Arbeitsrecht

Kollektivarbeitsrecht - Das Arbeitskampfrecht

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C. Das Arbeitskampfrecht

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Das Recht des Arbeitskampfes ist sehr prüfungsrelevant. Denn es lassen sich hier im Gewand einer individualrechtlichen Klausur gut kollektivrechtliche Fragen abprüfen. Oft wird der Sachverhalt von einem bestreikten Arbeitgeber oder ausgesperrten Arbeitnehmer handeln, der nach der Rechtslage oder seinen Ansprüchen fragt.

I. Begriff

472

Der Begriff des Arbeitskampfes ist nicht explizit im Gesetz geregelt, wird lediglich in einigen Bundesgesetzen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG, § 74 Abs. 2 BetrVG, § 146 SGB III, § 25 KSchG) genannt.

Er wird wie folgt definiert:

Definition

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Definition: Arbeitskampf

Arbeitskampf ist die von der Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite zur Erreichung bestimmter Ziele mittels kollektiver Störungen der Arbeitsbeziehungen bewirkte Druckausübung.

Michalski ArbR Rn. 940.

473

Teilnehmer eines Arbeitskampfes in dem Sinne können also nur Arbeitnehmer oder Arbeitgeber und deren Organisationen sein. Auf Arbeitnehmerseite wird in der Regel das Druckmittel „Streik“ eingesetzt. Arbeitgebern steht mit der Aussperrung ein hartes Kampfmittel zur Verfügung.

 

II. Streik

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Der Streik ist eine der in der Praxis meist genutzten Formen des Arbeitskampfes. Auch dieser Begriff ist nicht legal definiert. Durch die Rechtsprechung hat sich folgende Umschreibung etabliert:

Definition

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Definition: Streik

Streik ist die von einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern planmäßig und gemeinsam durchgeführte Arbeitseinstellung zur Erreichung eines Ziels.

Michalski ArbR Rn. 948.

1. Rechtmäßigkeit des Streiks

475

Streikende Arbeitnehmer werden von dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG erfasst. Voraussetzung ist aber natürlich, dass die getroffene Arbeitskampfmaßnahme sich innerhalb der Grenzen dieses Grundrechts bewegt.

Beispiel

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Die Arbeitnehmer, unterstützt von der Gewerkschaft G, beschließen den Zugang zu dem Betriebsgelände komplett zu verbarrikadieren. Der sich noch im Verwaltungsgebäude befindliche Chef C kommt nicht mehr raus, die Lieferanten, die Teile für die Produktion der nicht streikenden Arbeitnehmer bringen wollen, kommen nicht hinein. Dieses Verhalten ist von Art. 9 Abs. 3 GG nicht gedeckt. Denn die Streikenden machen nicht nur ihr Recht zum Streik geltend, sondern behindern gleichzeitig die nicht streikenden Kollegen an der Weiterarbeit und greifen enorm in die Bewegungsfreiheit des C ein. Dies ist mit Sinn und Zweck von Art. 9 Abs. 3 GG – Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen – nicht vereinbar.

2. Legitimes Ziel

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Die Rechtsprechung hat stets klargestellt, dass das einzig legitime Ziel eines Streiks die Erreichung eines tariflich regelbaren Gegenstands sein kann.

BAGE 123, 134-152. Dahinter steht der Gedanke, dass Arbeitnehmer einerseits oft nur unter Zuhilfenahme des harten Arbeitskampfmittels „Streik“ die Arbeitgeber von einem tragbaren Tarifvertrag überzeugen können. Gleichzeitig muss aber verhindert werden, dass die Belegschaft versucht, sämtliche Forderungen – eventuell sogar nicht im Zusammenhang mit dem konkreten Arbeitsverhältnis stehende Forderungen, z.B. politische Streiks – dadurch durchzusetzen, dass der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb des Arbeitgebers beeinträchtigt wird, obwohl dieser nicht einmal zur Gewährung der Forderungen in der Lage ist.

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Selbst wenn ein Tarifvertrag oder einzelne tarifliche Regelungen erzwungen werden sollen, bedeutet dies nicht automatisch das Vorliegen eines legitimen Ziels i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG. Es ist darüber hinaus notwendig, dass die gewünschte Vereinbarung auch im Rahmen des geltenden Rechts Bestand haben kann. Die Erzwingung einer rechtswidrigen Regelung (z.B. eine auf grundlose Diskriminierung von Männern oder Frauen ausgelegte Tarifklausel) kann nicht von dem besonderen Grundrechtsschutz gedeckt sein.

Beispiel

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Die Männergewerkschaft M will durchsetzen, dass im Tarifvertrag zwischen den Gehältern von Männern und Frauen Unterschiede gemacht werden sollen.

