.m. den zuvor genannten §§, für Soldaten § 82 Abs. 1 SG. nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt nach der modifizierten Subjektstheorie vor, da sich die Hauptfrage des Streits nach der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 58 Abs. 1 S. 1 LBO richtet. Durch diese wird ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt besonders berechtigt und verpflichtet.

Hinweis

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Begründen Sie die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nicht damit, dass Grundrechte betroffen sind. Grundrechte sind nicht rechtswegbestimmend, da auch die Zivilgerichte im Wege der mittelbaren Drittwirkung Grundrechte zu beachten haben.

Baurechtliche Streitigkeiten sind auch nichtverfassungsrechtlicher Art i.S.d. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO, denn am Streit sind weder zwei unmittelbar am Verfassungsleben beteiligte Personen beteiligt (formelle Verfassungsunmittelbarkeit), noch stellt die Hauptfrage des Streits die Auslegung und Anwendung der Verfassung dar (materielle Verfassungsunmittelbarkeit).

Ob eine doppelte Verfassungsunmittelbarkeit gegeben sein muss, ist zwar strittig, wird jedoch ganz herrschend angenommen, vgl. Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 125 ff.

Expertentipp

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Wie die Abgrenzung zwischen einer öffentlich-rechtlichen und einer privatrechtlichen Streitigkeit zu erfolgen hat, ist umstritten.

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 99 ff. Auf die hierzu vertretenen Auffassungen ist jedoch nur einzugehen, wenn sich bezüglich der Abgrenzung Probleme ergeben.Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 99. Stellen Sie diese Auffassungen in Konstellationen dar, in denen das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit gleichsam auf der Hand liegt, so wirkt sich dies auf die Bewertung Ihrer Arbeit negativ aus,Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 99. da die erste juristische KlausurleistungSehr gute Hinweise zur Bearbeitung von Klausuren finden Sie – auch wenn Sie (noch) keine Assessorklausuren schreiben – bei Kintz Öffentliches Recht im Assessorexamen Rn. 1 ff. darin besteht, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen.Kenntner Öffentliches Recht in Baden-Württemberg S. 16. Fassen sie sich daher bei der Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs in der gebotenen Weise kurz, wenn diese unproblematischProblematisch sind insbesondere Störungsabwehr- und Unterlassungsansprüche, Maßnahmen im Bereich der Leistungsverwaltung, bei Hausrechtsmaßnahmen und Realakten, vgl. hierzu Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 116 ff. ist.

Schreiben Sie bei der Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs auch nicht, wie es leider häufig erfolgt, dass sich die Streitigkeit nach den Normen der LBO und des BauGB richtet. Dies ist unpräzise und nicht belegt. Es ist nicht zwingend, dass alle Normen, die in einem grundsätzlich dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Gesetz enthalten sind, zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gehören.

Kenntner Öffentliches Recht in Baden-Württemberg S. 16. Besonders deutlich zeigt sich dies im Falle des polizeirechtlichen Entschädigungsanspruchs nach § 100 PolG, denn diesbezügliche Streitigkeiten sind nach § 103 PolG den ordentlichen Gerichten zugewiesen.

Einer knappen und präzisen Prüfung kommt besondere Bedeutung zu, da sie ansonsten gleich zu Beginn der Klausur einen schlechten (und eventuell auch bleibenden) Eindruck beim Korrektor hinterlassen können.

Ebenso, wenn auch etwas milder („unglücklicher Eindruck“), Kenntner Öffentliches Recht in Baden-Württemberg S. 16.

Jedenfalls in Assessorklausuren hat keine Darstellung der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit zu erfolgen, wenn diese nicht gegeben ist.

Kenntner Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, S. 16.

bb) Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage, §§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO

601

Welche Klageart statthaft ist, bestimmt sich gem. §§ 86, 88 VwGO nach dem tatsächlichen Begehren des Klägers, wie es sich bei verständiger rechtlicher Würdigung darstellt.

Begehrt der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung, die einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 LVwVfG darstellt, so ist die Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Die Verpflichtungsklage kann, sofern die Baurechtsbehörde einen Bauantrag (ganz oder teilweise) abgelehnt hat, in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 Unteralt. 1 VwGO oder, wenn die Behörde es unterlassen hat, über einen Bauantrag zu entscheiden, in Form der Untätigkeitsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 Unteralt. 2 VwGO statthaft sein.

S. zu den Arten der Verpflichtungsklage Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 263.

Expertentipp

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Differenzieren Sie sauber zwischen dem Vorliegen von Alternativen und Varianten: Alternativen sind – untechnisch ausgedrückt – gegeben, wenn in der Norm zwei Möglichkeiten, Varianten dann, wenn in der Norm drei oder mehr Möglichkeiten gegeben sind. Korrektoren legen auf diese Unterscheidung großen Wert.

cc) Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO

602

Im Rahmen einer Verpflichtungsklage ist das Vorliegen der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlich. Die Klagebefugnis i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO, die den Ausschluss von Popularklagen bezweckt,

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 490. ist gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Kläger durch die (ganze oder teilweise) Ablehnung seines Bauantrages oder durch das Unterlassen in seinen Rechten verletzt ist.So die herrschende Möglichkeitstheorie, vgl. hierzu und auch zur teilweise vertretenen Schlüssigkeitstheorie Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 494. Die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten (zum Begriff des Rechts s. Rn. 632) besteht, sofern eine Verletzung nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist.Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 494. Bei einer Verpflichtungsklage ist darauf abzustellen, ob dem Kläger im o.g. Sinn ein Anspruch auf den Erlass des von ihm begehrten Verwaltungsakts zusteht.

