Allgemeines Verwaltungsrecht - Wirksamkeit des Verwaltungsakts - Bekanntgabe

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Allgemeines Verwaltungsrecht

Wirksamkeit des Verwaltungsakts - Bekanntgabe

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A. Bekanntgabe

255

Die in § 43 Abs. 1 VwVfG als Wirksamkeitsvoraussetzung des Verwaltungsakts genannte Bekanntgabe richtet sich nach § 41 VwVfG (Rn. 256 ff.), sofern das Gesetz nicht die förmliche Zustellung anordnet oder die Behörde von sich aus diese besondere Form der Bekanntgabe wählt, vgl. § 41 Abs. 5 VwVfG, § 1 Abs. 2 VwZG (Rn. 264 ff.).

Zum gesamten Folgenden siehe Detterbeck Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 551 ff.; Erbguth/Guckelberger Allgemeines Verwaltungsrecht § 13; Maurer/Waldhoff Allgemeines Verwaltungsrecht § 9 Rn. 71 ff.; Peine/Siegel Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 435 ff.; Ruffert in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht § 22 Rn. 14 ff., 76.

I. Bekanntgabe gem. § 41 VwVfG

256

 

 

Gem. § 41 Abs. 1 S. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, vgl. auch § 122 Abs. 1 S. 1 AO, § 37 Abs. 1 S. 1 SGB X.

Definition

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Definition: Bekanntgabe

Bekanntgabe ist die amtliche Eröffnung des Verwaltungsakts gegenüber dem Betroffenen, d.h. der Tatsache des Ergehens und des Inhalts des Verwaltungsakts, mit Wissen und Wollen der Behörde

Genauer: eines für die Behörde handelnden Amtsträgers; Rn. 49., die den Verwaltungsakt erlässt.Kopp/Ramsauer VwVfG § 41 Rn. 6. Mithin handelt es sich bei der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts um einen zweiaktigen Vorgang: Entäußerung durch die Behörde und Zugang beim Empfänger (dazu vgl. Rn. 258 ff.), siehe Schoch Jura 2011, 23 (24).

Voraussetzung hierfür wiederum ist der Zugang des Verwaltungsakts. Darunter ist entsprechend § 130 Abs. 1 BGB zu verstehen, dass der Verwaltungsakt derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt, dass dieser bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat (z.B. Einwurf des schriftlichen Verwaltungsakts in den Hausbriefkasten); die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Adressaten ist hierfür nicht nötig. Welcher Form sich die Behörde hierbei bedient (z.B. Zustellung einer Ausfertigung mit Zustellungsurkunde, Aufgabe mit einfachem oder eingeschriebenem Brief, Aushändigung, elektronische Übermittlung gem. § 3a VwVfG [Rn. 204], mündliche Verkündung), steht vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Regelungen oder Sachnotwendigkeiten in ihrem Ermessen. Während das Fehlen der Begründung, der Rechtsbehelfsbelehrung oder etwaiger Anlagen für die Wirksamkeit der Bekanntgabe unschädlich ist, wenn der Empfänger gleichwohl von der Vollständigkeit der übermittelten Regelung ausgehen muss, genügt das lediglich zufällige Bekanntwerden eines Verwaltungsakts für eine Bekanntgabe ebenso wenig wie private Mitteilungen oder eine informatorische Übermittlung vorab.

OVG Münster NVwZ-RR 2015, 172.

Hinweis

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„Der Verwaltungsakt ist eine empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung; er wird nicht schon mit seinem Erlass, sondern erst mit seiner Bekanntgabe an denjenigen wirksam, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG). Damit ist wie im Zivilrecht (§ 130 BGB) zwischen der Abgabe der Willenserklärung und deren Wirksamkeit durch Zugang zu unterscheiden.“

Pünder in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht § 14 Rn. 56. Vgl. auch Liebetanz in: Obermeyer VwVfG § 41 Rn. 12.

Beispiel

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Herr H und Frau F beantragen jeweils Sozialhilfe.

a)

Bei einem persönlichen Gespräch am Stammtisch erfährt Herr H vom zuständigen Sachbearbeiter, dass sein Antrag abgelehnt worden ist.

b)

Bei einem persönlichen Gespräch auf dem Sozialamt erfährt Herr H vom zuständigen Sachbearbeiter, dass beide Anträge abgelehnt worden sind. Dies berichtet Herr H der Frau F am nächsten Tag.

c)

Der zuständige Sachbearbeiter S verfasst einen vollständigen Bescheid, in dem der Antrag von Frau F abgelehnt wird. Da sich S bei seiner Entscheidung allerdings nicht ganz sicher ist, möchte er vor dem Abschicken des Bescheids an F noch einmal Rücksprache mit seinem Vorgesetzten halten und lässt den Bescheid daher auf seinem Schreibtisch liegen. Nach Dienstschluss findet die Reinigungskraft R den Bescheid. R meint, der Bescheid sei versehentlich liegen geblieben und bringt ihn zur Post. Einen Tag später findet F den Bescheid in ihrem Briefkasten vor und nimmt enttäuscht vom Inhalt dieses Schreibens Kenntnis.

In Fall a) ist der Bescheid betreffend die Ablehnung des von Herrn H gestellten Antrags diesem nicht amtlich eröffnet und damit nicht bekannt gegeben worden, sondern durch eine private Äußerung des zuständigen Sachbearbeiters am Stammtisch. In Fall b) ist die Bekanntgabe des Frau F betreffenden Ablehnungsbescheids mangels behördlich veranlasster Kenntniserlangung nicht erfolgt. Ein entsprechendes Ergebnis gilt in Fall c), da die Eröffnung der ablehnenden Entscheidung nicht mit Wissen und Wollen der Behörde stattgefunden hat.

