Allgemeines Verwaltungsrecht - Rechtsfolgen wirksamer Verwaltungsakte

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Rechtsfolgen wirksamer Verwaltungsakte

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C. Rechtsfolgen wirksamer Verwaltungsakte

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Rechtsfolgen des ordnungsgemäß bekannt gegebenen (Rn. 256 ff.), nicht nichtigen (Rn. 270 ff.) und auch sonst nicht gem. § 43 Abs. 2 VwVfG unwirksamen (Rn. 295) Verwaltungsakts sind dessen Bindungswirkung zwischen den Beteiligten (Rn. 290) sowie dessen Tatbestandswirkung für sämtliche Behörden und Gerichte (Rn. 291). Ausnahmsweise kommt ihm darüber hinaus auch noch eine Feststellungswirkung zu (Rn. 293).

Zum gesamten Folgenden siehe Detterbeck Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 544; Maurer/Waldhoff Allgemeines Verwaltungsrecht § 10 Rn. 17 ff.; Peine/Siegel Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 462; Ruffert in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht § 22 Rn. 17 ff. Die Terminologie ist insoweit uneinheitlich, wie hier u.a. Erbguth/Guckelberger Allgemeines Verwaltungsrecht § 13 Rn. 3; Sodan/Ziekow Grundkurs Öffentliches Recht § 81 Rn. 3. Vgl. ferner Storr/Schröder Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 219 ff. Auf § 53 VwVfG betreffend die Hemmung der Verjährung durch Verwaltungsakt wird hingewiesen.

 

I. Bindungswirkung

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Mit dem Eintritt der inneren Wirksamkeit (Rn. 253) und während der Dauer seines Bestands (Rn. 295) ist die im Verwaltungsakt getroffene Regelung („Tenor“; nicht dagegen: Begründung gem. § 39 Abs. 1 VwVfG, die allerdings zur Auslegung des Tenors herangezogen werden kann; Rn. 55) im Verhältnis zwischen (dem Rechtsträger) der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, und dessen Adressaten bzw. Betroffenen, dem gegenüber er ordnungsgemäß bekannt gegeben wurde (inter partes), rechtlich verbindlich – und zwar unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist (Rn. 251). Auch „ein rechtswidriger, aber wirksamer Verwaltungsakt muss grundsätzlich befolgt werden“.

Detterbeck Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 563. Zu den aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Ausnahmen siehe Wolff in: ders./Decker, VwGO/VwVfG § 43 VwVfG Rn. 8. Der Einzelne muss die im Verwaltungsakt ausgesprochene Regelung befolgen, die Behörde darf keine inhaltlich abweichende Regelung mehr treffen (Abweichungsverbot) und kann den Verwaltungsakt – allerdings auch noch nach Eintritt von dessen Bestandskraft – nur unter den Voraussetzungen der §§ 48 bis 51 VwVfG aufheben (Rn. 298 ff.; Aufhebungsverbot).Zur rechtsgebietsabhängig zu beantwortenden Frage der Bindungswirkung einer Genehmigungsversagung siehe Rn. 296.

Beispiel

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E hat das Eigentum an einem unbebauten Grundstück in Düsseldorf geerbt, welches er mit einem Wohnhaus bebauen möchte. Bevor er den renommierten Architekten A mit der diesbezüglichen Planung beauftragt, möchte E jedoch sichergehen, dass das im Außenbereich (§ 35 BauGB) belegene Grundstück überhaupt mit einem Wohnhaus bebaut werden darf und stellt folglich eine Bauvoranfrage betreffend die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde B. Nachdem diese dem E hierauf einen positiven Bauvorbescheid erteilt hatte, schaltete E den A ein. Als dieser 14 Monate später einen Bauantrag bei B stellt, wird dieser vom zwischenzeitlich zum Vorsitzenden einer Umweltschutzorganisation gewählten dortigen Sachbearbeiter mit der Begründung versagt, dass das Vorhaben trotz unveränderter Sach- und Rechtslage bauplanungsrechtlich unzulässig sei. E meint, das könne nicht sein. Hat er Recht?

Ja. Gem. § 74 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, wozu u.a. die hier von B angeführten Vorschriften des Bauplanungsrechts gehören. Vorliegend sind diese Vorschriften im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens jedoch gar nicht mehr zu prüfen, da über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bereits im Bauvorbescheid als vorweggenommenem Teil der Baugenehmigung positiv entschieden wurde und woran B – vorbehaltlich einer hier nach § 48 Abs. 4 S. 1 (ggf. i.V.m. § 49 Abs. 2 S. 2) VwVfG NRW freilich nicht mehr möglichen Aufhebung – gem. § 77 Abs. 1 S. 2 BauO NRW 2018 drei Jahre lang gebunden ist.