Die rechtswidrige Ablehnung der Baugenehmigung oder das Unterlassen einer Entscheidung über den Bauantrag des Klägers begründet die Möglichkeit einer Verletzung in dessen subjektiven öffentlichen Recht aus § 58 Abs. 1 S. 1 LBO. Bei der Entscheidung über die Erteilung einer Baugenehmigung handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass grundsätzlich ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung besteht (s. Rn. 425).

Expertentipp

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Eine beliebte „Klausurfalle“ ist es, dass der Bauherr nicht zugleich Eigentümer des Grundstücks ist, auf dem das bauliche Vorhaben realisiert werden soll. Hier müssen Sie zunächst auf § 42 LBO abstellen. In dessen Abs. 1 ist zwar der Begriff des Bauherren genannt, jedoch nicht legal definiert. Bauherr ist, wer auf seine Verantwortung ein Bauvorhaben vorbereitet oder ausführt bzw. vorbereiten oder ausführen lässt. Entscheidend ist die von einem entsprechenden Willen getragene Letztentscheidungsbefugnis über das Baugeschehen.

Schlotterbeck/v. Arnim/Hager-Hager LBO § 42 Rn. 3. Abzustellen ist dann auf § 58 Abs. 3 LBO, wonach die Baugenehmigung unbeschadet der Rechte Dritter erteilt wird. Hieraus wird deutlich, dass der Eigentümer und der materiell Berechtigte identisch sein können, dies jedoch nicht sein müssen. Bauherren können daher auch obligatorisch Berechtigte, wie Mieter, Pächter, Nießbraucher oder Erbbauberechtigte sein, jedoch nur, wenn sie die tatsächliche Herrschaft über das Baugeschehen ausüben und den Willen zur Letztverantwortung haben.Schlotterbeck/v. Arnim/Hager-Hager LBO § 42 Rn. 8.

Im Falle einer Verpflichtungsklage dürfen Sie nicht mit der Adressatentheorie, wonach für den Fall eines an den Kläger gerichteten Verwaltungsakts dieser zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt sein, argumentieren, denn auf die Ablehnung des Antrags darf nicht abgestellt werden:

Zutreffend Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 512; a.A. Schmidt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 512. Art. 2 Abs. 1 GG begründet nämlich prinzipiell nur ein Abwehr- und kein Leistungsrecht. Würde man dies anders sehen, so könnte ein Kläger durch die Provozierung einer Ablehnung für den Fall, dass ihm der begehrte Anspruch nicht zusteht, die ansonsten nicht gegeben Klagebefugnis herbeiführen. Weiterhin würde § 42 Abs. 2 VwGO im Fall einer Versagungsgegenklage ansonsten überflüssig, da § 68 Abs. 2 VwGO bereits die Ablehnung eines Antrags voraussetzt.

dd) Widerspruchsverfahren, § 68 ff. VwGO

603

Ein Widerspruchsverfahren muss vor Erhebung der Verpflichtungsklage gemäß § 68 Abs. 2 i.V.m. § 68 Abs. 1 VwGO grundsätzlich erfolglos durchgeführt werden.

S. Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 639. Ausnahmen von diesem Grundsatz sieht § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO vor. In Baden-Württemberg ist insbesondere § 68 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 S. 1 AGVwGO von Bedeutung, wonach ein Vorverfahren entbehrlich ist, wenn das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt erlassen oder abgelehnt hat.

ee) Klagefrist, § 74 VwGO

604

Sollte der Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung (ganz oder teilweise) abgelehnt werden, so ist die Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids, § 74 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 VwGO, oder wenn ein Widerspruchsverfahren nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO gemäß § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO entbehrlich ist nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. § 74 Abs. 2 VwGO erfasst die Konstellation der Versagungsgegenklage.

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 703. § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO erfordert die ordnungsgemäße förmliche Zustellung des Widerspruchsbescheids.S. Kopp/Schenke VwGO § 74 Rn. 5.

Hinweis

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Die Zustellung des Widerspruchsbescheids richtet sich nach dem BundesVwZG – auch wenn sich das Verfahren ansonsten nach dem Landesrecht richtet.

BVerwGE 105, 288. Dies stellt einen häufigen Fehler in Assessorklausuren dar.Kintz Öffentliches Recht im Assessorexamen Rn. 272.

An dieser Stelle der Klausur können Probleme aus dem Zustellungsrecht zu erörtern sein. Beachten Sie, dass Ihnen in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung in den öffentlich-rechtlichen Aufsichtsarbeiten in Baden-Württemberg Thomas/Putzo, ZPO nicht zur Verfügung steht.

Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über die Hilfsmittel in den juristischen Staatsprüfungen und der Rechtspflegerprüfung vom 25. April 2012, Nr. II, A, 3. In § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 2 BVwZG wird die entsprechende Anwendung der §§ 177 ff. ZPO angeordnet. Das Zustellungsrecht nach §§ 177 ff. ZPO müssen Sie daher ohne Zuhilfenahme des Kommentars beherrschen. Besonders prüfungsrelevant ist § 180 ZPO.Kintz Öffentliches Recht im Assessorexamen Rn. 276.

Die Klagefrist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheids beginnt jedoch gemäß § 58 Abs. 1 VwGO nur zu laufen, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß erteilt worden ist. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung nicht oder nicht ordnungsgemäß erteilt worden, so besteht eine Frist von einem Jahr nach Zustellung nach § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO. Die Fristberechnung, die in Klausuren sehr beliebt ist,

Zumindest auf Seiten der Klausurverfasser. erfolgt nach §§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO, 187 ff. BGB.