Nach Satz 1 des mit Wirkung vom 1.1.2017 neu eingefügten § 41 Abs. 2a VwVfG kann ein elektronischer Verwaltungsakt (Rn. 204) mit Einwilligung

Die – freiwillige – Einwilligung vermittelt aber keinen Anspruch auf Bekanntgabe in dieser Form, siehe BT-Drucks. 18/8434 S. 122. des Beteiligten (Rn. 162 ff.) dadurch bekannt gegeben werden, dass er vom Beteiligten oder von seinem Bevollmächtigten über öffentlich zugängliche Netze (InternetBT-Drucks. 18/8434 S. 121.) abgerufen wird (Abrufverfahren).„Soweit bei der Behörde und beim Adressaten die Voraussetzungen dafür vorliegen, sollte die Benachrichtigung [über die Abrufmöglichkeit] auf dem besonders sicheren Weg einer De-Mail-Nachricht nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes erfolgen“, BT-Drucks. 18/8434 S. 122. Dabei hat die Behörde gem. Satz 2 dieser Vorschrift zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich istDazu siehe BT-Drucks. 18/8434 S. 121: „Die Behörde muss durch geeignete Identifizierungsmittel sicherstellen, dass nur Berechtigte auf den Verwaltungsakt zugreifen können. Identifizierungsmittel sind geeignet, wenn sie der Zuordnung des jeweils in der Handreichung des IT-Planungsrats („Handreichung mit Empfehlungen für die Zuordnung von Vertrauensniveaus in der Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger bzw. der Wirtschaft“) für die konkrete Verwaltungsdienstleistung festgelegten Vertrauensniveaus entsprechen“. und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann.Ein System mit reiner Lesefunktion reicht insofern nicht aus, siehe BT-Drucks. 18/8434 S. 122.

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Zur v.a. bei Allgemeinverfügungen (Rn. 69) relevanten öffentlichen Bekanntgabe regelt § 41 Abs. 3 VwVfG das „Ob“ und § 41 Abs. 4 VwVfG das „Wie“.

Erichsen/Hörster Jura 1997, 659 (663); Schoch Jura 2011, 23 (25 f.). Letzteres ist dahingehend geregelt, dass der verfügende Teil („Tenor“; Rn. 54) des schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakts ortsüblich unter der Angabe bekannt gemacht wird, wo dieser und seine Begründung eingesehen werden können. Ist durch Rechtsvorschrift eine öffentliche oder ortsübliche Bekanntmachung angeordnet, soll die Behörde deren Inhalt zusätzlich im Internet veröffentlichen. Dies wird dadurch bewirkt, dass der Inhalt der Bekanntmachung auf einer Internetseite der Behörde oder ihres Verwaltungsträgers zugänglich gemacht wird, siehe § 27a Abs. 1 S. 1, 2 VwVfG.

Hinweis

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Die Bekanntgabe speziell von regelnden Verkehrszeichen

Hierzu siehe Beaucamp JA 2008, 612; ders. JA 2016, 436 (439 f.); Erichsen/Hörster Jura 1997, 659 (665 f.); Kümper JuS 2017, 731 ff. und 833 ff.; Milker Jura 2017, 271 ff.; Schoch Jura 2011, 23 (26 f.). (§ 35 S. 2 Var. 3 VwVfG; Rn. 52, Rn. 63 und Rn. 69) erfolgt durch deren AufstellungStreng genommen ist zwischen dem Verwaltungsakt „straßenverkehrsbehördliche Anordnung eines Verkehrszeichens nach § 45 Abs. 1, 4 StVO“ und dessen Bekanntgabe (§ 41 Abs. 1 VwVfG) gegenüber den Verkehrsteilnehmern durch Aufstellung zu unterscheiden, siehe Kümper JuS 2017, 731 (733). gemäß den bundesrechtlichen Spezialvorschriften insbesondere der §§ 39 Abs. 1,45 Abs. 4 StVO.BVerwG NJW 2016, 2353 (2354). Ist diese besondere Form der öffentlichen Bekanntgabe derart erfolgt, dass der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer bei Einhaltung der nach § 1 Abs. 1 StVO erforderlichen Sorgfalt das Verkehrszeichen mit einem „raschen und beiläufigen Blick“ zur Kenntnis nehmen kann, so ist es – abweichend von der früheren Rechtsprechung des BVerwGDanach erfolgte die Bekanntgabe gegenüber dem jeweiligen Verkehrsteilnehmer erst in dem Zeitpunkt, in dem dieser sich dem Verkehrszeichen erstmalig herangenähert hatte, siehe BVerwGE 27, 181 (184). Vgl. auch BVerwGE 59, 221 (226). Hieran knüpft eine heute noch vertretene M.M. für die innere Wirksamkeit des Verkehrszeichens an, während eine wiederum a.A. das „Kfz als ,Briefkasten‘“ ansieht, siehe den Meinungsüberblick bei Milker Jura 2017, 271 (277) m.w.N. – gegenüber jedermann unabhängig davon wirksam, ob der Einzelne es tatsächlich wahrgenommen hat oder nicht, sog. „Ringsumwirkung“Niehues DVBl. 1982, 317 (321). (so z.B. falls erst nach dem Abstellen des Pkw ein Halteverbotsschild aufgestellt wird; hierzu siehe Übungsfall Nr. 5).BVerwGE 102, 316 (318); 130, 383; 138, 21. Zur Frage, wann die Frist für die Anfechtung eines Verkehrsverbots bzw. -gebots beginnt, siehe im Skript „Verwaltungsprozessrecht“ Rn. 347. Dabei gelten für die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr betreffen, weniger strenge Anforderungen als an solche, die den fließenden Verkehr regeln. Während Erstere insbesondere bei höherer Geschwindigkeit innerhalb kürzester Zeit wahrgenommen und erfasst, d.h. in ihrem Regelungsgehalt nach verstanden, werden können müssen, um ihr Regelungsziel zu erreichen, hat der Verkehrsteilnehmer bei Letzteren die Möglichkeit, sich auch noch beim Abstellen und Verlassen des Fahrzeugs ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer Klarheit über das Vorhandensein und/oder den Inhalt namentlich eines Halte- bzw. Parkverbots zu verschaffen.BVerwG NJW 2016, 2353 (2354). Wird ein Verkehrszeichen infolge von Witterungseinflüssen oder Einwirkungen Dritter unkenntlich, so verliert es damit seine innere Wirksamkeit (fehlende Sichtbarkeit als auflösende Bedingung; Rn. 83 und Rn. 85); eine Aufhebung i.S.v. § 43 Abs. 2 VwVfG vermag dagegen nur die Straßenverkehrsbehörde anzuordnen (actus contrarius-Gedanke).Kümper JuS 2017, 731 (736).