II. Tatbestandswirkung

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Über die Bindungswirkung inter partes (Rn. 290) hinaus entfaltet jeder (innerlich) wirksame Verwaltungsakt zudem noch Tatbestandswirkung. Dies bedeutet, dass alle Behörden und Gerichte

Selbstverständlich mit Ausnahme derjenigen Gerichte, die i.S.v. §§ 42, 113 VwGO zur Kontrolle des betreffenden Verwaltungsakts berufen sind, siehe Ruffert in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht § 22 Rn. 22. bei der rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts sowohl die Tatsache, dass der Verwaltungsakt existiert, als auch die in diesem Verwaltungsakt von der Erlassbehörde getroffene Regelung („Tenor“; Rn. 55) – ohne Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit – zugrunde legen müssen.Vgl. BVerwG NVwZ 1987, 496. Dabei beanspruchen Verwaltungsakte eines Landes, die im Vollzug eines Bundesgesetzes ergangen sind (Rn. 154), grundsätzlich Geltung im ganzen Bundesgebiet. Demgegenüber ist ein Land bei der Ausübung seiner Verwaltungshoheit (Rn. 153) grundsätzlich auf sein eigenes Staatsgebiet beschränkt.Zum Ganzen: BVerfG NVwZ 2015, 1434 (1436) m.w.N.

Beispiel

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In einem dem Wohnhaus der Rentnerin R auf der anderen Straßenseite unmittelbar gegenüberliegenden Gebäude betreibt G ein Gaststätte. Die Baugenehmigung hierfür war dem Eigentümer dieses Grundstücks zuvor von der zuständigen Baugenehmigungsbehörde erteilt worden. Nachdem G den Betrieb der Gaststätte aus gesundheitlichen Gründen für längere Zeit einstellen musste, eröffnete er diese vor Kurzem mit Erlaubnis der zuständigen Behörde erneut. Mit ihrem hiergegen in zulässiger Weise erhobenen Rechtsbehelf beantragt R nunmehr die Aufhebung der dem G erteilten Gaststättenerlaubnis. Zur Begründung führt sie an, dass von dessen stark frequentierter Gaststätte unzumutbare Lärmbelästigungen ausgingen, weshalb die Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG nicht hätte erteilt werden dürfen. Dringt R mit diesem Vorbringen durch?

Nein. Aufgrund der für die Gaststätte erteilten und auch R gegenüber bestandskräftigen Baugenehmigung steht verbindlich fest, dass die hiermit typischerweise verbundenen Auswirkungen, namentlich die Lärmimmissionen, weder schädliche Umwelteinwirkungen noch sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG darstellen. Denn die baurechtliche Genehmigung einer Gaststätte entfaltet, solange die Genehmigung wirksam ist und die Verhältnisse sich nicht in rechtserheblicher Weise ändern, eine dahingehende Bindungswirkung, dass die Gaststättenbehörde die Gaststättenerlaubnis nicht aus baurechtlichen Gründen versagen darf. Soweit es um die mit einem Gaststättenvorhaben in bestimmter örtlicher Umgebung verbundenen Immissionen geht, stellt § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG in der Sache nämlich keinen anderen Zulässigkeitsmaßstab auf, als die baurechtliche Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO. Danach ist eine bauliche Anlage dann unzulässig, wenn von ihr Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Welche Behörde die insofern maßgebliche Entscheidung zu treffen hat, bestimmt sich danach, zu welchem in die originäre Zuständigkeit der beteiligten Behörden fallenden Regelungsgegenstand der stärkere Bezug besteht. Soweit wie hier die typischerweise mit der bestimmungsgemäßen Nutzung einer Gaststätte in einer konkreten Umgebung verbundenen Immissionen zu beurteilen sind, ist der Bezug zur Zuständigkeit der Baurechtsbehörde stärker, weil diese typischen Immissionen von der jeweiligen baulichen Anlage abhängen, die Gegenstand der Baugenehmigung ist – und gerade nicht vom jeweiligen Gastwirt, dem die Gaststättenerlaubnis für seine Person erteilt wird (wenn auch für bestimmte Räume). Mithin ist durch die vorliegend bestandskräftige Baugenehmigung der von G betriebenen Gaststätte nicht nur deren Vereinbarkeit mit den Immissionsschutzanforderungen des § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO bindend festgestellt, sondern ebenfalls in verbindlicher Weise entschieden, dass sich die von der Nutzung der Gaststätte typischerweise ausgehenden Immissionen im Rahmen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG halten.