Expertentipp

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Ist in der Ihnen vorgelegten Arbeit im Sachverhalt bzw. in der Akte der Passus enthalten, dass die Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß erteilt worden ist, so beziehen Sie sich in Ihrer Lösung darauf und stellen fest, dass die Monatsfrist gilt, §§ 74 Abs. 2, Abs. 1, § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO.

Ist hingegen die Rechtsbefehlsbelehrung – was insbesondere in Assessorklausuren der Fall ist – abgedruckt, so müssen Sie die Rechtsbehelfsbelehrung sorgfältig darauf überprüfen, ob diese ordnungsgemäß ist. Fehlerhaft ist eine Belehrung auch dann, wenn den in § 58 Abs. 1 VwGO geforderten Angaben ein unrichtiger oder irreführender Zusatz beigefügt ist, der generell geeignet ist, die Einlegung des Rechtsbehelfs nennenswert zu erschweren.

Kintz Öffentliches Recht im Assessorexamen Rn. 282.

In Assessorklausuren muss im Falle der Verfristung immer an die Wiedereinsetzung in die Klagefrist nach § 60 VwGO gedacht werden.

Ist die Konstellation einer Untätigkeitsklage gegeben, so gilt § 75 VwGO. Nach § 75 S. 2 VwGO kann die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist, vgl. § 75 S. 2 VwGO. Eine kürzere Frist in diesem Sinn ist z.B. gegeben, wenn der Kläger ohne eine alsbaldige Entscheidung einen schweren und irreparablen Schaden erleiden würde.

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 715.

Expertentipp

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Beachten Sie, dass es sich bei § 75 VwGO nicht um eine Sperrfrist handelt.

Kopp/Schenke VwGO § 75 Rn. 8. Bei § 75 VwGO handelt es sich um eine echte Sachurteilsvoraussetzung, so dass für deren Beurteilung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist.Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 717. Dies kann zur Folge haben, dass eine Klage zunächst unzulässig ist, dann jedoch im Verlauf der Verhandlung durch den Zeitablauf bis zur letzten mündlichen Verhandlung zulässig wird (sog. Hineinwachsen der Klage in die Zulässigkeit).Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 717. Um eine Unzulässigkeit der Klage zu vermeiden, wird das Gericht bei einer verfrüht erhobenen Klage das Verfahren analog § 75 S. 3 VwGO durch Beschluss bis zum Ablauf der Drei-Monats-Frist aussetzen.BVerwGE 23, 235, 138; Deckenbrock/Patzer Jura 2003, 476, 481; a.A. Menger/Erichsen VerwArch Bd. 58 (1967), 70, 80.

Die Untätigkeitsklage erfordert weiterhin, dass kein zureichender Grund dafür vorliegt, dass nicht in angemessener Frist entschieden worden ist, § 75 S. 3 VwGO. Grundsätzlich hat eine Behörde so rasch zu entscheiden, wie es ihr ohne Nachteil für die gebotene Gründlichkeit möglich ist.

Kopp/Schenke VwGO § 75 Rn. 8. Ein zureichender Grund für die Verzögerung ist z.B. der besondere Umfang oder die besonderen Schwierigkeiten der Sachaufklärung.Kintz Öffentliches Recht im Assessorexamen Rn. 269. Vgl. auch die Bsp. bei Kopp/Schenke VwGO § 75 Rn. 13 ff. Eine krankheits- oder urlaubsbedingte Abwesenheit des zuständigen Sachbearbeiters stellt keinen zureichenden Grund dar, da die Verwaltung in derartigen Fällen für eine ausreichende Vertretung zu sorgen hat.Kintz Öffentliches Recht im Assessorexamen Rn. 269.

ff) Partei- und Prozessfähigkeit, § 61 VwGO

605

Sollte eine natürliche Person klagen, so ist diese gemäß § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO partei- und gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt VwGO i.V.m. §§ 2, 104 ff. BGB prozessfähig.

Ist hingegen eine juristische Person oder eine BGB-Gesellschaft Klägerin, so folgt die Parteifähigkeit aus § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO und die Prozessfähigkeit aus § 62 Abs. 3 VwGO, wobei eine Vertretung erforderlich ist.

Die Partei- und Prozessfähigkeit des Klagegegners bestimmt sich danach, welche Behörde die Erteilung einer Baugenehmigung abgelehnt hat.

gg) Beiladung, § 65 VwGO

606

Durch die Beiladung nach § 65 VwGO wird die Beteiligtenstellung des Beigeladen nach § 63 Nr. 3 VwGO begründet. Die hiermit bezweckte Einbeziehung Dritter in das Verfahren dient der Wahrnehmung ihrer Interessen, einer umfassenden Streitaufklärung sowie wegen der durch §§ 121 Nr. 1, 63 Nr. 3 VwGO bewirkten Rechtskrafterstreckung auch der Prozessökonomie.

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 464. Zu unterscheiden ist zwischen der einfachen, § 65 Abs. 1 VwGO, und der notwendigen Beiladung gemäß § 65 Abs. 2 VwGO.

Die einfache Beiladung kann nach dem Ermessen des Gerichts auf Antrag oder von Amts wegen erfolgen, wenn Personen durch die Entscheidung in deren rechtlichen Interessen berührt werden, § 65 Abs. 1 VwGO. Dies gilt jedoch nur, wenn kein Fall der notwendigen Beiladung gegeben ist.