 

1. Zeitpunkt

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Um die andernfalls zu erwartenden Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des v.a. für den Lauf von Rechtsbehelfsfristen (z.B. §§ 70 Abs. 1 S. 1, 74 Abs. 1 S. 2 VwGO) relevanten Bekanntgabezeitpunkts zu vermeiden (z.B. Verkündung des mündlichen bzw. Aushändigung des schriftlichen Verwaltungsakts), enthält § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG eine diesbezügliche Regelung.

Zu deren Rechtsnatur siehe BVerwGE 22, 11 (12): „Fiktion“ (zum insoweit vergleichbaren § 4 Abs. 1 Hs. 1 VwZG a.F. = nunmehr § 4 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 VwZG) und Henneke in: Knack/Henneke, VwVfG § 41 Rn. 18: „unwiderlegbare Vermutung“. Siehe ferner Rn. 179 (in Zusammenschau mit § 41 Abs. 2 S. 3 VwVfG): „widerlegbare Vermutung“ (ebenso Schoch Jura 2011, 23 [28]). Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur PostZur seit der Privatisierung der Bundespost umstrittenen Frage, wer „Post“ i.S.d. Vorschrift ist (Postbegriff des § 2 Abs. 2 VwZG [Rn. 265] oder Postdienstleister, die über eine Lizenz nach §§ 5 ff. PostG verfügen) siehe Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG § 41 Rn. 112 ff. m.w.N. als bekannt gegeben, vgl. ferner §§ 41 Abs. 2 S. 2, 41 Abs. 4 S. 3 VwVfG und § 4 Abs. 2 S. 2 VwZG.

Beispiel

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Aufgabe des schriftlichen Verwaltungsakts zur Post durch die Behörde am 14.12., Eintritt der Bekanntgabe gem. § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG drei Tage danach, d.h. am 17.12. Ablauf der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO grundsätzlich am 17.1. um 24.00 Uhr, siehe § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 Hs. 1 BGB. Ausnahme: Der 17.1. fällt auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag

Als „Feiertag“ i.S.v. § 222 Abs. 2 ZPO gilt nur der gesetzlich anerkannte Feiertag (z.B. der 3. Oktober), nicht dagegen die bloß ganz oder teilweise dienstfreien Tage (z.B. Rosenmontag, 24. und 31.12.). Maßgeblich für die Frage, ob es sich bei einem Tag um einen allgemeinen (bundes- oder landesgesetzlichen) Feiertag handelt (z.B. 6. Januar), ist das Recht am Ort desjenigen Gerichts, bei dem die Frist zu wahren ist, siehe Kopp/Schenke VwGO § 57 Rn. 10a. oder einen Sonnabend (Samstag). Dann endet die Klagefrist gem. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO mit dem Ablauf (24.00 Uhr) des nächstfolgenden Werktags.

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Wie ein Umkehrschluss aus § 41 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 VwVfG zeigt, gilt diese Drei-Tages-Regel auch dann, wenn der Verwaltungsakt tatsächlich bereits früher zugeht (anders: § 7 VwVfGBbg in den Fällen des § 41 Abs. 2 S. 2 VwVfG).

Beispiel

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Im vorstehenden Beispiel geht der Verwaltungsakt tatsächlich bereits am 16.12. zu. Bekanntgabe gem. § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG gleichwohl erst am 17.12.

Dies leuchtet ein, dürfen dem Bürger aus der dem Interesse der Rechtsklarheit dienenden Vereinfachungsnorm des § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG doch nur keine Nachteile erwachsen. Der Gewährung entsprechender Vorteile durch den Gesetzgeber stehen die insoweit einschlägigen Verfassungsbestimmungen (v.a. Art. 19 Abs. 4 S. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG) dagegen nicht im Weg. Andererseits sieht § 41 Abs. 2 VwVfG allerdings auch keine Verschiebung des Zeitpunkts der Bekanntgabe auf den Ablauf des nächstfolgenden Werktags vor, wenn der dritte Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt. Dies folgt insbesondere auch nicht aus § 31 Abs. 3 VwVfG

Parallelnormen: § 193 BGB, § 222 Abs. 2 ZPO., der als Fristenregelungen (Frist = Zeitraum) im Rahmen von § 41 Abs. 2 VwVfG, der einen Zeitpunkt (nämlich den der Bekanntgabe) bestimmt, richtigerweise schon überhaupt nicht anwendbar ist (str.).Nachweise zum Meinungsstand bei Erichsen/Hörster Jura 1997, 659 (661); Schoch Jura 2011, 23 (28). A.A. BFH NJW 2004 S. 94 zur Parallelvorschrift des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO: „Fällt der dritte Tag dieses Drei-Tages-Zeitraums auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet dieser Zeitraum […] mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags mit der Folge, dass der Verwaltungsakt an diesem Werktag als bekannt gegeben gilt“.