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Auch kann das jeweilige Fachrecht vorsehen, dass die von einer Behörde erteilte Genehmigung die ggf. zusätzlich noch von anderen Behörden benötigten Entscheidungen mit einschließt, sog. Konzentrationswirkung (vgl. § 75 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 VwVfG). Schließlich kann aufgrund der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts beispielsweise auch derjenige nicht gem. § 324 StGB wegen „unbefugter“ Gewässerverunreinigung strafrechtlich belangt werden, der die Eigenschaft eines Gewässers nachteilig verändert, wenn ihm hierfür eine entsprechende Erlaubnis nach dem WHG bzw. dem jeweiligen Landeswassergesetz erteilt worden ist (Verwaltungsakzessorietät).

Hierzu: Schmalz Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 445 m.w.N. Weil allerdings der spätere Wegfall eines Tatumstandes, der für die Verwirklichung eines Straftatbestandes wesentlich war, die bereits vollendete Zuwiderhandlung selbst dann nicht zu beseitigen vermag, wenn der betreffende Tatumstand (z.B. anordnende Verkehrsregelung wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung oder ein Parkverbot) rückwirkend (ex tunc) entfällt, lässt die spätere Aufhebung eines strafbewehrten Verwaltungsakts durch die Widerspruchsbehörde oder das Verwaltungsgericht die Strafbarkeit einer bereits vorher begangenen Zuwiderhandlung unberührt.BGH NJW 1969, 2023 (2025). Diese Entscheidung wird insoweit noch immer bemüht, siehe etwa Rebler JuS 2017, 1178.

Hinweis

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Nach allgemeinen Grundsätzen enden die Wirkungen eines Verwaltungsakts als hoheitliche Maßnahme eines Staates an dessen Grenzen. Eine Ausnahme von diesem Territorialitätsprinzip gilt allerdings für sog. transnationale Verwaltungsakte. Das sind Verwaltungsakte, die von der Behörde eines EU-Mitgliedstaats erlassen werden und von einem anderen EU-Mitgliedstaat aufgrund einer entsprechenden unionsrechtlichen Bestimmung – „über die Grenze hinweg“ (transnational) – anzuerkennen sind (z.B. Ausstellung eines Führerscheins, Verleihung eines akademischen Grades, Zulassung eines bestimmten Produkts).

Peine JA 2004, 417 (422 f.) m.w.N. Speziell zur EU-ausländischen Fahrerlaubnis: Rebler JuS 2018, 135 ff.

III. Feststellungswirkung

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Während die jedem (innerlich) wirksamen Verwaltungsakt zukommende Tatbestandswirkung in ihrem Umfang auf die Tatsache des Bestehens des Verwaltungsakts und die in diesem getroffene Regelung („Tenor“) beschränkt ist (Rn. 290), sind im Falle einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung (z.B. § 15 Abs. 5 BVFG a.F., ähnlich § 15 Abs. 1 BVFG n.F.) darüber hinaus ausnahmsweise auch die dem Entscheidungsausspruch im Verwaltungsakt zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen für alle Behörden und Gerichte bindend.

Beispiel

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Die Stadtverwaltung S gibt gegenüber Einwohner E einen Bescheid bekannt, in dem E zu einer Straßenreinigungsabgabe i.H.v. 750 € herangezogen wird. Hierbei erkennen weder S noch E, dass dieser Bescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die Grundstücksgröße, die nach der einschlägigen Satzung für die Berechnung der Straßenreinigungsabgabe maßgeblich ist, im Fall des E um 10 % zu groß berechnet wurde. Nachfolgend erhält E einen weiteren Bescheid von S, diesmal über die Heranziehung von Erschließungsbeitragskosten i.H.v. 17 500 €. Diesen Bescheid prüft E genauer und stellt dabei fest, dass S die auch insoweit maßgebliche Grundstücksgröße um 10 % zu seinen Ungunsten errechnet hat. Als E diese Erkenntnis S gegenüber mitteilt, verweist der dort zuständige Sachbearbeiter auf den vorherigen Bescheid über die Straßenreinigungsabgabe. Die darin ermittelte Grundstücksgröße sei in Bezug auf den Bescheid bzgl. der Erschließungsbeitragskosten bindend. Stimmt das?

Nein. Bindungswirkung entfaltet allein der Tenor (hier: die Zahlungspflicht i.H.v. 750 €) des E gegenüber erlassenen Bescheids über die Straßenreinigungsabgabe, nicht hingegen die zugrundliegende Berechnung der Grundstücksgröße.

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