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 464. Da § 65 Abs. 1 VwGO den Begriff des rechtlichen Interesses und nicht den des Rechts verwendet, ist es nicht erforderlich, dass der Betroffene in seiner Rechtsstellung berührt wird.Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 464. Andererseits muss es sich gerade um ein rechtliches Interesse handeln, weswegen rein wirtschaftliche, soziale oder ideelle Interessen nicht ausreichen.Kopp/Schenke VwGO § 65 Rn. 9 ff.

Bei Nachbarn kommt, auch wenn sie im Baugenehmigungsverfahren Einwendungen erhoben haben, grundsätzlich nur eine einfache Beiladung in Betracht.

Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 828; Dürr JuS 2007, 328, 329; VGH Baden-Württemberg NJW 1977, 1308; a.A. Redeker/v. Oertzen VwGO § 65 Rn. 9a. Nachbarn werden nämlich nicht durch das Urteil des Verwaltungsgerichts, also nicht „durch die Entscheidung“ i.S.d. § 65 Abs. 1 VwGO, sondern erst durch die daraufhin ergehende Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt.Bosch/Schmidt/Vondung Praktische Einführung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren Rn. 138.

Eine Beiladung muss zwingend, also notwendig, erfolgen, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, § 65 Abs. 2 VwGO. Dies ist dann zu bejahen, wenn der Dritte durch die Entscheidung negativ betroffen wird, also unmittelbar Rechte des Dritten gestaltet, bestätigt, festgestellt, verändert oder aufgehoben werden.

Kopp/Schenke VwGO § 65 Rn. 17.

Soweit die Baugenehmigung nach § 36 Abs. 1 BauGB (s. Rn. 400 ff.) nur im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt werden darf, muss die Gemeinde nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beigeladen werden.

Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 828; Dürr JuS 2007, 328, 329. Der Grund hierfür liegt darin, dass durch das verwaltungsgerichtliche Urteil das gemeindliche Einvernehmen ersetzt wird.Dürr JuS 2007, 328, 329.

Hinweis

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Versagt die Gemeinde ihr Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB, so handelt es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt (s. Rn. 411 f.). Daher muss eine Verpflichtungsklage auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung erhoben werden.

Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 828.

Wird durch die Entscheidung über das Klagebegehren des Bauherrn jedoch in die Rechtsstellung des Nachbarn eingegriffen, weil sie diesem gegenüber nicht nur feststellende, sondern auch gestaltende Wirkung hat, so muss der Nachbar notwendig beigeladen werden.

Finkelnburg/Ortloff/Otto Öffentliches Baurecht Band II S. 268.

b) Begründetheit

607

Die Klage ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten i.S.d. § 78 VwGO richtet, die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig, der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist und die Spruchreife gegeben ist, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Letzteres ist dann der Fall, wenn der Kläger einen Anspruch auf den Verwaltungsakt (hier in Form der Baugenehmigung) hat,

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 841. da in diesem Fall ist die Spruchreife i.S.d. § 113 Abs. 5 S. 1 letzter Hs. VwGO gegeben ist.

Spruchreife ist gegeben, wenn das Verwaltungsgericht zu einer abschließenden Entscheidung über den Erlass des Verwaltungsakts in der Lage ist.

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 838. Sie fehlt hingegen, wenn der Verwaltung ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zusteht,Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 838. der Kläger also keinen Anspruch auf Erlass des von ihm begehrten Verwaltungsakts hat. In diesem Fall ergeht gemäß im Fall eines Ermessensfehlers i.S.d. § 114 S. 1 VwGO nach § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO ein Bescheidungsurteil, durch welches die Behörde verpflichtet wird unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Fall einer Ermessensentscheidung ist die Spruchreife nur im Fall einer Ermessensreduktion auf Null gegeben. In diesem Fall hat der Kläger einen Anspruch auf Erlass des von ihm begehrten Verwaltungsakts.

aa) Passivlegitimation des Beklagten

608

Hinweis

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Umstritten ist, ob § 78 VwGO die Passivlegitimation oder die passive Prozessführungsbefugnis regelt.

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 544 ff. Die h.M. geht davon aus, dass die im Rahmen der Begründetheit zu prüfende Passivlegitimation geregelt wird.BVerwGE 116, 78, 83; Bayerischer VGH BayVBl 1990, 312; Rn. Bader/Funke-Kaiser/v. Aberdyll-Funke-Kaiser VwGO, § 78 Rn. 1; Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 238; Würtenberger Verwaltungsprozessrecht Rn. 596. Die Passivlegitimation liegt vor, wenn der Beklagte befugt ist, über den Streitgegenstand zu verfügen.Kintz Öffentliches Recht in Baden-Württemberg. Eine t.v.A. sieht hierin die im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfende passive Prozessführungsbefugnis.Hessischer VGH NVwZ-RR 2005, 519; Kopp/Schenke VwGO § 78 Rn. 1; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 546; Hufen Verwaltungsprozessrecht § 12 Rn. 40ff; Ehlers Jura 2004, 30, 35. Die umstrittene Einordnung hat also Auswirkungen auf den Klausuraufbau. Da es sich um ein Aufbauproblem handelt und solche nicht zu begründen sind, können Sie sich der nach Ihrer Ansicht zutreffenden Auffassung anschließen und entsprechend aufbauen. Für eine mündliche Prüfung müssen Sie dieses Problem jedoch beherrschen.S. vertiefend Rozek JuS 2007, 601, 602. Vorliegend wird der h.M. gefolgt.