3. Kein Verstoß gegen die Friedenspflicht

478

Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Streiks ist, dass dadurch nicht eine tarifvertragliche Friedenspflicht verletzt wird. Im Sinne des Grundsatzes „pacta sunt servanda“ dürfen die Arbeitnehmer nicht Forderungen stellen, die den aktuell gültigen Tarifverträgen entgegenstehen. Denn diese Vereinbarungen haben zwingenden Charakter für die Tarifvertragsparteien und damit für die Arbeitnehmer.

479

Wenn die gültigen Regelungen nicht mehr gefallen oder aus anderen Gründen neu verhandelt werden sollen, muss der Tarifvertrag gekündigt und die Kündigungsfrist abgewartet werden. Erst dann besteht wieder Spielraum für die Erzwingung neuer Vereinbarungen.

4. Organisation durch eine Gewerkschaft

480

Mit Blick auf den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG ist das Arbeitskampfrecht nur den von diesem Grundrecht erfassten Personen zuzubilligen. Die Gewerkschaften als Tarifpartner der Arbeitgeber sind die einzigen, denen das Recht auf Durchführung eines Streiks zukommt. Denn nur sie sind in der Lage, die Forderungen auch in einem Tarifvertrag festzuhalten, § 2 Abs. 1 TVG.

481

Wird nicht von einer Gewerkschaft zum Streik aufgerufen, handelt es sich um einen so genannten „wilden Streik“,

BAGE 30, 50-67. der per se rechtswidrig ist. Es besteht aber die Möglichkeit, dass der rechtswidrige wilde Streik von einer Gewerkschaft übernommen wird. Dadurch kann er rechtmäßig werden.

5. Verhältnismäßigkeit

482

Auch wenn grundsätzlich die Voraussetzungen für einen Streik gegeben sind, muss das Ultima-Ratio-Prinzip beachtet werden. Es ist also stets auf die Verhältnismäßigkeit der Streikmaßnahme zu schauen. Vor einem Streik müssen demnach alle anderen Mittel zur Konfliktlösung ausgeschöpft worden sein.

Beispiel

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Die Gewerkschaft ruft zum Streik auf, ohne auch nur eine Forderung Richtung Arbeitgeber gestellt zu haben, geschweige denn einen Termin zu Verhandlungen vereinbart zu haben.

Insbesondere müssen bis dahin laufende Vertragsverhandlungen gescheitert sein, auch wenn dies nicht ausdrücklich von einer oder beiden Verhandlungspartnern erklärt werden muss.

BAGE 105, 5. Weiterhin ist auch bei der Durchführung selbst der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Es dürfen beispielsweise nicht sogenannte Erhaltungs- oder Notstandsarbeiten verhindert werden, durch deren Unterlassung dem Arbeitgeber erhebliche Sachschäden entstehen können.BAGE 79, 152-159.

6. Rechtsfolgen

a) Rechtmäßiger Streik

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Wie obiger Definition zu entnehmen ist, erbringen Arbeitnehmer während der Dauer eines Streiks keine Arbeitsleistung. Eine Streikteilnahme steht daher grundsätzlich der Verpflichtung des Arbeitnehmers entgegen, dem Arbeitgeber seine Dienste zur Verfügung zu stellen. Wegen des Schutzes des Art. 9 Abs. 3 GG wird im Rahmen eines rechtmäßigen Streiks diese Arbeitsverweigerung aber nicht als rechtswidrig empfunden.

484

Der rechtmäßige Streik führt vielmehr zu einer Suspendierung des Arbeitsverhältnisses, also der Aussetzung aller Hauptpflichten beider Parteien.

BAGE 115, 247-257; BAGE 142, 290. Der Arbeitnehmer wird von der Arbeitspflicht befreit, erhält im Gegenzug aber auch kein Arbeitsentgelt.

485

Gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer erhalten von der Streikkasse der Gewerkschaft finanzielle Unterstützung. Nicht organisierte Arbeitnehmer dürfen zwar auch streiken,

BAGE 33, 185-195. haben aber natürlich keinen Anspruch auf Leistungen der Gewerkschaft. Arbeitslosengeld erhalten sie wegen § 146 SGB III auch nicht.

b) Rechtswidriger Streik

486

Bei einem rechtswidrigen Streik kann der bekämpfte Arbeitgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen und darüber hinaus Schadensersatzansprüche gegen die streikenden Arbeitnehmer haben. War eine Gewerkschaft an einem rechtswidrigen Streik beteiligt, kommen auch Ansprüche gegen diese in Betracht.

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Zu denken ist insbesondere an folgende Vorschriften:

Der Arbeitgeber hat wegen der rechtswidrigen Arbeitsverweigerung der Arbeitnehmer keine Lohnzahlungspflicht, §§ 326 Abs. 1 S. 1, 275 Abs. 1 BGB. Er kann daher die Entgeltzahlung verweigern bzw. überzahltes Entgelt zurückfordern nach den Grundsätzen der §§ 812 ff. BGB.