Beispiel

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Nach dem Vorstehenden ändert sich am Ergebnis des in Rn. 258 gebildeten Beispielfalls auch dann nichts, wenn der 17.12. auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Samstag fällt.

260

Gem. § 41 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 VwVfG gilt die Drei-Tages Regel des § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG allerdings dann nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.

Beispiel

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In dem in Rn. 258 gebildeten Beispiel geht der Bescheid tatsächlich erst am 18.12. zu. Bekanntgabezeitpunkt ist in diesem Fall abweichend von § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG nicht der 17.12., sondern gem. § 41 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 VwVfG der 18.12. Entsprechend verschiebt sich das Ende der Klagefrist nach hinten (nämlich auf den 18.1., sofern dieser kein Sonntag, gesetzlicher Feiertag oder Samstag ist).

Die bloße (schlichte) Behauptung, der Verwaltungsakt sei nicht bzw. nicht innerhalb von drei Tagen nach der Aufgabe zur Post zugegangen, reicht nach h.M.

Nachweise bei Schoch Jura 2011, 23 (29), der kritisch darauf hinweist, dass die bloße Tatsache der Aufgabe eines Schreibens zur Post durch die Behörde aktuell nicht mehr als prima facie-Beweis für den Zugang eben dieses Schreibens beim Bürger hinreiche, vgl. Rn. 179. für sich allein für die Anwendbarkeit von § 41 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 VwVfG allerdings noch nicht aus. Erforderlich hierfür sei vielmehr der substantiierte Vortrag eines atypischen Geschehensablaufs, d.h. einer Verzögerung des üblichen Postlaufs.Nach einer zur Parallelnorm des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO ergangenen BFH-Entscheidung sei bei Übermittlung des Verwaltungsakts durch einen privaten Postdienstleister „grundsätzlich zu ermitteln, ob nach den bei dem privaten Dienstleister vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden kann […] Insoweit kann die Einschaltung privater Postdienstleister bei der Frage von Bedeutung sein, ob die Zugangsvermutung als widerlegt gilt, weil hierdurch möglicherweise ein längerer Postlauf die Folge ist“, BFH NJW 2018, 3606 (3607) m.w.N. Nur wenn der Nicht- bzw. der spätere Zugang plausibel dargelegt wird, greife die auch sonst geltende allgemeine Beweislastregel, dass im Zweifel die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt beweisen muss, vgl. § 41 Abs. 2 S. 3 Hs. 2 VwVfG. An die Substantiierung der Behauptung des Nichtzugangs dürfen als negative Tatsache allerdings keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Hat die Behörde über die Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post keinen ordnungsgemäßen (sog. „Ab-“)Vermerk gefertigt (§ 4 Abs. 2 S. 4 VwZG fordert diesen ausdrücklich), so gilt § 41 Abs. 2 S. 3 Hs. 2 VwVfG bereits im Fall des (einfachen) Bestreitens. Gelingt der Behörde der von ihr zu erbringende Beweis nicht, muss sie die Bekanntgabe des Verwaltungsakts (nochmals) bewirken. Verweigert der Empfänger jedoch die Annahme des schriftlichen Verwaltungsakts oder vereitelt er dessen Zugang anderweitig, so muss er sich aufgrund dieses treuwidrigen Verhaltens so behandeln lassen, als sei ihm der Verwaltungsakt ordnungsgemäß bekannt gegeben worden.Stelkens in: ders./Bonk/Sachs, VwVfG § 41 Rn. 126 ff. Demgegenüber siehe im Bereich des Steuerrechts die Regelung des § 122a Abs. 4 S. 1 AO: „Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung der Daten an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben“.

Im Abrufverfahren nach § 41 Abs. 2a VwVfG (Rn. 256) „gilt“ (Fiktion) der Verwaltungsakt nach Satz 3 dieser Vorschrift am Tag nach dem – tatsächlichen

Stelkens in: ders./Bonk/Sachs, VwVfG § 41 Rn. 134q. – Abruf als bekannt gegeben.Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass ein Abruf über das Internet auch am Ende eines Tages möglich ist, siehe BT-Drucks. 18/8434 S. 122. Dort weiter: „Um den Zugang nachweisen zu können, muss der erstmalige Abruf des elektronischen Verwaltungsaktes protokolliert werden“. Wird der Verwaltungsakt hingegen nicht innerhalb von zehn Tagen nach Absendung einer Benachrichtigung über die Bereitstellung abgerufen, so wird diese gem. § 41 Abs. 2a S. 4 VwVfG beendet mit der Folge, dass in diesem Fall die Bekanntgabe nicht bewirkt ist, siehe § 41 Abs. 2a S. 5 Hs. 1 VwVfG. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise (z.B. per Post oder durch elektronische ÜbermittlungBT-Drucks. 18/8434 S. 122.) bleibt gem. § 41 Abs. 2a S. 5 Hs. 2 VwVfG unberührt. Durch diese Regelung soll zum einen verhindert werden, dass der Empfänger eine Bekanntgabe durch Unterlassen des Abrufs vereiteln kann, und zum anderen Streitigkeiten über den Zeitpunkt der wirksamen Bekanntgabe vermieden werden.BT-Drucks. 18/8434 S. 122. Im Ergebnis eröffnet § 41 Abs. 2a VwVfG damit eine zusätzliche Möglichkeit der Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten, bei der die wirksame Bekanntgabe an dessen tatsächlichen Abruf geknüpft ist.BT-Drucks. 18/8434 S. 121 f.