Wer passivlegitimiert i.S.d. § 78 VwGO ist, richtet sich danach, wer Rechtsträger der Behörde ist, die den Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen i.S.d. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO hat. Das Behördenprinzip nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gilt in Ermangelung einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung Baden-Württemberg nicht. Es gilt das Rechtsträgerprinzip.

Expertentipp

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Im Rahmen der Passivlegitimation ist nicht zu erörtern, ob die handelnde Behörde tatsächlich zuständig war, da dies eine Frage der formellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, nicht aber eine solche nach dem richtigen Beklagten ist.

Kintz Öffentliches Recht im Assessorexamen Rn. 298.

bb) Anspruch des Klägers auf den Erlass des von ihm begehrten Verwaltungsakts

609

Im Anschluss ist zu prüfen, ob ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung gegeben ist. Dies bestimmt sich nach dem obigen Prüfungsschema (s.o. Rn. 441).

Hinweis

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Formelle Mängel des ergangenen, ablehnenden Bescheids oder des Widerspruchsbescheids sind für die Verpflichtungsklage ohne Bedeutung – und damit nicht zu prüfen –, da diese den vom Kläger geltend gemachten Anspruch nicht zum Erfolg verhelfen können.

Kintz Öffentliches Recht im Assessorexamen Rn. 365. Bei einer Verpflichtungsklage ist die ablehnende behördliche Entscheidung im engeren Sinn nicht Gegenstand des Verfahrens, da über den Anspruch ohne Rücksicht auf Mängel des Verwaltungsverfahrens zu entscheiden ist.BVerwG DÖV 1985, 407, 408.

Die Rechtsfolge besteht, da es sich im Fall des § 58 Abs. 1 S. 1 LBO um eine gebundenen Entscheidung handelt, bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen in der Stattgabe, d.h. Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts und bei Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen in der Klageabweisung.

Sollte die Erteilung von Ausnahmen nach §§ 31 Abs. 1 BauGB, 56 Abs. 3, Abs. 4 LBO und Befreiungen nach §§ 31 Abs. 2 BauGB, 56 Abs. 5 LBO in Frage stehen, so handelt es sich um eine Ermessensentscheidung mit der Folge, dass grundsätzlich ein Bescheidungsurteil zu ergehen hat.

Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 829.

Hinweis

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Ob ein Bescheidungs- oder Verpflichtungsurteil ergeht hängt von der Beantwortung der umstrittenen Frage ab, ob auf die Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung ein Anspruch besteht (s. Rn. 317 ff.)

cc) Rechtsverletzung des Klägers

610

Die Rechtsverletzung des Klägers i.S.d. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO ist gegeben, wenn der Kläger dem Personenkreis angehört, dem gegenüber die Rechtsnorm den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts erlaubt. Dies ist im Fall eines Anspruchs auf Erteilung einer Baugenehmigung zu bejahen.

Expertentipp

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Problematisch und daher in einer Fallbearbeitung ausführlich darzustellen ist die subjektive Rechtsverletzung, wenn der vom Kläger begehrte Verwaltungsakt gegenüber einem Dritten ergehen soll, also wenn eine Drittbeteiligungskonstellation gegeben ist.

Kintz Öffentliches Recht im Assessorexamen Rn. 373. In diesem Fall müssen Sie erörtern, ob die einschlägige Norm drittschützenden Charakter hat. Nur wenn dies der Fall ist und, sollte es sich um eine Ermessensvorschrift handeln, wenn eine Ermessensreduktion auf Null gegeben ist, ist die Rechtsverletzung des Klägers zu bejahen.

2. Rechtsschutzbegehren: Feststellung der vormaligen Verpflichtung zur Erteilung einer Baugenehmigung

493

Expertentipp

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Wiederholen Sie die Fortsetzungsfeststellungsklage.

Ändert sich während der Anhängigkeit der Klage die Rechtslage zu Ungunsten des Bauherrn, kann dieser gem. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung beantragen, dass sein Vorhaben nach der alten Rechtslage zulässig gewesen wäre.

Beispiel

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Wie das Beispiel oben jedoch hat die Gemeinde während der Anhängigkeit des Klageverfahrens des F einen Bebauungsplan mit einer Veränderungssperre für das betreffende Gebiet beschlossen, dessen Festsetzungen nur noch Wohnbebauung mit maximal zwei Vollgeschossen zulässt. Um eine entgegenstehende Bebauung zu verhindern, wird eine Veränderungssperre beschlossen.

In diesem Fall ist das Vorhaben des F nicht zulässig und die Veränderungssperre verhindert dessen Verwirklichung. Auf Grund der Festsetzungen im Bebauungsplan hat sich das Klagebegehren des F, eine Baugenehmigung zu erhalten, nach Klageerhebung erledigt, so dass F nur noch eine Fortsetzungsfeststellungsklage erheben kann.

494

Sollte sich die Rechtslage schon vor Klageerhebung geändert haben, so hat der Bauherr die Möglichkeit eine Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog.

a) Überblick

611

Expertentipp

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Wiederholen Sie die Fortsetzungsfeststellungsklage.

Möglich ist auch, dass Sie das Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Baugenehmigung im Falle der Erledigung im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog zu prüfen haben.

Diese Klageart wird als Fortsetzungsfeststellungsklage bezeichnet, da sie von ihrem Rechtsschutzziel eine Feststellungsklage ist, sich jedoch hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen und teilweise hinsichtlich ihres Streitgegenstands mit der Anfechtungsklage deckt.