Der Arbeitgeber hat gegebenenfalls gegen die Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1 BGB bzw. 823 Abs. 1 BGB. Eine Haftung der Gewerkschaften kann sich aus § 831 BGB oder nach den Grundsätzen des § 31 BGB ergeben.

Ein Arbeitnehmer, der sich an einem rechtswidrigen Streik beteiligt, verletzt seine arbeitsvertraglichen Hauptpflichten. Eine Kündigung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer wusste, dass der Streik rechtswidrig war. Wenn die Gewerkschaft zu einem Streik aufruft, darf der Arbeitnehmer aber grundsätzlich von der Rechtmäßigkeit des Streiks ausgehen. In diesen Fällen kann man einen entschuldbaren Irrtum des Arbeitnehmers annehmen. Etwas anderes gilt natürlich dann, wenn der Arbeitnehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass der Streik rechtswidrig ist.

BAG NZA 1984, 34-38.

Der Arbeitgeber (-verband) kann von der streikführenden Gewerkschaft Unterlassung des Streiks verlangen, §§ 1004 Abs. 1 i.V.m. § 823 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3 GG.

BAGE 122, 134-167.

c) Folgen für unbeteiligte Arbeitnehmer

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Ein Streik kann auch auf unbeteiligte Arbeitnehmer Auswirkungen haben, sei es, wenn der eigene oder ein anderer Betrieb bestreikt werden. Die hier relevanten Grundsätze des „Arbeitskampfrisikos“ wurden oben bereits dargestellt.

III. Die Aussperrung

489

Die Aussperrung ist ein praktisch zwar seltenes, aber durchaus unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit zulässiges Arbeitskampfmittel auf Seiten des Arbeitgebers.

Definition

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Definition: Aussperrung

Unter einer Aussperrung versteht man die von einem oder mehreren Arbeitgebern planmäßig vorgenommene Arbeitsausschließung einer Mehrzahl von Arbeitnehmern unter Verweigerung der Lohnzahlung zur Erreichung eines Ziels.

Michalski ArbR Rn. 971.

490

Bei der Aussperrung schließt der Arbeitgeber also Teile der Belegschaft aus dem Unternehmen aus, sodass sie ihre Arbeit nicht erbringen können. Gleichzeitig wird, entgegen der Grundregel des § 615 BGB, kein Arbeitsentgelt gezahlt. Sperrt der Arbeitgeber als Reaktion auf einen Streik der Arbeitnehmer aus, spricht man von einer Abwehraussperrung. Im Gegensatz dazu steht die Angriffsaussperrung.

491

Eine Abwehraussperrung ist grundsätzlich zulässig, wenn der Arbeitgeber sich seinerseits an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hält, also ohne den Einsatz des Kampfmittels das Gleichgewicht der Tarifparteien gefährdet wäre.

BVerfGE 84, 212. Demnach muss sich unter anderem – vereinfacht ausgedrückt – die Zahl der ausgesperrten Arbeitnehmer in einem gewissen Verhältnis zu den streikenden Arbeitnehmern halten. Die Rechtsprechung hat hier nicht unumstrittene Quoten geschaffen,BAGE 33, 140-185. die in der Regel in einer Arbeitsrechtsklausur aber nicht geprüft werden.

492

Eine Angriffsaussperrung, bei der der Arbeitgeber zuvor nicht bestreikt wurde, wird überwiegend als zulässig erachtet. Zwar hat das BAG hierzu nicht ausdrücklich Stellung nehmen müssen, weil die Angriffsaussperrung praktisch kaum von Relevanz ist.

BAGE 33, 140-185. Aber mit Blick darauf, dass zuweilen auch der Arbeitgeber auf den Aufbau von Druck angewiesen sein kann (z.B. um tarifliche Löhne zu senken und so das Unternehmen zu erhalten), muss es ihm nach Art. 9 Abs. 3 GG auch möglich sein, selbst aktiv zu werden.

1. Rechtmäßigkeit

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Die Voraussetzungen der rechtmäßigen Aussperrung entsprechen weitgehend denen des rechtmäßigen Streiks. Demnach muss Ziel des Arbeitskampfs die Erzwingung einer rechtlich möglichen Tarifnorm sein und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben.

2. Rechtsfolgen

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Bei der rechtmäßigen Aussperrung werden wie beim Streik die Hauptpflichten des Arbeitsvertrags suspendiert.

Zur sog. lösenden Aussperrung vgl. Staudinger-Oetker Vorbem. zu §§ 620 ff. BGB Rn. 80.

Hat der Arbeitgeber rechtswidrig ausgesperrt, muss er seinen Arbeitnehmern nach den Grundsätzen des § 615 BGB Arbeitsentgelt zahlen und haftet für eventuelle Schäden gem. §§ 280 ff. BGB.

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