2. Personelle Reichweite

261

I.S.v. §§ 41 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1 S. 1 VwVfGbestimmt“ ist ein Verwaltungsakt für denjenigen, für den nach dem Inhalt der im Verwaltungsakt getroffenen Regelung unmittelbar Rechte oder Pflichten begründet werden. Von diesem (Inhalts-)Adressaten zu unterscheiden ist der rein postalische Empfänger des Verwaltungsakts wie z.B. der Empfangsbote oder ein – ggf. durch bloße Anscheins-/Duldungsvollmacht – bevollmächtigter Rechtsanwalt. Diesem gegenüber „kann“ (Ermessen) die Bekanntgabe vorgenommen werden, siehe § 41 Abs. 1 S. 2 VwVfG (vgl. dagegen § 14 Abs. 3 S. 1 VwVfG: „soll“).

Zum umstr. Verhältnis dieser Regelungen zueinander (die h.M. begreift § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG als lex specialis) siehe Erichsen/Hörster Jura 1997, 659 (661 f.); Schoch Jura 2011, 23 (24), jew. m.w.N. Dort auch zur Bekanntgabe in den Fällen des § 12 und § 16 VwVfG. Bei Geschäftsunfähigen (z.B. Kinder unter 7 Jahre) ist an den gesetzlichen Vertreter (z.B. Eltern gem. §§ 1626, 1629 BGB) als (Bekanntgabe-)Adressat bekanntzugeben.

262

Sind an mehrere Personen (z.B. Eheleute, Miteigentümer) adressierte Verwaltungsakte äußerlich in einem Schriftstück zusammengefasst (sog. zusammengefasster Bescheid) und liegt kein Fall gegenseitiger (ggf. konkludenter) Bekanntgabebevollmächtigung oder der Anscheinsvollmacht vor (eine gemeinsame Antragstellung reicht hierfür nicht aus), so bejaht die h.M.

BVerwG NVwZ 1992, 565 (566). Weitere Nachweise bei Kopp/Ramsauer VwVfG § 41 Rn. 30 f., der selbst eine a.A. vertritt. die vorbehaltlich einer ausdrücklichen abweichenden gesetzlichen Regelung umstrittene Frage, ob es insoweit für die Bekanntgabe – anders als bei der Zustellung (Rn. 265) – genügt, wenn eine einzige Ausfertigung an die betreffende Personenmehrheit übermittelt wird und jedes ihrer Mitglieder Gelegenheit zur Kenntnisnahme des Verwaltungsakts hat.

263

Neben dem Inhaltsadressaten (Rn. 261) wird von einem Verwaltungsakt auch derjenige i.S.v. §§ 41 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1 S. 1 VwVfGbetroffen“, auf den sich die im Verwaltungsakt getroffene Regelung auswirkt. Typische Beispiele hierfür sind die Verwaltungsakte mit Drittwirkung, vgl. § 80a VwGO. Wird einem derart (Dritt-)Betroffenen der Verwaltungsakt zwar bekannt gegeben (z.B. Nachbar N des Bauherrn B, dem die Behörde eine Baugenehmigung erteilt hat), der Dritte aber entgegen § 13 Abs. 2 VwVfG nicht durch Hinzuziehung auch zum Verfahrensbeteiligten, so liegt zwar ein Verfahrensfehler vor. Dem Eintritt der Wirksamkeit des Verwaltungsakts gegenüber dem Dritten steht dies jedoch nicht entgegen.

II. Zustellung i.S.d. VwZG

264

Sofern im Gesetz (z.B. § 10 Abs. 7 S. 1 BImSchG, § 20 S. 1 GrdstVG, § 13 Abs. 7 S. 1 VwVG) oder durch behördliche Anordnung – v.a. aus Beweisgründen bei Erlass etwa eines belastenden Verwaltungsakts (insoweit besteht Ermessen) – die Zustellung des Verwaltungsakts als besonders formalisierte Form der Bekanntgabe bestimmt wird (§ 1 Abs. 2 VwZG), richtet sich diese nicht nach § 41 Abs. 1 bis 4 VwVfG (siehe § 41 Abs. 5 VwVfG), sondern im Fall der Zustellung durch eine Bundesbehörde nach dem VwZG des Bundes (§ 1 Abs. 1 VwZG) bzw. bei Zustellung durch eine Landesbehörde oder durch eine unter der Aufsicht des Landes stehende Körperschaft (z.B. Gemeinde), Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts nach dem VwZG des jeweiligen Landes (siehe z.B. § 1 Abs. 1 LVwZG BW, Art. 1 Abs. 1 bay. VwZVG, § 1 Abs. 1 LZG NRW; Ausnahme: § 73 Abs. 3 S. 2 VwGO, wonach die Zustellung des Widerspruchsbescheids stets nach dem Bundes-VwZG erfolgt).