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 309. Mit ihr wird eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, die wegen der Erledigung des Verwaltungsakts unstatthaft ist, mit teilweise abweichenden Sachurteilsvoraussetzungen quasi fortgesetzt.Daher wird die Fortsetzungsfeststellungsklage auch als amputiert Anfechtungs- und amputierte Verpflichtungsklage bezeichnet, vgl. Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 862 ff.

b) Erledigung eines belastenden oder begünstigenden Verwaltungsakts vor oder nach Klageerhebung, § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog

612

Der Verwaltungsakt, also die Baugenehmigung, muss sich erledigt haben. Was unter dem Begriff der Erledigung zu verstehen ist, wird durch § 43 Abs. 2 VwVfG konkretisiert.

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 310. Nach dieser Vorschrift bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, soweit und solange er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Eine Erledigung auf andere Weise ist gegeben, wenn die Aufhebung des Verwaltungsakts sinnlos geworden ist, weil von ihm keinerlei Rechtswirkungen mehr ausgehen.Vgl. hierzu Kopp/Schenke VwGO § 113 Rn. 102.

Definition

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Definition: Erledigung

Eine Erledigung ist gegeben, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder tatsächliche wesentliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.

Hinweis

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Der bloße Vollzug eines Verwaltungsakts führt nicht zur Erledigung.

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 314. Dies folgt aus § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO, denn der dort geregelte Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch setzt die vorherige Aufhebung eines vollzogenen, rechtswidrigen, aber zunächst wirksamen Verwaltungsakts voraus.Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 314. Eine Erledigung ist daher im Falle des Vollzugs erst gegeben, wenn die Vollzugsfolgen nicht mehr rückgängig gemacht werden können.Kopp/Schenke VwGO § 113 Rn. 104.

Eine Erledigung kann im Baurecht insbesondere in folgenden Konstellationen eintreten:

durch den Wegfall des Regelungsobjekts

Vgl. BVerwGE 140, 221; VGH Baden-Württemberg NVwZ-RR 1990, 171, 172; VGH Baden-Württemberg NVwZ-RR 2009, 715.

Beispiel

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Das Gebäude für das eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung beantragt wurde, ist z.B. durch einen Brand vollständig zerstört worden.

durch die endgültige Aufgabe des Vorhabens

Kopp/Schenke VwGO § 113 Rn. 103.

Beispiel

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Der Bauherr gibt unter ausdrücklicher Erklärung seines Verzichtswillens sein Vorhaben, auf einem seiner zwei Grundstücke ein eigengenutztes Wohngebäude zu errichten, auf, weil er mit der Errichtung eines solchen auf seinem zweiten Grundstück begonnen hat.

durch die inhaltliche Überholung der Regelung durch eine neue Sachentscheidung

Vgl. BVerwGE 143, 87.,

durch einen einseitigen Verzicht

BVerwGE 84, 209, 211 f.; VGH Baden-Württemberg NVwZ 1995, 280.,

durch die Änderung der Sach- oder Rechtslage, wenn diese den Verwaltungsakt ausnahmsweise gegenstandslos werden lässt.

BVerwGE 143, 87; VGH Baden-Württemberg NVwZ 1995, 280.

Beispiel

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Die Gemeinde hat während der Anhängigkeit des Klageverfahrens einen Bebauungsplan mit einer Veränderungssperre für das betreffende Gebiet beschlossen, dessen Festsetzungen einem Vorhaben entgegenstehen. Um eine entgegenstehende Bebauung zu verhindern, wird eine Veränderungssperre beschlossen.

In diesem Fall ist das Vorhaben unzulässig und die Veränderungssperre verhindert dessen Verwirklichung. Auf Grund der Festsetzungen im Bebauungsplan hat sich das Klagebegehren, eine Baugenehmigung zu erhalten, nach Klageerhebung erledigt, so dass nur noch im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung beantragt werden kann, dass das Vorhaben nach der alten Rechtslage zulässig gewesen war.

613

§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO erfasst direkt nur den Fall der Erledigung einer Anfechtungsklage, deren angefochtener (belastender) Verwaltungsakt sich nach Klageerhebung und vor Urteilsverkündung erledigt hat.

BVerwG, Urt. v. 04.12.2014 - BVerwG 4 C 33.13. Erledigt sich der belastende Verwaltungsakt (damit Anfechtungssituation) bereits vor der Klageerhebung, so findet nach allg. Meinung die Fortsetzungsfeststellungsklage analoge Anwendung. Erfasst ist in analoger Anwendung aber auch die Konstellation der Erledigung eines begünstigenden Verwaltungsakts, d.h. die Konstellationen in denen sich der Verwaltungsakt im Rahmen einer Verpflichtungssituation erledigt hat. Insoweit ist die Fortsetzungsfeststellungsklage analog in diesen Verpflichtungssituationen sowohl bei Erledigung des Verwaltungsaktes vor als auch nach Klageerhebung statthaft. BVerwGE 52, 313, 316; BVerwGE 81, 365; 365; BVerwGE 89, 354, 355.

Im Falle der Erledigung einer Baugenehmigung findet somit § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog Anwendung.

Die gelegentlich anzutreffende Formulierung, dass § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog analog Anwendung findet ist zwar anschaulich, jedoch fehlerhaft, da es eine doppelte Analogie nicht gegeben kann.

c) Begründetheit

614

Die auf eine mögliche Verpflichtungsklage folgende Fortsetzungsfeststellungsklage, also im Falle eines erledigten begünstigenden Verwaltungsakts, wie dies bei einer erledigten Baugenehmigung gegeben ist, ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet und der Beklagte verpflichtet war, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen. Hinsichtlich des Aufbaus wird auf das oben dargestellte Aufbauschema zur Verpflichtungsklage und auf die Ausführungen unter Rn. 607 ff. verwiesen.

3. Rechtsschutzbegehren: Aufhebung einer Nebenbestimmung

615

Sollte die Baurechtsbehörde zwar die begehrte Baugenehmigung erteilt haben, dieser jedoch belastende Nebenbestimmungen hinzugefügt haben, so stellt sich die Frage, wie der Bauherr hiergegen gerichtlich vorgehen kann. Es handelt sich um den Problemkreis der isolierten Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen, also ob der Bauherr nur gegen eine ihn belastende Nebenbestimmung eine Anfechtungsklage erheben kann.

616

a) Eine Mindermeinung geht davon aus, dass gegen alle Nebenbestimmungen, also auch gegen die Auflage, nur im Wege einer Verpflichtungsklage auf uneingeschränkte Begünstigung vorgegangen werden könne.

Fehn DÖV 1988, 202, 207 ff.; Stadie DVBl 1991, 613. Als Argument dient die Behauptung, dass alle Nebenbestimmungen unselbstständige Bestandteile eines Verwaltungsakts seien, weswegen ein isoliertes Vorgehen gegen diese nicht möglich sei.

617

b) Eine weitere Mindermeinung geht davon aus, dass eine isolierte Anfechtungsklage bei allen Arten der Nebenbestimmungen zulässig sei.

Stelkens/Bonk/Sachs-Stelkens VwVfG § 36 Rn. 59. Hierfür wird angeführt, dass aus der in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO enthaltenen Möglichkeit der Teilaufhebung (vgl. den Wortlaut „soweit“) die Möglichkeit der Teilanfechtung folge.

618

c) Teilweise wird nach der Art der Nebenbestimmung unterschieden.

Axer Jura 2001, 748, 752; Kopp/Ramsauer VwVfG § 36 Rn. 63; Pietzcker NVwZ 1995 15, 20; Remmert VerwArch Bd. 88 (1997), 112, 135; Strömer DVBl 1996, 81; Sieckmann DÖV 1998, 525, 532 (für die Auflage und den Auflagenvorbehalt); Stein DVP, 2010 459; VGH Baden-Württemberg VBlBW, 1994, 23 und 443; Hessischer VGH NVwZ-RR 1992, 460; früher auch BVerwGE 36, 145, 154; BVerwG DÖV 1974, 380, 381; BVerwG DÖV 1974, 563. Eine isolierte Anfechtungsklage komme nur im Falle einer Auflage in Betracht; bei den übrigen Arten der Nebenbestimmungen, also bei einer Befristung, Bedingung und einem Widerrufsvorbehalt, sei eine Verpflichtungsklage auf Erteilung der Genehmigung ohne die belastende Nebenbestimmung zu erheben. Hierfür wird angeführt, dass nur die Auflage eine vom Verwaltungsakt abtrennbare Nebenbestimmung sei und woraus die Möglichkeit der isolierten Anfechtung folge. Die Auflage sei zwar vom Hauptverwaltungsakt abhängig, dessen Wirksamkeit hänge jedoch nicht von der Auflage ab. Sie sei daher eine eigenständige rechtliche Regelung.Bosch/Schmidt/Vondung Praktische Einführung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren Rn. 495. Alle anderen Arten der Nebenbestimmungen seien integraler Bestandteil des Verwaltungsakts und daher nicht von diesem abtrennbar.

619

d) Ferner wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass nicht nach der Art der Nebenbestimmung zu unterscheiden sei, so dass zunächst alle Arten der Nebenbestimmung grundsätzlich mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können. Maßgeblich sei das Verhältnis der Nebenbestimmung zum Haupt-Verwaltungsakt.

Kopp/Schenke VwGO § 42 Rn. 22 und 24 m.w.N. Aus der Möglichkeit der Teilaufhebung in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO folge die Möglichkeit der Teilanfechtung.Kopp/Schenke VwGO § 42 Rn. 22. Im Falle eines Ermessens-Verwaltungsakts sei eine isolierte Anfechtbarkeit nicht möglich, da der Verwaltungsakt und die Nebenbestimmung auf einer einheitlichen Ermessensentscheidung beruhen und die Verwaltung ansonsten einen Verwaltungsakt gelten lassen müsste, den sie in dieser Form nicht erlassen hätte.Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 294 spricht von einem aufgedrängten Verwaltungsakt.

620

e) Das Bundesverwaltungsgericht vertritt, dass alle Arten der Nebenbestimmung grundsätzlich mit der Anfechtungsklage angreifbar seien.

Grundlegend BVerwGE 112, 221. Zwischen gebundenen und Ermessenentscheidungen sei nicht zu differenzieren. Im Rahmen der Zulässigkeit der Anfechtungsklage sei die Teilbarkeit im prozessualen Sinn entscheidend. Diese sei gegeben, wenn eine isolierte Aufhebbarkeit nicht offenkundig von vornherein ausscheidet.Grundlegend BVerwGE 112, 221. Im Rahmen der Begründetheit sei die Teilbarkeit im materiell-rechtlichen Sinn maßgeblich. Erforderlich ist hierfür, dass der nach der isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung übriggebliebene Verwaltungsakt sinnvoller- und rechtmäßiger Weise bestehen kann.

4. Rechtsschutzbegehren: Erteilung einer Baugenehmigung im Falle einer modifizierenden Genehmigung oder Auflage

621

Sollte die Baurechtsbehörde dem Antragsteller eine modifizierende Genehmigung oder eine modifizierende Auflage (s.o. Rn. 499) erteilt haben, so muss der Bauherr eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO erheben.