Definition

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Definition: Zustellung

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 VwZG

Parallelnorm: § 166 Abs. 1 ZPO. ist Zustellung die BekanntgabeDie Bekanntgabe eines schriftlichen Dokuments erfolgt grundsätzlich im Wege der Aushändigung, die eines elektronischen durch dessen Übermittlung an den jeweiligen Empfänger, siehe Schlatmann in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG § 2 VwZG Rn. 2 f. eines schriftlichen oder elektronischen Dokuments (i.d.R. die beglaubigte AbschriftDurch die beglaubigte Abschrift wird bestätigt, dass das Dokument mit der Urschrift oder Ausfertigung übereinstimmt. Letztere ist eine ebenfalls zustellfähige Urkunde, welche die Urschrift, d.h. das Original des zuzustellenden Dokuments, im Rechtsverkehr vertritt. Zum Ganzen siehe Sadler VwVG/VwZG § 2 VwZG Rn. 3, 9 und 15. BT-Drucks. 15/5216, 11: „Die Übersendung einer bloßen Fotokopie genügt somit nicht“. des bei der Behörde verbleibenden Originals) in der im VwZG bestimmten Form.

Mittels dieser Förmlichkeit soll der Zugang des Verwaltungsakts beim Empfänger in besonders bedeutungsvollen Fällen gesichert und der Zugangszeitpunkt zweifelsfrei festgehalten werden.

265

Ausgeführt wird die Zustellung (Sonderarten: §§ 9, 10 VwZG) gem. § 2 Abs. 2 S. 1 VwZG regelmäßig durch einen Erbringer von Postdienstleistungen (Post; vgl. § 33 PostG

Bei der förmlichen Zustellung gem. § 3 VwZG wird der Lizenznehmer als beliehener Unternehmer gem. § 33 Abs. 1 PostG tätig. Zustellungen von Einschreiben nach § 4 VwZG erledigt die Post hingegen im Rahmen einer privatrechtlichen Beauftragung durch die Behörde, siehe BT-Drucks. 15/5216, 11. ), einen nach § 17 des De-Mail-Gesetzes akkreditierten Diensteanbieter oder durch die Behörde. Gerichtet werden „können“ (Ermessen) Zustellungen im Grundsatz an den Beteiligten selbst oder – falls vorhanden – an den allgemeinen oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten (Rn. 261). Sie „sind“ (gebundene Entscheidung) – insoweit abweichend von der Regelung bei der Bekanntgabe (§ 41 Abs. 1 S. 2 VwVfG; Rn. 261) – an den Bevollmächtigten (v.a. Rechtsanwalt) zu richten, wenn dieser eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat, siehe § 7 Abs. 1 S. 2 VwZG. Erfolgt die Zustellung im letztgenannten Fall gleichwohl unmittelbar an den Beteiligten, so ist sie unwirksam (zur Heilung dieses Mangels nach § 8 VwZG siehe Rn. 268); eine Rechtsbehelfsfrist beginnt nicht zu laufen.Sadler VwVG/VwZG § 7 VwZG Rn. 33; Schlatmann in: Engelhardt/App, VwVG/VwZG § 7 VwZG Rn. 8. Wiederum in Abweichung von der – freilich umstrittenen – Rechtslage bei der Bekanntgabe muss bei der Zustellung an mehrere Adressaten grundsätzlich (Ausnahme z.B. § 10 Abs. 3 AsylVfG) jeder einzelne von diesen in den Besitz einer eigenen Ausfertigung gelangen, sofern keine entsprechende Zustellungsbevollmächtigung vorliegt. „Denn die Zustellung besteht in der Übermittlung eines Dokuments zur alleinigen Verfügungsgewalt“,Sadler VwVG/VwZG § 2 VwZG Rn. 28. d.h. jeder Empfänger muss ein Exemplar für sich allein erhalten.Schlatmann in: Engelhardt/App, VwVG/VwZG § 2 VwZG Rn. 9 m.w.N. aus der Rechtsprechung.

Beispiel

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Die Eheleute E wurden als Eigentümer eines Grundstücks in einem für sie beide bestimmten Schriftstück zu einem Beitrag in Höhe von 12 000 € herangezogen. Der Bescheid wurde ihnen als Einschreiben mit Rückschein zugesandt. Handelt es sich hierbei um eine vorschriftsmäßige Zustellung i.S.d. VwZG?

Nein. Die Übersendung des Bescheids in einem für beide Eheleute bestimmten Schriftstück als Einschreiben mit Rückschein stellt keine vorschriftsmäßige Zustellung dar. Zwar ist die Übersendung mit der Post durch Einschreiben mit Rückschein in den hier anwendbaren §§ 2, 4 Abs. 1 VwZG als zulässige Zustellungsform vorgesehen. Die Übersendung nur eines Schriftstücks für mehrere Empfänger vermag aber die Erreichung des Zwecks der Zustellung nicht sicherzustellen. Dieser Zweck liegt darin, dass der Empfänger – bei einer Mehrzahl von Empfängern jeder von ihnen – das Schriftstück in die Hand bekommt und auch solange in der Hand behalten kann, als es für die Entschließung über einen Rechtsbehelf und – über die Rechtsbehelfsfrist hinaus – zur Vergewisserung über den Inhalt der zu erfüllenden Verpflichtung notwendig ist. Die Übersendung nur eines Schriftstücks für mehrere Empfänger stellt daher auch gegenüber demjenigen, der das Schriftstück ausgehändigt bekommen hat, keine wirksame Zustellung dar, weil nicht gesichert ist, dass er das Schriftstück auch selbst behalten und nicht dem anderen Betroffenen aushändigen wird. Schließlich war die Übersendung des Beitragsbescheids als Einschreiben mit Rückschein in einer Ausfertigung an die beiden Eheleute hier auch nicht deswegen wirksam, weil diese sich gegenseitig bevollmächtigt hätten. Insbesondere ergibt allein die Tatsache, dass es sich um Eheleute handelt und diese in einem gemeinsamen Haushalt leben, noch keine gegenseitige Bevollmächtigung.