Vgl. Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 301 m.w.N., s. jedoch a. Kopp/Schenke § 42 Rn. 23. Ein Vorgehen im Wege einer Anfechtungsklage, die auf die (Teil-)Aufhebung der modifizierenden Auflage bzw. Genehmigung gerichtet ist, scheidet aus, da eine (Teil-)Aufhebung nicht dazu führt, dass der Kläger den von ihm begünstigten Verwaltungsakt erhält.Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 301. Es würde nämlich eine insgesamt ablehnende Entscheidung ergehen, da der verbleibende Entscheidungsrest nach der isolierten Kassation keinen Sinn mehr ergibt.Pietzner/Ronellenfitsch Das Assessorexamen im öffentlichen Recht § 9 Rn. 23; s.a. BVerwG NVwZ 1984, 366.

Beispiel

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Beantragt der Antragsteller die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Haus mit einem Satteldacht, wird ihm jedoch ein Haus mit einem Flachdach genehmigt, so wäre der verbleibende Entscheidungsrest ein Haus ohne Dach.

Kenntner Öffentliches Recht in Baden-Württemberg Rn. 709.

Daher muss der Bauherr eine Verpflichtungsklage, die auf die Verpflichtung zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung gerichtet ist, erheben.

Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 301 m.w.N. Bezüglich des Aufbaus wird auf das obige Aufbauschema zur Verpflichtungsklage und auf die Ausführungen unter Rn. 607 ff. verwiesen.

Expertentipp

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Wiederholen Sie die einstweilige Anordnung.

5. Rechtsschutzbegehren: Erteilung einer Baugenehmigung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO

622

Sollte der Bauherr die Erteilung der Baugenehmigung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begehren, so muss er den Erlass einer einstweiligen Anordnung in Form einer Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO beantragen, da er die Erweiterung seines Rechtskreises begehrt. Dieses Vorgehen wird jedoch regelmäßig erfolglos bleiben, da die Erteilung der Baugenehmigung eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache darstellt. Eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache scheint, wenn eine Baugenehmigung Gegenstand des Verfahrens ist, nur schwer denkbar,

Möglich wäre dass der Bauherr eine Baugenehmigung zur Errichtung eines binnen weniger Tage vollständig errichteten Fertighauses beantragt und er (und seine Familie) ohne diese Errichtung obdachlos würden. da die Errichtung eines Gebäudes regelmäßig mit einem zum Teil erheblichen Zeitaufwand verbunden ist. Denkbar ist jedoch eine Ausnahme von diesem Verbot, wenn die Erteilung einer Baugenehmigung für eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung (s. hierzu Rn. 461 ff.) Verfahrensgegenstand ist und der Antragsteller ohne die beantragte Nutzungsänderung seine berufliche Tätigkeit nicht mehr ausführen kann.

6. Rechtsschutzbegehren: Feststellung der Genehmigungsfreiheit

623

Besteht zwischen der Baurechtsbehörde und dem Bauherrn (oder zwischen Bauherrn und Nachbarn) Streit, ob ein beabsichtigtes, begonnenes oder bereits errichtetes Bauvorhaben genehmigungsfrei ist, so kann der Bauherr eine Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO erheben. In der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wird festgestellt, dass das in Frage stehende Vorhaben genehmigungsfrei ist.

S. zur Tenorierung einer Feststellungsklage Kintz Öffentliches Recht im Assessorexamen Rn. 70 f. An dieser Feststellung hat der Kläger ein Feststellungsinteresse i.S.d. § 43 Abs. 1 Hs. 2 VwGO, da es ihm nicht zugemutet werden kann, behördliche Eingriffsverfügungen abzuwarten.Finkelnburg/Ortloff/Otto Öffentliches Baurecht Band II S. 269.

Hinweis

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Diese Konstellation ist für eine Klausur ungeeignet, da dort nur die §§ 49 bis 51 LBO geprüft würden und der Umfang und Schwierigkeitsgrad einer derartigen Klausur erheblich zu gering wäre. Möglich wäre nur, dass diese Konstellation als Teilfrage geprüft wird.

7. Rechtsschutzbegehren: Anfechtung einer Zurückstellung des Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 BauGB

624

Stellt die Baugenehmigungsbehörde den Bauantrag auf einen Antrag der Gemeinde nach § 15 Abs. 1 BauGB zurück, so stellt dies einen Verwaltungsakt dar, gegen den der Bauherr mit Widerspruch und Anfechtungsklage vorgehen kann.

Finkelnburg/Ortloff/Otto Öffentliches Baurecht Band II S. 269 m.w.N.; a.A. VGH Baden-Württemberg NVwZ-RR 2003, 333. (S. zur Prüfung der Anfechtungsklage Rn. 627 ff.).

8. Rechtsschutzbegehren: Anfechtung einer Aufhebung der Baugenehmigung

625

Wird die erteilte Baugenehmigung nach § 48 LVwVfG zurückgenommen oder nach § 49 LVwVfG widerrufen, so kann der Bauherr hiergegen mit Widerspruch und Anfechtungsklage vorgehen, da es sich bei der Zurücknahme oder dem Widerruf um belastende Verwaltungsakte handelt.

Expertentipp

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Im Rahmen der Begründetheit der Anfechtungsklage ist bei der Prüfung des § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung inzident, bei der Prüfung des § 49 Abs. 1 S. 1 LVwVfG inzident die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung zu prüfen (s. zur Prüfung der Anfechtungsklage auch hier Rn. 627 ff.).

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