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Von den im VwZG als gleichrangig und -wertig vorgesehenen Zustellungsformen, zwischen denen die Behörde nach ihrem Ermessen wählen kann (§ 2 Abs. 3 S. 1 VwZG), sind als in der Praxis wichtigste zu nennen:

Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde, § 3 VwZG:

Hierbei übergibt die Behörde der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde.

Vordruck bei Finke/Haurand/Sundermann/Vahle Allgemeines Verwaltungsrecht S. 173 f. Der Postbedienstete übergibt dann das Schriftstück an den Adressaten, beurkundet die Zustellung und leitet diese Urkunde (zwingend notwendiger Inhalt: § 182 Abs. 2 ZPO) an die Behörde zurück. Trifft der Zusteller die Person, der zugestellt werden soll, nicht an, gelangen die Vorschriften der §§ 178 bis 181 ZPO über die Ersatzzustellung zur Anwendung. Die Zustellungsurkunde entfaltet die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde, vgl. § 418 ZPO;

Zustellung durch die Post mittels Einschreiben, § 4 VwZG:

Mittels Einschreiben kann ein Dokument durch die Post entweder durch Übergabe (Übergabe-Einschreiben) oder durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden. Das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post (nach denen – und nicht nach den §§ 178 ff. ZPO – sich im Rahmen des § 4 VwZG auch die Übergabe an einen Ersatzempfänger richtet) daneben noch vorgesehene „Einlegen in einen für den Empfänger bestimmten und ausreichend aufnahmefähigen Hausbriefkasten“ (Einwurf-Einschreiben) genügt für eine Zustellung nach § 4 VwZG hingegen nicht. Der bei Erfolglosigkeit des Zustellungsversuchs regelmäßig erfolgende Einwurf eines bloßen Benachrichtigungsschreibens in den Briefkasten des Empfängers bewirkt noch keinen Zugang des Einschreibens, welches sich in diesem Fall ja noch auf der Post befindet. Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein.

Näher zum Beweiswert des Rückscheins siehe Tegethoff JA 2007, 131 (132). Im Übrigen gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post – dieser ist in den Akten zu vermerken – als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen (zur Parallelvorschrift des § 41 Abs. 2 S. 1, 3 VwVfG siehe Rn. 258 ff.);

Zustellung durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis, § 5 VwZG:

Bei der Zustellung durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis händigt der zustellende Bedienstete das Dokument dem Empfänger aus, der daraufhin ein mit dem Datum der Aushändigung versehenes Empfangsbekenntnis zu unterschreiben hat. Der Bedienstete vermerkt das Datum der Zustellung auf dem (Umschlag des auszuhändigenden) Dokument(s). Über § 5 Abs. 2 S. 1 VwZG finden die §§ 177 bis 181 ZPO betreffend die Ersatzzustellung Anwendung. Zur Nachtzeit (21 bis 6 Uhr), an Sonn- und allgemeinen Feiertagen darf nach § 5 Abs. 1, 2 VwZG im Inland nur mit Erlaubnis des Behördenleiters zugestellt werden, welche bei der Zustellung abschriftlich mitzuteilen ist. Eine Zustellung, bei der diese Vorschriften nicht beachtet sind, ist gem. § 5 Abs. 3 S. 4 VwZG gleichwohl dann wirksam, wenn die Annahme nicht verweigert wird. Erleichterungen der Zustellung sind in § 5 Abs. 4 VwZG (bzgl. bestimmter „vertrauenswürdiger Institutionen und Personen“

Sadler VwVG/VwZG § 5 VwZG Rn. 42.) und in § 5 Abs. 5, 6 VwZG (elektronische Zustellung) geregelt. Zu Letzterer siehe auch § 5a VwZG betreffend die elektronische Zustellung gegen Abholbestätigung über De-Mail-Dienste.

 

III. Fehlerfolgen

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Fehlt es an den Voraussetzungen der Bekanntgabe überhaupt (Rn. 256; z.B. Bescheid geht auf dem Postweg verloren), so wird der betreffende Verwaltungsakt gem. § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG von vornherein nicht wirksam (Rn. 253).

Richtigerweise handelt es sich in diesen Fällen nicht etwa um einen nichtigen Verwaltungsakt, bezieht sich die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts doch auf die dessen äußere Existenz voraussetzende innere Wirksamkeit, siehe Erichsen/Hörster Jura 1997, 659 (664). Dasselbe gelte nach zum Teil vertretener Auffassung ebenfalls dann, wenn die Bekanntgabe als solche zwar erfolgt, dies jedoch in (verfahrens- oder form-)fehlerhafter Weise geschehen ist. Hiernach sei der Verwaltungsakt aufgrund des Fehlers bei der Bekanntgabe gegenüber dem Adressaten nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden und für diesen mithin nicht wirksam; ist der Verwaltungsakt auch sonst niemandem gegenüber wirksam bekannt gegeben worden, sei er überhaupt nicht existent, so dass in Fällen dieser Art der Behörde mangels gesetzlich vorgesehener Heilungsmöglichkeit keine andere Möglichkeit bliebe, als die Bekanntgabe ordnungsgemäß – mit Wirkung ex nunc – nachzuholen. Demgegenüber differenziert die h.M. insoweit nach der Schwere des Fehlers: Bei weniger schweren Fehlern sei der Verwaltungsakt wirksam (da er ja bekannt gegeben wurde), jedoch rechtswidrig (z.B. wegen eines Verstoßes gegen § 37 Abs. 2 VwVfG; Rn. 204), mit der Möglichkeit der Fehlerheilung (analog § 8 VwZG trotz fehlender Regelung in § 45 Abs. 1 VwVfG; Rn. 268) bzw. der Unbeachtlichkeit des Fehlers nach § 46 VwVfG (Rn. 282 ff.); auch würden die Rechtsbehelfsfristen nicht in Lauf gesetzt. Nur bei schweren Bekanntgabefehlern i.S.v. § 44 Abs. 1, 2 VwVfG (Rn. 270 ff.) sei der nicht ordnungsgemäß bekannt gegebene Verwaltungsakt nichtig und somit gem. § 43 Abs. 3 VwVfG unwirksam.Nachweise zum gesamten Meinungsstreit bei Beaucamp JA 2016, 436 (438 f.).

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Was speziell einen Verstoß gegen die jeweils einschlägige Zustellungsvorschrift anbelangt (Rn. 264 ff.), so sieht § 8 VwZG ausdrücklich eine weitgehende Heilungsmöglichkeit von Zustellungsfehlern vor. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten (das ist derjenige, an den die Zustellung nach dem Gesetz zu richten war, vgl. § 189 ZPO) tatsächlich zugegangen ist. Ob es hierfür allein auf das – ggf. rein zufällig eintretende – Ergebnis des Zugangs ankommt oder ob dieser vielmehr mit Wissen und Wollen der Behörde erfolgen muss, ist ebenso streitig wie die Frage, ob § 8 VwZG über seinen an sich nur Fehler im Zustellungsvorgang erfassenden Wortlaut hinaus aus teleologischen Gründen auf Mängel am Zustellungsobjekt entsprechend angewendet werden kann.

Zu beiden Problemfeldern siehe Schlatmann in: Engelhardt/App, VwVG/VwZG § 8 VwZG Rn. 1 f. m.w.N.

Beispiel

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Im Hinblick auf den in Rn. 265 gebildeten Beispielsfall ist umstritten, ob eine Heilung nach § 8 VwZG in Betracht kommt. Mit der Begründung, dass dies nur im Fall einer fehlerhaften Zustellung möglich sei, es vorliegend aber an einer Zustellung überhaupt fehlt, wird diese Frage teilweise

Sadler VwVG/VwZG § 8 VwZG Rn. 34; Schlatmann in: Engelhardt/App, VwVG/VwZG § 8 VwZG Rn. 3. verneint. Demgegenüber hat der VGH Kassel im zugrunde liegenden Urteil insoweit für Recht erkannt: Zwar ist es zutreffend, dass eine Heilung nach § 8 VwZG „eine zwar fehlerhafte, aber doch ,erfolgreiche‘ Zustellung verlangt, dass also der Empfänger das Schriftstück so erhalten hat, wie er es bei vorschriftsmäßiger Zustellung erhalten haben würde. Bei der Prüfung, ob das der Fall ist, darf aber nicht von überspitzten, der Lebenswirklichkeit nicht entsprechenden Vorstellungen […] ausgegangen werden. Auch der einzige Adressat eines zuzustellenden Schriftstücks, dem dieses fehlerfrei förmlich zugestellt worden ist, wird dieses nicht dauernd bei sich tragen […]. Die meisten werden vielmehr das zugestellte Schriftstück zunächst einmal in der Wohnung oder in ihren Geschäftsräumen zur Seite legen, um sich dann in einem passenden Augenblick damit zu beschäftigen […]. Während derjenigen Zeiträume, in denen das Schriftstück auf diese Weise beiseitegelegt ist, kann auch ein anderer Adressat, der zu den gleichen Räumen Zutritt hat, wie das bei Ehegatten meistens der Fall ist, das Schriftstück lesen und sich über seinen Inhalt und die Aussichten eines Rechtsbehelfs klarwerden.“

Hinweis

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„Gemäß § 1 Abs. 2 [VwZG] wird zugestellt, wenn dies entweder durch Rechtsvorschrift so bestimmt ist oder die Behörde die Zustellung im Einzelfall besonders angeordnet hat. Daraus ergibt sich, dass ein Mangel bei der Zustellung nicht danach bewertet werden kann, ob die Zustellung gesetzlich vorgeschrieben oder behördlich angeordnet ist […]. Hätte der Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen einem Fehler bei der gesetzlich vorgeschriebenen und der […] behördlich bestimmten Zustellung vornehmen wollen, so stünde es in § 8 [VwZG].“

Sadler VwVG/VwZG § 8 VwZG Rn. 1 m.w.N. auch zur a.A. „Auch in diesem Fall [der behördlich angeordneten Zustellung] kann eine fehlerhafte Zustellung [daher] nicht in eine fehlerfreie Bekanntgabe umgedeutet werden.“ Vielmehr kommt auch insoweit nur die Heilung gem. § 8 VwZG in Betracht,Schlatmann in Engelhardt/App VwVG/VwZG § 1 VwZG Rn. 10 m.w.N. d.h. die Behörde kann nicht ersatzweise auf § 41 VwVfG zurückgreifen.Schoch Jura 2011, 23 (27).

 

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